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Informationen zum Dokument  BGer 6S.56/2004  Materielle Begründung
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BGer 6S.56/2004 vom 03.07.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6S.56/2004 /kra
 
Urteil vom 3. Juli 2004
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
 
Gerichtsschreiber Heimgartner.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Urban Bieri,
 
gegen
 
A.________,
 
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Peter,
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern.
 
Gegenstand
 
Mehrfache Veruntreuung (Art. 140 Ziff. 1 aStGB bzw. Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB),
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 11. September 2003.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
In der Firma, in welcher B.________ Betriebsleiter war, arbeitete auch X.________. Von 1986 bis ca. 1992 unterhielten die beiden ein homosexuelles Verhältnis. B.________ übergab X.________ ab 1986 immer wieder verzinsliche, auf eine bestimmte Frist rückzahlbare Darlehen. Zu deren Sicherung versprach X.________ schriftlich, dass er Grundstücke, die er in Jugoslawien besitze, als Pfand zur Verfügung stelle. Er gab vor, das geliehene Geld für Reparaturen an Gebäuden und für einen angeblichen Landkauf und -verkauf im Kosovo einzusetzen. Im April 1996 ging B.________ das Geld aus. Selbst sein Haus hatte er mittlerweile für die angeblichen Landkäufe mit Hypotheken seiner Bank bis ans Limit belastet. Als sich die Bank weigerte, weitere Hypothekardarlehen zu gewähren, nahm er Kontakt mit A.________, einem ihm bekannten Mitglied der Geschäftsleitung der Bank auf und bat ihn als Privatperson um Darlehen, damit die Landgeschäfte doch noch realisiert werden könnten. Er versprach ihm, ihn aus dem Gewinn grosszügig zu entschädigen. In der Folge stellte A.________ aus verschiedenen Quellen Geld für das Projekt zur Verfügung. Zum Teil stammte das Geld auch aus veruntreutem Vermögen von Bankkunden. X.________ wird vorgeworfen, er habe in der Zeit von 1986 bis September 1999 von B.________ und A.________ mehr als eine Million Franken erhalten. Entgegen seiner Behauptung habe er keine Grundstücke im Kosovo gekauft, sondern das Geld zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verwendet.
 
B.
 
Das Obergericht des Kantons Luzern sprach X.________ am 3. September 2002 auf Berufung hin des gewerbsmässigen Betrugs gemäss Art. 146 Abs. 2 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Zuchthausstrafe von 3 ¼ Jahren.
 
C.
 
Gegen dieses Urteil erhob X.________ eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Diese wurde vom Bundesgericht am 2. April 2003 gutgeheissen, das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung zurückgewiesen.
 
D.
 
Am 11. September 2003 sprach das Obergericht des Kantons Luzern X.________ vom Vorwurf des Betrugs frei und verurteilte ihn wegen mehrfacher Veruntreuung nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB bzw. Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zu einer Gefängnisstrafe von 2 ½ Jahren und einer bedingt vollziehbaren Landesverweisung von 5 Jahren.
 
E.
 
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragen in ihren Gegenbemerkungen die Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Der Beschwerdeführer hat die ihm vorgeworfenen Taten teilweise vor Inkrafttreten des neuen Vermögensstrafrechts am 1. Januar 1995 begangen. Da das alte Recht milder ist, hat die Vorinstanz ihn für die vor diesem Zeitpunkt begangen Taten wegen Veruntreuung nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB verurteilt. Die Vorinstanz führte zutreffend aus, dass sich die Voraussetzungen hinsichtlich der Tatbestandsmässigkeit nicht geändert haben, weswegen diesbezüglich Bezug auf das neue Recht genommen werden könne.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht den Tatbestand der Veruntreuung gemäss Art. 138 StGB als erfüllt angenommen. Die ihm gewährten Darlehen seien nicht als fremder Vermögenswert zu betrachten, da keine Werterhaltungspflicht bestanden habe.
 
3.
 
Die Vorinstanz führte aus, B.________ und A.________ hätten die Darlehen gewährt, damit der Beschwerdeführer sie für den Erwerb einer bestimmten Liegenschaft verwende und sie nach deren Gewinn bringendem Weiterverkauf zurückzahlen würde. Dabei habe es sich um einen wesentlichen - für den Vertragsabschluss entscheidenden - Vertragsbestandteil gehandelt. Hätten die Geschädigten den tatsächlichen Verwendungszweck der Darlehen gekannt, hätten sie diese nicht geleistet. Aufgrund der Vereinbarung habe für den Beschwerdeführer somit auch die Pflicht bestanden, das Geld für diese Liegenschaftsgeschäfte zu verwenden. Dabei sei einzuräumen, dass bei einzelnen Darlehen kein Verwendungszweck vereinbart worden sei, weswegen diesbezüglich keine Veruntreuung vorliege. Der genaue Deliktsbetrag könne daher nicht beziffert werden, belaufe sich aber auf über eine Million Franken.
 
4.
 
