VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2A.393/2004  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2A.393/2004 vom 30.09.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.393/2004 /kil
 
Urteil vom 30. September 2004
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
 
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli,
 
Gerichtsschreiber Küng.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
 
lic. iur. Werner Greiner,
 
gegen
 
Regierungsrat des Kantons Zürich,
 
Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, Militärstrasse 36, Postfach, 8021 Zürich.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung (Familiennachzug),
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom
 
28. April 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ (geb. 1953), schweizerischer und türkischer Staatsangehöriger, hat in der Türkei aus einer geschiedenen Ehe sowie einer weiteren Beziehung vier erwachsene Kinder und die noch nicht mündige Tochter A.________ (geb. 20. September 1986). Im März 1987 reiste er in die Schweiz ein und ersuchte um Asyl. Die Kinder blieben in der Türkei bei den Grosseltern und weiteren Verwandten. Im August 1987 heiratete X.________ die 19 Jahre ältere Schweizerin B.________. Sein Asylgesuch wurde am 10. November 1992 abgewiesen. Nachdem die Ehe mit B.________ im Mai 1994 geschieden worden war, heiratete X.________ die Schweizerin C.________ (geb. 1962). Aus dieser Ehe stammt der 1995 geborene Sohn D.________. Im August 1998 wurde X.________ erleichtert eingebürgert. Wegen Rücken-, Knie- und Kopfschmerzen ersuchte er am 27. August 1998 um Leistungen der Invalidenversicherung; ein Entscheid liegt noch nicht vor. Seit Oktober 1998 lebt er getrennt von seiner Ehefrau. Seit Juli 1999 bezieht er Sozialhilfe.
 
Am 13. Juni 2001 stellte X.________ ein Gesuch um Nachzug seiner jüngsten Tochter A.________ - über die ihm am 16. Oktober 2001 von einem türkischen Gericht das Sorgerecht übertragen wurde und die nach dem Tod der Grosseltern und dem Wegzug von zwei Schwestern allein lebe - in die Schweiz, wo sie studieren wolle. Das Migrationsamt des Kantons Zürich wies das Gesuch am 23. Januar 2002 ab.
 
Den dagegen gerichteten Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Zürich am 6. Januar 2004 ab.
 
Gegen diesen Beschluss des Regierungsrates wandte sich X.________ an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, welches seine Beschwerde am 28. April 2004 abwies.
 
B.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 5. Juli 2004 beantragt X.________ dem Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und das Migrationsamt anzuweisen, seiner Tochter A.________ die Niederlassungsbewilligung zu erteilen.
 
Das Verwaltungsgericht und der Regierungsrat des Kantons Zürich sowie das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Der Beschwerdeführer ist (auch) Schweizer Bürger. Er kann sich deshalb für den Nachzug seiner in der Türkei lebenden, im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung (Juni 2001) noch nicht ganz 15 Jahre alten ausländischen Tochter auf Art. 17 Abs. 2 ANAG stützen. Nachdem die Tochter im heutigen Zeitpunkt das Mündigkeitsalter erreicht hat, kann er sich indessen nicht mehr auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK berufen (vgl. BGE 129 II 249 E. 1.2 mit Hinweis); ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis (vgl. BGE 129 II 11 E. 2) wird weder behauptet noch ist ein solches ersichtlich.
 
1.2 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, gerügt werden (Art. 104 lit. a OG). Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, so ist das Bundesgericht an deren Sachverhaltsfeststellungen gebunden, es sei denn, der Sachverhalt sei offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erhoben worden (Art. 105 Abs. 2 OG).
 
2.
 
2.1 Zweck des Familiennachzugs gemäss Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG ist es, das familiäre Zusammenleben zu ermöglichen. Sind die Eltern voneinander getrennt oder geschieden und hält sich der eine Elternteil in der Schweiz, der andere aber im Ausland auf, kann es nicht um eine Zusammenführung der Gesamtfamilie gehen. In solchen Fällen entspricht es dem Gesetzeszweck nicht, einen bedingungslosen Anspruch auf Nachzug der Kinder anzunehmen (BGE 129 II 249 E. 2.1 mit Hinweisen). Der nachträgliche Nachzug eines Kindes setzt diesfalls voraus, dass eine vorrangige Bindung des Kindes zum in der Schweiz lebenden Elternteil nachgewiesen ist und besonders stichhaltige familiäre Gründe, zum Beispiel eine Änderung der Betreuungsmöglichkeiten, dieses Vorgehen rechtfertigen (BGE 129 II 11 E. 3.1.3 und 3.3.1 mit Hinweisen). Die Verweigerung einer Bewilligung lässt sich jedenfalls dann nicht beanstanden, wenn die Familientrennung von den Betroffenen ursprünglich selbst freiwillig herbeigeführt worden ist, für die Änderung der bisherigen Verhältnisse keine überwiegenden familiären Interessen bestehen bzw. sich ein Wechsel nicht als zwingend erweist und die Fortführung und Pflege der bisherigen familiären Beziehungen nicht behördlich verhindert wird (BGE 129 II 249 E. 2.1 mit Hinweisen).
 
