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Informationen zum Dokument  BGer C 66/2004  Materielle Begründung
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BGer C 66/2004 vom 18.08.2004
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
C 66/04
 
Urteil vom 18. August 2004
 
III. Kammer
 
Besetzung
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiber Grünvogel
 
Parteien
 
Staatssekretariat für Wirtschaft, Direktion Arbeitsmarkt/Arbeitslosenversicherung, Effingerstrasse 31, 3003 Bern, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Firma T.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher Dr. Wolfgang Salzmann, Biberiststrasse 16, 4501 Solothurn,
 
Vorinstanz
 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn
 
(Entscheid vom 25. März 2004)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Firma T.________, reichte am 13. November 2002 beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn eine Voranmeldung von Kurzarbeit ein. Mit Verfügung vom 3. Dezember 2002 stimmte das Amt einer späteren Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigungen vom 1. Dezember 2002 bis 28. Februar 2003 zu. Mangels hinreichender Kontrollierbarkeit der Arbeitszeit verneinte die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn alsdann mit Verfügung vom 31. Juli 2003 den Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung für die Zeit vom 1. Dezember 2002 bis 17. Februar 2003. Am 17. Februar 2003 hatte der Sekretär der Gewerkschaft Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen SMUV Solothurn anlässlich eines Besuchs bei der Firma Unregelmässigkeiten bei der Zeiterfassung festgestellt. Mit Einspracheentscheid vom 16. September 2003 hielt die Kasse an ihrer Auffassung fest.
 
B.
 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 25. März 2004 teilweise gut, bejahte den Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung vom 1. Dezember 2002 bis 7. Januar 2003 und wies die Kasse an, die entsprechenden Leistungen auszurichten. Dies, nachdem die Firma im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels polizeiliche Protokolle über die Einvernahme der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer im November und Dezember 2003 ins Recht gelegt hatte. Diese Schriftstücke wurden im Rahmen des gegen die Firma wegen versuchten Betrugs zum Nachteil der Arbeitslosenversicherung laufenden Strafverfahrens erstellt.
 
C.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids.
 
Die Firma lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, während die Kasse auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Ausschluss von Arbeitnehmern, deren Arbeitszeit nicht ausreichend kontrollierbar ist, vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung zutreffend wiedergegeben (Art. 31 Abs. 3 lit. a AVIG, Art. 46b AVIV; Urteile B. AG vom 10. März 2002, C 61/01, Erw. 2, W. AG vom 22. August 2001, C 260/00, Erw. 2b, D. AG vom 30. Juli 2001, C 229/00, Erw. 2b; siehe auch ARV 1999 Nr. 34 S. 200; 1998 Nr. 35 S. 200 Erw. 4b). Darauf ist zu verweisen.
 
2.
 
Fest steht, dass die Arbeitszeit der von der Kurzarbeit betroffenen Angestellten der Beschwerdegegnerin spätestens ab dem 8. Januar 2003 nur noch unvollständig mit den Stempelkarten erfasst wurde. Auf diesen Zeitpunkt hin hatte der Firmeninhaber - seinen Ausführungen folgend - die Belegschaft wegen Zunahme des Auftragseingangs bei nach wie vor angespannter Finanzlage gebeten, nötigenfalls Arbeiten auch ausserhalb des von der Kasse bewilligten Kurzarbeitspensums in der Freizeit zu erledigen. Auf Intervention des Gewerkschaftssekretärs vom 17. Februar 2003 wie auch der Kasse hin änderte die Firma alsdann diese Praxis und ergänzte die elektronische Zeiterfassung nachträglich und ohne sich auf entsprechende Belege stützen zu können mit den mutmasslich zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden der einzelnen Angestellten. Dergestalt vermag die Arbeitszeitkontrolle den von der Rechtsprechung geforderten Kriterien nicht zu genügen. Folgerichtig verneinte die Vorinstanz für diesen Zeitraum den Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung wegen fehlender hinreichender Kontrollierbarkeit des Arbeitsausfalls im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. a AVIG. Dies wird von den Parteien denn auch nicht mehr in Frage gestellt.
 
3.
 
Im Streit steht einzig, ob die elektronische Zeiterfassung den vor dem 8. Januar 2003 liegenden Arbeitsausfall seit dem 1. Dezember 2002 tauglich zu belegen vermag.
 
