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Informationen zum Dokument  BGer 5P.238/2004  Materielle Begründung
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BGer 5P.238/2004 vom 09.08.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5P.238/2004 /rov
 
Urteil vom 9. August 2004
 
II. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Raselli, Präsident,
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
 
Gerichtsschreiber Möckli.
 
Parteien
 
Z.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ernst Kistler,
 
gegen
 
Y.________ AG,
 
Beschwerdegegnerin,
 
Obergericht des Kantons Aargau, 3. Zivilkammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.
 
Gegenstand
 
Art. 9 BV (Rechtsöffnung),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 3. Zivilkammer, vom 3. Mai 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Entscheid vom 5. Januar 2004 erteilte das Gerichtspräsidium 4 des Bezirksgerichts Baden der Y.________ AG in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Spreitenbach gegen Z.________ für Fr. 35'311.-- nebst Zins provisorische Rechtsöffnung.
 
Nachdem Z.________ hiergegen Beschwerde erhoben hatte, setzte ihm die Instruktionsrichterin der 3. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Aargau mit Verfügung vom 2. März 2004 eine Frist von 10 Tagen zur Leistung des Kostenvorschusses von Fr. 600.--. Diese Verfügung wurde dem Rechtsvertreter von Z.________ am 5. März 2004 zugestellt. Am 24. März 2004 teilte dieser dem Obergericht mit, dass er den Zahlungsauftrag am 14. März 2004 abgeschickt habe, aber der Bank X.________ die Empfängerin unklar gewesen sei und deshalb der Kostenvorschuss dem Gericht spät zugeleitet werde.
 
Hierauf erliess die Instruktionsrichterin am 5. April 2004 eine Verfügung, wonach Z.________ innert 10 Tagen den Nachweis zu erbringen habe, dass es sich beim Auftrag zur Überweisung des Kostenvorschusses um ein Giromandat der Schweizerischen Post gehandelt hat und der Überweisungsauftrag spätestens am letzten Tag der Zahlungsfrist der Post übergeben worden ist.
 
Mit Schreiben vom 13. April 2004 teilte der Rechtsvertreter von Z.________ dem Obergericht mit, er habe den Zahlungsauftrag am Sonntag, 14. März 2004, vor der Abendleerung (um 18.00 Uhr) eingeworfen und dieser sei von der Post am 16. März 2004 verbucht worden. Eine Verbuchung am 16. März 2004 sei jedoch nur möglich, wenn der Zahlungsauftrag spätestens am Montag, 15. März 2004, aufgegeben worden sei. Da die Bank X.________ den Giro-Zettel nicht habe entziffern können, habe sie diesen an ihn zurückgesandt. Trotz der vorgenommenen Ergänzung des Giro-Zettels habe er am 25. März 2004 den Betrag zurückerhalten, worauf er am 26. März 2004 einen neuen Zahlungsauftrag abgesandt habe.
 
Mit Urteil vom 3. Mai 2004 trat das Obergericht des Kantons Aargau, 3. Zivilkammer, auf die Beschwerde wegen verspäteter Leistung des Kostenvorschusses nicht ein.
 
B.
 
Gegen dieses Urteil hat Z.________ am 11. Juni 2004 eine staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit dem Begehren um dessen Aufhebung. Mit Präsidialverfügung vom 14. Juli 2004 ist der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung erteilt worden. In der Sache selbst sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Soweit der Beschwerdeführer zunächst behauptet, der Einzahlungsschein sei am 16. März 2004 um 12.39 Uhr verarbeitet worden, versucht er, neue Sachverhaltselemente einzuführen. Neue tatsächliche und rechtliche Vorbringen sind jedoch im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde grundsätzlich unzulässig (BGE 114 Ia 204 E. 1a S. 205; 118 Ia 20 E. 5a S. 26) und es können auch keine neuen Beweismittel eingereicht werden (BGE 108 II 69 E. 1 S. 71). Ausnahmen gelten für rechtliche und tatsächliche Noven, zu deren Geltendmachung erst die Begründung des angefochtenen Entscheides Anlass gibt oder die Gesichtspunkte betreffen, welche sich aufdrängen und deshalb von der kantonalen Instanz offensichtlich hätten berücksichtigt werden müssen (BGE 99 Ia 113 E. 4a S. 122). Dies ist vorliegend nicht der Fall, weshalb auf die staatsrechtliche Beschwerde insoweit nicht einzutreten ist. Entsprechend darf auch die erst im Nachgang zum angefochtenen Entscheid erwirkte Erklärung der Postfinance vom 19. Mai 2004 (Beilage 11) nicht berücksichtigt werden. Gleiches gilt für die vom 26. Mai 2004 datierenden Belegbilder (Beilage 9) und das Begleitschreiben der Postfinance (Beilage 3).
 
2.
 
Das Obergericht hat erwogen, auf dem Postkontoauszug sei zwar ersichtlich, dass am 16. März 2004 eine Zahlung von Fr. 600.-- zu Gunsten der Bank X.________ abgebucht worden sei. Es bestehe aber keine Notorietät, dass eine am 16. März 2004 abgebuchte Zahlung zwingend bis spätestens am Vortag mitsamt Zahlungsauftrag der Post übergeben worden sei. Es seien unterschiedliche Abläufe im postinternen Zahlungsverkehr denkbar und dessen Verlauf sei vorliegend nicht nachgewiesen. Die am 16. März 2004 abgebuchten Beträge seien zudem nicht näher spezifiziert (Beilage 2), weshalb eine Zuordnung zum einverlangten Kostenvorschuss nicht abschliessend möglich sei (Beilage 3).
 
3.
 