Stichhaltige Gründe, die eine Änderung der Betreuungsverhältnisse gebieten, dürfen nicht leichthin bejaht werden. Es gelten hohe Beweisanforderungen; an den Nachweis der fehlenden Betreuungsmöglichkeit im Heimatland sind - zumal es aus integrationspolitischer Sicht nicht erwünscht ist, dass Jugendliche erst kurz vor Erreichen der Altersgrenze in die Schweiz geholt werden - umso höhere Anforderungen zu stellen, je älter das Kind ist bzw. je grösser die ihm in der Schweiz drohenden Integrationsschwierigkeiten sind (BGE 129 II 11 E. 3.3.2 mit Hinweisen).
 
2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, auf die Feststellung der Vorinstanz, es sei erstellt, dass der Nachzug der jüngsten Tochter für deren Pflege nicht notwendig sei, könne nicht abgestellt werden. Was er in diesem Zusammenhang vorbringt (Beschwerde Ziff. 1), lässt die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz indessen nicht als offensichtlich unrichtig oder unvollständig erscheinen; auch eine Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen ist nicht ersichtlich. Dass er nach dem Tod des Grossvaters 1998 aus psychischen Gründen bis Juni 2001 nicht in der Lage gewesen sein soll, seiner Tochter die notwendige psychische und erzieherische Unterstützung zukommen zu lassen, mag zwar zutreffen, ändert aber nichts daran, dass zu jenem Zeitpunkt eine neue Betreuung für die Tochter in der Türkei gefunden werden musste. Wie er diese Situation entgegen den Feststellungen der Vorinstanz dieser gegenüber - entsprechend den hierfür geltenden hohen Anforderungen (oben E. 2.1) - genügend substanziiert haben soll, belegt der Beschwerdeführer nicht näher.
 
2.3 Die Vorinstanz hat die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Familiennachzug eingehend dargestellt (angefochtener Entscheid E. 2) und mit ausführlicher und sorgfältiger Begründung in Berücksichtigung aller nach Gesetz und Rechtsprechung massgeblichen Kriterien sowie in zutreffender Würdigung und Abwägung derselben überzeugend dargelegt, dass die Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung für die Tochter des Beschwerdeführers kein Bundesrecht verletzt. Es kann vollumfänglich auf diese Ausführungen (angefochtener Entscheid E. 3.2) verwiesen werden, denen nichts beizufügen ist. Der von der Vorinstanz in umfassender Würdigung aller massgebenden Umstände gezogene Schluss, die Voraussetzungen für den Nachzug der Tochter seien nicht erfüllt, da diese insbesondere nicht notwendigerweise einer ständigen Betreuung und Pflege bedürfe und auch - zumal ihre Integration in der Schweiz angesichts ihres Alters und des Besuchs aller Schulen in der Türkei mit einigen Unsicherheiten belastet sei - nicht aus ihrer bisherigen Umgebung sowie ihrem Beziehungsumfeld herausgerissen werden sollte, ist somit nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer führt insbesondere keine Argumente dafür an, weshalb die jüngste - heute volljährige - Tochter, nachdem sie nach seinen Angaben bereits seit dem Wegzug der sie nach dem Tod des Grossvaters (1998) noch betreuenden beiden Schwestern im Jahre 1999 allein in der Türkei gelebt hat, entgegen der Auffassung der Vorinstanz noch der von ihm behaupteten Unterstützung bedürfte.
 
3.
 
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. Da die gestellten Rechtsbegehren als von vornherein aussichtslos erschienen, kann dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren nicht gewährt werden (Art. 152 OG). Damit hat der Beschwerdeführer die Kosten dieses Verfahrens zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 30. September 2004
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).