3.1 Das seco macht geltend, angesichts des Umstandes, dass der Missstand von dritter Seite (Gewerkschaftssekretär SMUV Solothurn) aufgedeckt werden musste und die Firma im Bezug von Kurzarbeitsentschädigung erfahren war, könne nicht ausgeschlossen werden, dass bereits vor dem 8. Januar 2003 auch zu ausserhalb von der Stempeluhr erfassten Zeiten gearbeitet worden sei, was zur Verneinung der Beweistauglichkeit der elektronischen Zeiterfassung für die geleistete Arbeitszeit führen müsse.
 
3.2 Dem seco ist insoweit beizupflichten, als das Moment der Kontrollierbarkeit erfordert, dass ein Fachmann aus dem Durchführungsbereich der Arbeitslosenversicherung sich innert angemessener Frist ein einigermassen klares Bild über den Arbeitsausfall machen kann (Gerhards, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. I, N 34 zu Art. 31). Die zur Verfügung gestellten Unterlagen müssen das Kontrollorgan in die Lage versetzen, jederzeit möglichst zuverlässig die genauen Arbeitszeiten jedes einzelnen Arbeitnehmers feststellen zu können. Dies entbindet die Verwaltung aber nicht davon, bei begründeten Zweifeln am korrekten Einsatz einer grundsätzlich zum Beweis geeigneten (elektronischen) Arbeitszeitkontrolle, der Firma die Gelegenheit zu geben, die Zweifel zu entkräften. Indessen liegt es nicht an der Kasse, die Unrichtigkeit der Zeiterfassung für jede zur Kurzarbeit angemeldete Person individuell zu beweisen. Dies würde letztlich eine Umkehr der Beweislast bedeuten. Die Beweislast obliegt eindeutig dem Arbeitgeber (Art. 38 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit Art. 31 Abs. 3 lit. a AVIG und Art. 46b AVIV).
 
Die Vorinstanz führte in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf die beweisrechtlichen Grundsätze zutreffend aus, die blosse Möglichkeit eines missbräuchlichen Einsatzes genüge nicht; der behauptete Sachverhalt müsse vielmehr überwiegend wahrscheinlich sein (siehe dazu BGE 119 V 8 Erw. 3c/aa mit Hinweisen; vgl. auch RKUV 2000 Nr. U 363 S. 45). Alsdann verwies das kantonale Gericht auf die von der Beschwerdegegnerin ins Recht gelegten polizeilichen Protokolle über die Befragungen der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer. Ohne sich mit den Aussagen der einzelnen Betroffenen näher auseinanderzusetzen, kam die Vorinstanz zum Schluss, es könne nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass bei der Zeiterfassung auch vom 1. Dezember 2002 bis 7. Januar 2003 Unregelmässigkeiten aufgetreten seien, weshalb die Anspruchsberechtigung auf Kurzarbeitsentschädigung für diesen Zeitraum zu bejahen sei. Auch die Beschwerdegegnerin schliesst unter Berufung auf Aussagen des Firmeninhabers, der zuständigen Sachbearbeiterin sowie der polizeilich befragten Mitarbeiter auf fehlende Anhaltspunkte für eine unkorrekte Stempelpraxis bis am 8. Januar 2003.
 
3.3 Tatsächlich wurden von der Untersuchungsbehörde bis auf N.________ sämtliche zur Kurzarbeit angemeldeten Personen befragt. Richtig ist ferner, dass sämtliche Befragten bestätigen, im Januar mehr Arbeit als mit der Stempeluhr erfasst geleistet zu haben. Auch fällt auf, dass der überwiegende Anteil der Befragten ein Arbeiten ausserhalb der mittels elektronischer Zeiterfassung ausgewiesenen Zeiten für den Monat Dezember ausdrücklich verneint. Darunter befinden sich auch ehemalige Angestellte, deren Aussagen wegen der fehlenden aktuellen beruflichen Abhängigkeit zur Beschwerdegegnerin von besonderem Gewicht sind.
 
Umgekehrt finden sich auch einige Personen, die Gegenteiliges aussagen:
 
G.________ hält fest, bereits im Dezember rund 60 Stunden mehr gearbeitet zu haben, als von der Stempeluhr erfasst.
 