Der Beschwerdeführer macht vorab geltend, auf dem Einzahlungsschein sei der handgeschriebene Vermerk "Konto AG Obergericht OG 01.2004.00658" auszumachen (Beilage 3 zur kantonalen Beschwerde), weshalb sich die obergerichtliche Erwägung, der abgebuchte Betrag könne nicht abschliessend zugeordnet werden, als willkürlich erweise. Das Obergericht hat indes nie behauptet, der Einzahlungsschein lasse sich der Rechnungsnummer des Kostenvorschusses nicht zuordnen bzw. es bestehe keine Übereinstimmung zwischen dem Einzahlungsschein (Beilage 3 zur kantonalen Beschwerde) und der Rechnung des Obergerichts (Beilage 1 zur kantonalen Beschwerde); vielmehr hat es erwogen, die abgebuchten Beträge auf dem Buchungsbeleg der Postfinance vom 16. Mai 2004 (Beilage 2 zur kantonalen Beschwerde) seien nicht näher spezifiziert, weshalb keine abschliessende Beurteilung möglich sei, ob sich einer dieser Beträge auf den fraglichen Einzahlungsschein (Beilage 3 zur kantonalen Beschwerde) beziehe. Inwiefern diese Ausführungen aktenwidrig sein sollen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist die Erwägung, die Zahlung von Fr. 600.-- lasse sich nicht abschliessend zuordnen, vor dem Hintergrund, dass der betreffende Anwalt in der fraglichen Zeit einen Kostenvorschuss in eben dieser Höhe an die Bank X.________ zu Gunsten der aargauischen Staatsbuchhaltung bzw. des Obergerichts zu leisten hatte, überspitzt formalistisch. Indes rügt der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang einzig, das Obergericht sei der Willkür verfallen.
 
Ebenso wenig ist Willkür im Umstand zu erkennen, dass die Vorinstanz die zu den internen Abläufen als Zeugin angebotene Postangestellte nicht befragt hat: Abgesehen davon, dass damit primär das rechtliche Gehör verletzt wäre (Art. 29 Abs. 2 BV), was vom Beschwerdeführer wiederum nicht gerügt wird, hätte eine entsprechende Erklärung über die internen Abläufe bzw. die - vor Bundesgericht als unzulässiges Novum nachgereichte (dazu E. 1) - Bestätigung der Postfinance über die Bearbeitungszeit der Vorinstanz ohne weiteres schriftlich eingereicht werden können und müssen, ergeht doch die Rechtsöffnung in der Regel in einem schriftlichen Summarverfahren.
 
4.
 
Für überspitzt formalistisch und willkürlich hält der Beschwerdeführer die Erwägung, es könne nicht als gerichtsnotorisch bezeichnet werden, dass ein Zahlungsauftrag erst am nächsten Tag bearbeitet werde.
 
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers gibt es keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass ein am frühen Morgen eingeworfener Zahlungsauftrag nicht noch gleichentags im Postzentrum verarbeitet werden kann. Im Unterschied zur normalen Briefpost, die zuerst in ein Verteilzentrum geht, dort sortiert, anschliessend an die betreffende Poststelle gesandt und schliesslich vom Briefträger an den jeweiligen Empfänger zugestellt wird, bleiben Zahlungsaufträge im Verarbeitungszentrum. Es ist deshalb ohne weiteres denkbar, dass die Morgenleerung am Mittag im zuständigen Verarbeitungszentrum eintrifft und dort am Nachmittag verarbeitet wird. Willkür liegt nach der Rechtsprechung jedenfalls nicht schon vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder sogar vorzuziehen wäre. Vielmehr ist erforderlich, dass ein Entscheid auf einem offensichtlichen Versehen beruht, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 129 I 9 E. 2.1, I 49 E. 4 S. 58; 128 II 259 E. 5 S. 280 f.; 127 I 54 E. 2b S. 56). Dies ist bei der Aktenlage, wie sie sich dem Obergericht zur Zeit seines Entscheides präsentierte, nicht der Fall.
 
Sodann mag der von der Vorinstanz angelegte Massstab für den Nachweis der rechtzeitigen Einzahlung unüblich sein, aber es lässt sich auch in diesem Zusammenhang nicht sagen, die oberinstanzlichen Erwägungen seien geradezu willkürlich: Dass der Beschwerdeführer die für die Beweisführung notwendigen Dokumente vor Bundesgericht (als unzulässige Nova, dazu E. 1) ohne weiteres nachreichen konnte, widerlegt seine Behauptung, die Vorinstanz habe von ihm in beweismässiger Hinsicht Unmögliches verlangt.
 
Ebenso wenig ist die Schwelle für eine Verletzung des aus Art. 29 Abs. 1 BV fliessenden Verbots des überspitzten Formalismus verletzt. Hierfür ist erforderlich, dass die prozessuale Formenstrenge als exzessiv erscheint, durch kein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder gar verhindert (BGE 127 I 31 E. 2a/bb S. 34; 128 II 139 E. 2a S. 142). Dies wäre etwa dann der Fall, wenn die Vorinstanz auf das Schreiben des Beschwerdeführers vom 24. März 2004 nicht reagiert hätte und ohne weitere Anhörung nicht auf die Beschwerde eingetreten wäre (vgl. Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 501). Vorliegend hat die Vorinstanz dem Beschwerdeführer jedoch die Möglichkeit gegeben, die Rechtzeitigkeit der Zahlung nachzuweisen, und dieser Nachweis wäre mit den von der Postfinance erhältlichen Dokumenten auch möglich gewesen.
 
5.
 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtsgebühr wird dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 156 Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 3. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 9. August 2004
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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