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Informationen zum Dokument  BGer 6S.238/2004  Materielle Begründung
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BGer 6S.238/2004 vom 24.09.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6S.238/2004 /mks
 
Urteil vom 24. September 2004
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Karlen, Zünd,
 
Gerichtsschreiber Boog.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Statthalteramt des Bezirkes Zürich, Selnaustrasse 32, Postfach, 8023 Zürich.
 
Gegenstand
 
Busse (AHV-Zusatzleistungen etc.),
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 17. Mai 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Statthalteramt des Bezirks Zürich bestrafte X.________ mit Strafverfügung vom 10. April 2002 wegen Widerhandlung gegen Art. 16 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) und § 25 des Gesetzes über die Zusatzleistungen zur eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung des Kantons Zürich (ZLG; LS 831.3) mit einer Busse von Fr. 500.--. Auf Einsprache des Beurteilten hin erklärte die Einzelrichterin des Bezirks Zürich X.________ mit Urteil vom 31. Januar 2003 der Übertretung des § 37 ZLG/ZH in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 ELG schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 30.--. Eine von X.________ hiegegen geführte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 17. Mai 2004 ab.
 
B.
 
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
 
C.
 
Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf eine Stellungnahme verzichtet. Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass die angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte bleibt vorbehalten (Art. 269 Abs. 1 und 2 BStP). Soweit der Beschwerdeführer wegen Widerhandlung gegen kantonale Bestimmungen verurteilt worden ist, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Dasselbe gilt, soweit er sich gegen die Abweisung seines Ausstandsbegehrens gegen den stellvertretenden Statthalter wendet.
 
2.
 
Die Vorinstanz stellt für den Kassationshof verbindlich fest (Art. 277bis Abs. 1 BStP), dem im AHV-Alter stehenden Beschwerdeführer sei am 16. August 1999 durch das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich (AZL) eine monatliche Zusatzleistung zugesprochen worden. Mit Schreiben vom 26. August 1999 habe ihm das AZL mitgeteilt, es sei der Anspruch auf eine Rente aus Italien abzuklären, da er von 1982 bis 1991 in Italien gearbeitet habe. Das Amt habe ihn daher aufgefordert, die nötigen Formulare bei der Ausgleichskasse in Genf anzufordern. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer in der Folge trotz mehrmaliger Aufforderung nicht nach.
 
3.
 
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die ihm vorgeworfene Übertretung sei verjährt.
 
3.1 Die kantonalen Instanzen gehen davon aus, auf den zu beurteilenden Fall sei das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) anwendbar, so dass sich die Verjährung nach Art. 11 VStrR richte.
 
3.2 Gemäss Art. 1 VStrR bestimmt sich die Anwendbarkeit dieses Gesetzes - auch in Bezug auf seine materiell-rechtlichen Bestimmungen der Art. 2 bis 18 - nach dem formellen Kriterium, ob die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen einer Verwaltungsbehörde des Bundes übertragen ist. Sieht das Bundesrecht keine entsprechende Kompetenzzuweisung vor oder überträgt es die entsprechende Zuständigkeit kantonalen Behörden, ist das VStrR nicht anwendbar (BGE 102 Ib 218 E. 1 S. 221 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung 2A.77/1989 vom 1989 E. 2b; ferner Kurt Hauri, Verwaltungsstrafrecht, Bern 1998, S. 3).
 
Die Verfolgung von Widerhandlungen gegen das ELG liegt nicht in der Kompetenz einer eidgenössischen Verwaltungsbehörde. Die Bestimmungen des VStrR, mithin auch die Verjährungsbestimmung von Art. 11 VStrR, gelangen daher nicht zur Anwendung. Die Verjährung richtet sich somit - mangels besonderer Bestimmungen im ELG - nach den allgemeinen Regeln des Strafgesetzbuches (Art. 333 Abs. 1 StGB).
 
3.3 Gemäss Art. 16 Abs. 2 ELG wird, wer in Verletzung der Auskunftspflicht wissentlich unwahre Auskunft erteilt oder die Auskunft verweigert, sich einer von der zuständigen Stelle angeordneten Kontrolle widersetzt oder diese auf andere Weise verunmöglicht, mit Busse bis zu Fr. 5'000.-- bestraft. Nach Art. 101 StGB sind die mit Haft oder Busse oder mit Busse allein bedrohten Handlungen Übertretungen.
 
Nach der Regelung des alten Rechts beträgt die relative Verjährungsfrist für die Strafverfolgung von Übertretungen ein Jahr (Art. 109 aStGB). Ruhen und Unterbrechung der Verjährung richten sich nach Art. 72 aStGB (Art. 102 aStGB). Gemäss Ziff. 2 Abs. 1 dieser Bestimmung wird die Verfolgungsverjährung u.a durch jede Untersuchungshandlung einer Strafverfolgungsbehörde oder Verfügung des Gerichts gegenüber dem Täter, namentlich durch Vorladungen und Einvernahmen etc. unterbrochen. Mit jeder Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen. Die Strafverfolgung ist aber in jedem Fall verjährt, wenn die ordentliche Frist bei Übertretungen um ihre ganze Dauer überschritten ist. Danach verjährt nach altem Recht die Strafverfolgung bei Übertretungen absolut nach Ablauf von zwei Jahren (Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 aStGB). Gemäss Art. 109 StGB in der Fassung vom 22. März 2002 (in Kraft seit 1. Oktober 2002) verjährt die Strafverfolgung von Übertretungen nunmehr in drei Jahren.
 