Wegen Veruntreuung macht sich strafbar, wer ihm anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet (Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB bzw. Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB). Nach der Rechtsprechung kommt eine unrechtmässige Verwendung eines anvertrauten Vermögenswertes nur in Betracht, wenn der Treuhänder verpflichtet ist, dem Treugeber den Wert des Empfangenen ständig zu erhalten. Bei einem Darlehen, bei dem kein bestimmter Verwendungszweck verabredet ist, besteht keine Pflicht des Borgers zur ständigen Werterhaltung. Der Borger darf mit dem Darlehen nach seinem Belieben wirtschaften. Er ist einzig verpflichtet, es zum vertraglichen oder gesetzlichen Termin zurückzuerstatten (vgl. Art. 318 OR). Die Annahme einer Veruntreuung fällt deshalb ausser Betracht. Anders kann es sich dagegen verhalten, wenn das Darlehen für einen bestimmten Zweck ausgerichtet wurde. Dann ist im Einzelfall zu prüfen, ob sich aus der vertraglichen Abmachung eine Werterhaltungspflicht des Borgers ergibt (BGE 120 IV 117 E. 2f). Demgemäss kommt die Annahme einer Veruntreuung in Betracht, wenn der Verwendungszweck des Darlehens im Hinblick auf das Interesse des Darleihers an der Begrenzung seines Verlustrisikos festgelegt wurde (BGE 124 IV 9 E. 1d; vgl. auch Marcel Alexander Niggli/Christof Riedo, Basler Kommentar StGB II, Basel 2003, Art. 138 N. 67; Hans Wiprächtiger, Entwicklungen im revidierten Vermögensstrafrecht, AJP 1999 S. 379 ff.).
 
5.
 
In BGE 120 IV 117 bejahte das Bundesgericht die Werterhaltungspflicht eines Borgers, dem ein Darlehen ausgerichtet wurde, damit er es für den Erwerb einer Liegenschaft verwende und nach dem in Aussicht gestellten Gewinn bringenden Weiterverkauf zurückzahle. Der Verwendungszweck wurde als wesentlicher Vertragsbestandteil aufgefasst. Der Darleiher durfte davon ausgehen, dass der Borger bei einer vertragsgemässen Verwendung des Geldes über die Mittel zur Rückzahlung des Darlehens verfügen werde, sodass sich sein Verlustrisiko aufgrund des Verwendungszwecks in Grenzen hielt. Hätte er gewusst, dass der stark überschuldete und über kein regelmässiges Einkommen verfügende Borger das Geld zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verwenden würde, hätte er das Darlehen nicht gewährt. Der Verlust des Geldes wäre diesfalls absehbar gewesen. War der Borger aufgrund der getroffenen Vereinbarung gehalten, das Geld für den Kauf der Liegenschaft und für nichts anderes zu verwenden, so war er aber auch verpflichtet, es bis zum Erwerb der Liegenschaft treuhänderisch zu verwalten. Zum Darlehen trat insoweit eine Pflicht zur Werterhaltung hinzu.
 
6.
 
Der vorliegende Fall ist mit dem in BGE 120 IV 117 beurteilten Sachverhalt vergleichbar. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz leisteten B.________ und A.________ die infrage stehenden Darlehen im Hinblick auf ein Grundstückgeschäft, das einen Gewinn abwerfen sollte. Demzufolge bildete der Verwendungszweck, welcher das Vorhandensein eines Gegenwerts für die Darlehen garantieren sollte, einen Vertragsbestandteil. Dass die Darlehen nur zu diesem Zweck geleistet wurden, geht auch daraus hervor, dass ein angebliches Pfand an einem Grundstück zur Sicherheit dienen sollte. Aufgrund der prekären finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers ist zudem davon auszugehen, dass der Verwendungszweck, der zumindest eine Werterhaltung zu versprechen schien, für die Geschädigten wesentlich war und der Begrenzung ihres Verlustrisikos diente. Dem Beschwerdeführer oblag somit eine vertragliche Werterhaltungspflicht, d.h. die Pflicht, die Darlehen zunächst treuhänderisch zu verwalten und dann zum vereinbarten Zweck einzusetzen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass aufgrund des Standorts der Grundstücke in Jugoslawien bzw. Kosovo solchen Investitionen ein - je nach Zeitpunkt unterschiedliches - Risiko nicht abzusprechen ist. Von einer rein spekulativen Investition, wie der Beschwerdeführer anführt, kann angesichts der relativen Beständigkeit des Wertes von Grundstücken aber nicht die Rede sein. Allerdings ist einzuräumen, dass sich die Geschädigten leichtgläubig auf die Angaben des Beschwerdeführers verlassen haben. Indessen besteht bei der Veruntreuung - im Gegensatz zum Betrug - kein Einfluss einer allfälligen Opfermitverantwortung auf die Strafbarkeit. Ebenso unerheblich bleibt der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Einwand, ein Grund für die Gewährung der Darlehen sei in der homosexuellen Beziehung zu erblicken. Dieser Umstand hat keinen Bezug zu den eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen. Indem der Beschwerdeführer das ihm geliehene Geld nicht im Sinne des vereinbarten Zwecks, sondern für eigene Bedürfnisse verwendete, erfüllte er somit den Tatbestand der Veruntreuung.
 
7.
 
Aus diesen Gründen ist die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Kosten zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 3. Juli 2004
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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