K.________ sagt aus, im Dezember sein ordentliches Pensum von 80 % einer Vollzeitstelle absolviert zu haben, nötigenfalls ausserhalb der Stempelzeit. An anderer Stelle führt er aus, erst ab Januar nur 50 % seiner Anwesenheit mittels Stempeluhr registriert zu haben. Fest steht aber, dass elektronisch bereits spätestens ab Mitte Dezember erheblich weniger erfasst worden ist als einem Arbeitspensum von 80 % der Norm entsprechend, womit hier eine unvollständige Zeiterfassung ausgewiesen ist.
 
Auch W.________ äussert sich dahin, von der Kurzarbeit kaum betroffen gewesen zu sein und in der Regel neben der von der Stempeluhr erfassten Zeit gearbeitet zu haben, ohne allerdings den hier interessierenden Zeitraum vom 1. Dezember 2002 bis 7. Januar 2003 ausdrücklich zu nennen. Die Stempelkarte weist allerdings bereits spätestens ab Mitte Dezember ein erheblich verringertes Arbeitspensum aus, so dass auch hier von einer unvollständigen Zeiterfassung auszugehen ist.
 
Zuletzt führt auch R.________ aus, im Dezember 2002 wie auch im Januar 2003 insgesamt etwa acht bis zehn Stunden zusätzlich gearbeitet zu haben. Allerdings verbindet er diese Aussage mit der Einschätzung, die Betriebsangehörigen seien ab Mitte Januar wieder zur korrekten Zeiterfassung zurückgekehrt. Hier irrt sich der Befragte um einen Monat, worauf der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin im Verfahren vor Vorinstanz zu Recht hingewiesen hat: Anhand der Aussagen der übrigen Mitarbeiter ist das Ende der unzulässigen Stempelpraxis auf Mitte Februar festzulegen. Dies fällt zeitlich mit der Intervention des Gewerkschaftssekretärs vom 17. Februar 2003 zusammen. Infolge dessen dürfte sich R.________ auch über den Beginn der ausserhalb der Zeiterfassung liegenden Arbeit um einen Monat getäuscht haben. Diese Annahme wird durch die Äusserung von E.________ gestützt, wonach der Belegschaft Anfang Januar 2003 die unerfreuliche Geschäftsbilanz vorgelegt worden sei, worauf einige Personen - R.________ wird in diesem Zusammenhang namentlich erwähnt - sich freiwillig bereit erklärt hätten, dringende Arbeiten ausserhalb der Stempelzeit auszuführen.
 
3.4 Damit ist es ausgewiesenermassen bereits ab dem 1. Dezember 2002 und damit vor dem 8. Januar 2003 vereinzelt zu Unregelmässigkeiten bei der Zeiterfassung gekommen. Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer bereits zu diesem Zeitpunkt angeordneten oder freiwillig angeregten systematischen Falscherfassung der Arbeitszeit durch die Arbeitnehmer sind indessen keine auszumachen. Vielmehr ist der, durch die Aussage von E.________ mittelbar bestätigten, Behauptung der Beschwerdegegnerin Glauben zu schenken, sie habe die Belegschaft (erstmals) anlässlich einer Orientierung über den Geschäftsgang vom 8. Januar 2003 um eine entsprechende Vorgehensweise gebeten.
 
Die Arbeitszeiten der von der Kurzarbeitszeit betroffenen Personen sind somit für die Zeit vom 1. Dezember 2002 bis am 7. Januar 2003 anhand der von der Stempeluhr herrührenden Belege zuverlässig bestimm- und damit kontrollierbar, soweit im konkreten Fall nicht Gegenteiliges ausgewiesen ist. Letzteres trifft bei G.________, W.________ und K.________ zu. Bei ihnen bieten diese Schriftstücke bereits von Beginn weg, d.h. ab 1. Dezember 2002, keine ausreichende Grundlage zur Überprüfung der effektiven Arbeitszeit. Damit erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als teilweise begründet.
 
4.
 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Das seco ist mit seinen Rechtsbegehren nur teilweise durchgedrungen. Ihm steht als Aufsichtsbehörde keine Parteientschädigung zu. Umgekehrt hat die bloss teilweise unterlegene Firma Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit Art. 135 OG).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 25. März 2004 aufgehoben, soweit er den Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung von G.________, K.________ und W.________ vom 1. Dezember 2002 bis 7. Januar 2003 betrifft. Im Übrigen wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Das seco hat der Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 250.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
 
4.
 
Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn und dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn zugestellt.
 
Luzern, 18. August 2004
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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