Die Verfolgungsverjährung beginnt mit dem Tag, an dem der Täter die strafbare Handlung ausführt. Führt er die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten aus, setzt sie mit dem Tag ein, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt. Dauert das strafbare Verhalten an, fängt sie mit dem Tag an, an welchem dieses aufhört (Art. 71 lit. a bis c StGB; Art. 71 Abs. 1 bis 3 aStGB). Beim Unterlassungsdelikt beginnt die Verjährung mit dem Tag, an welchem der Handlungspflichtige hätte aktiv werden müssen oder an dem die Handlungspflicht endet (Peter Müller, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I, Art. 71 N 7; Stefan Trechsel, Kurzkommentar Strafgesetzbuch, 2. Aufl. Zürich 1997, Art. 71 N. 3).
 
3.4 Nach den verbindlichen Feststellungen der kantonalen Instanzen weigerte sich der Beschwerdeführer erstmals am 1. September 1999, die für die Abklärung eines Rentenanspruchs aus Italien notwendigen Formulare bei der Ausgleichskasse in Genf anzufordern und auszufüllen. Er widersetzte sich in der Folge auch weiteren Aufforderungen und teilte den zuständigen Ämtern ausdrücklich mit, dass er jegliche Zusammenarbeit mit den Behörden verweigere. Aufgrund dessen erstattete das Sozialamt des Kantons Zürich am 23. März 2001 Strafanzeige beim Statthalteramt des Bezirks Zürich.
 
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers beginnt der Fristenlauf der Verfolgungsverjährung nicht mit seiner erstmaligen Weigerung vom 1. September 1999, der Aufforderung des AZL nachzukommen. Denn die Pflicht, die entsprechenden Formulare für die Abklärung eines Rentenanspruchs aus Italien bei der Ausgleichskasse in Genf anzufordern, endete nicht mit diesem Datum, sondern bestand vielmehr die ganze Zeit des Verfahrens über fort, so dass die Verfolgungsverjährung auch zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils noch nicht zu laufen begonnen hat. Selbst wenn man annehmen wollte, die Verjährung habe mit der Einvernahme durch die Kantonspolizei Zürich am 25. Juni 2001 angefangen zu laufen, als er sich der Aufforderung der Behörden - soweit ersichtlich - zum letzten Mal ausdrücklich widersetzt hatte, wäre das ihm zur Last gelegte strafbare Verhalten nach der Regelung des milderen früheren Rechts (Art. 2 Abs. 2 StGB) bis zum Urteil des Bezirksgerichts, mit welchem die formelle Rechtskraft eintrat (vgl. BGE 116 IV 80 E. 1; ferner Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 3. Aufl. 1997, S. 166), noch nicht absolut verjährt gewesen.
 
Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.
 
4.
 
Zu Unrecht bringt der Beschwerdeführer im Weiteren vor, das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik über soziale Sicherheit (SR 0.831.109.454.2) sei auf das ELG nicht anwendbar. Denn diese Frage ist im vorliegenden Kontext ohne Bedeutung. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, wirkt sich der Umstand, dass ein Schweizer eine Rente aus Italien bezieht oder geltend machen kann, auf die Bestimmung der Anspruchsberechtigung für die Ausrichtung von Ergänzungsleistungen zur schweizerischen AHV/IV aus, da solche Leistungen als Einkünfte anzurechnen sind (Art. 3c Abs. 1 lit. d ELG). Dass den Beschwerdeführer von daher die Pflicht traf, bei der Abklärung allfälliger Ansprüche aus der italienischen Sozialversicherung mitzuwirken (Art. 16 Abs. 2 ELG), steht ausser Frage. Es kann hiefür ohne weiteres auf das angefochtene Urteil verwiesen werden.
 
Entgegen seinen Ausführungen trifft schliesslich auch nicht zu, dass der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen wäre. Zwar hat er bei der Ausgleichskasse in Genf eine Bestätigung erbeten, dass er weder Anspruch auf eine italienische Rente noch aus einer freiwilligen Versicherung habe. Doch konnte die Ausgleichskasse dies eben gerade nicht bestätigen, solange der Beschwerdeführer nicht - wie von ihm verlangt - die notwendigen Schritte zur Abklärung des Rentenanspruchs eingeleitet hatte.
 
Die Beschwerde ist somit auch in diesem Punkt unbegründet.
 
5.
 
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 278 Abs. 1 BStP). Da die Beschwerde von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte (Art. 152 Abs. 1 OG, vgl. BGE 124 I 304 E. 2 mit Hinweisen), ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen. Den schlechten finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers kann bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr Rechnung getragen werden.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Statthalteramt des Bezirkes Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. September 2004
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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