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Informationen zum Dokument  BGer 5P.122/2004  Materielle Begründung
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BGer 5P.122/2004 vom 29.06.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5P.122/2004 /bnm
 
Urteil vom 29. Juni 2004
 
II. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Raselli, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Escher, Hohl,
 
Gerichtsschreiberin Scholl.
 
Parteien
 
Die vermietungspflichtigen Eigentümer des Hotels Y.________, nämlich:
 
A.________ und 41 Mitbeteiligte,
 
Beschwerdeführer,
 
alle vertreten durch Rechtsanwalt Martin Buchli,
 
gegen
 
X.________ AG,
 
Beschwerdegegnerin,
 
vertreten durch Fürsprecher Dr. Max Meyer,
 
Kantonsgericht des Kantons Graubünden, Kantonsgerichtspräsidium, Poststrasse 14, 7002 Chur.
 
Gegenstand
 
Art. 9 BV etc. (Besitzesschutz),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts des Kantons Graubünden, Kantonsgerichtspräsidium, vom 10. Februar 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Verfügung Nr. 1089/79 vom 24. Januar 1980 erteilte das Grundbuchinspektorat Graubünden gestützt auf Art. 4 Abs. 4 der damaligen Verordnung vom 10. November 1976 über den Erwerb von Grundstücken in Fremdenverkehrsorten durch Personen im Ausland (VGF; AS 1976 2389) der Firma Z.________ die Grundsatzbewilligung, 667/1000 der Wohnungswertquoten aus der Liegenschaft Parzelle Nr. 00-0000, Aparthotel "S.________" in G.________, an Personen im Ausland zu veräussern, wobei jeder einzelne Verkauf noch einer Einzelbewilligung bedürfe. Die Bewilligung enthielt u.a. die Auflage einer hotelmässigen Bewirtschaftung sowie die Verpflichtung zum Abschluss eines Mietvertrages mit einer Hotelbetriebsorganisation.
 
In der Folge wurden Einzelbewilligungen für den Verkauf der Wohnungen erteilt und diese verkauft. Die Eigentümer der einzelnen Stockwerkeigentumseinheiten schlossen mit der Hotelbetriebsgesellschaft einen Mietvertrag, worin sie sich verpflichteten, das Appartement mindestens sechs Monate pro Jahr zur hotelmässigen Weitervermietung zur Verfügung zu stellen. Als Mietpreis wurden 43 % des reinen Logementpreises der tatsächlich besetzten Logiernacht vereinbart. Die Verträge enthielten die Klausel: "Dieser Vertrag darf nur mit Zustimmung des Grundbuchinspektorats Graubünden aufgehoben oder abgeändert werden."
 
B.
 
Per 1. Dezember 2002 verkaufte die damalige Betreibergesellschaft, die Y.________ AG, das Sonderrecht an den Restaurations- und Hotelbetriebsräumen sowie 5 Wohnungen an die X.________ AG. Der Kaufvertrag enthielt die Bestimmung, dass die Käuferin ausdrücklich keine Mietverträge übernehme, wodurch aber die Pflicht zur hotelmässigen Bewirtschaftung nicht entfalle.
 
In der Folge teilte die X.________ AG den vermietungspflichtigen Stockwerkeigentümern mit, der alte Mietvertrag sei nicht mehr in Kraft, bot ihnen aber den Abschluss eines neuen Mietvertrags mit geänderten Konditionen an. Die Stockwerkeigentümer lehnten die vorgeschlagenen Änderungen ab. Die meisten von ihnen kündigten ihrerseits am 4. September 2003 den bestehenden Mietvertrag per 30. Oktober 2003, da die X.________ AG den Mietzins gemäss früherem Vertrag nicht bezahlt hatte.
 
C.
 
Mit Gesuch vom 3. Juli 2003 beantragte die X.________ AG dem Grundbuchinspektorat Graubünden, die vermietungspflichtigen Stockwerkeigentümer seien zu mahnen, mit ihr einen wirtschaftlich tragbaren Mietvertrag gemäss Gutachten der SGH vom 20. November 2002 abzuschliessen und eine exzessive Eigenbelegung insbesondere während der Hochsaison zu unterlassen. Daraufhin erliess das Grundbuchinspektorat am 28. November 2003 eine Verfügung, worin unter anderem festgehalten wurde, dass der Mietvertrag gemäss Globalbewilligung Nr. 1089/79 unverändert als Grundlage für die hotelmässige Bewirtschaftung gelte und für beide Parteien verbindlich sei. Weiter wurden die Eigentümer der Appartements verpflichtet, zum Abschluss eines neuen, für den Hotelbetrieb wirtschaftlich tragbaren Mietvertrags Hand zu bieten. Für die einseitige Durchsetzung von Vertragsänderungen wurde die X.________ AG an den Zivilrichter verwiesen.
 
Dagegen erhob die X.________ AG Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 16. Dezember 2003 ab. Daraufhin gelangte die X.________ AG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, welche dieses mit Urteil vom 3. Juni 2004 teilweise guthiess und die Sache zur neuen Beurteilung an das Grundbuchinspektorat zurückwies. Das Bundesgericht hielt fest, das Bewilligungsgesetz (BewG; SR 211.412.41) gebe den Verwaltungsbehörden die Möglichkeit, die Wohnungseigentümer unter Androhung des Bewilligungswiderrufs zu ermahnen, bestimmte, von den Verwaltungsbehörden inhaltlich festgelegte Änderungen der Mietverträge zu akzeptieren (Urteil des Bundesgerichts 2A.617/2003 vom 3. Juni 2004, E. 2.7).
 
D.
 
Bereits Anfangs Dezember 2003 hatten die Eigentümer die Schliesszylinder ihrer Wohnungen ausgewechselt, worauf die X.________ AG diese neuen Schliesszylinder wieder ausbohrte und ihrerseits neue Schlösser anbrachte. Am 8. Dezember 2003 gelangten ein Teil der Wohnungseigentümer mit einem Gesuch um Erlass eines Amtsbefehls an das Kreisamt Ilanz. Sie beantragten im Wesentlichen, der X.________ AG sei amtlich zu verbieten, ihre Wohnungen zu bewirtschaften bzw. bewirtschaften und bewohnen zu lassen. Mit Verfügung vom 30. Dezember 2003 wies die Kreispräsidentin Ilanz das Gesuch ab. Eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde wies das Kantonsgerichtspräsidium des Kantonsgerichts Graubünden mit Verfügung vom 10. Februar 2004 ebenfalls ab.
 
E.
 
Die unterlegenen Wohnungseigentümer gelangen mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragen im Wesentlichen die Aufhebung der Verfügung vom 10. Februar 2004 sowie den Erlass eines Amtsbefehls gegen die X.________ AG.
 
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und in welchem Umfang auf eine staatsrechtliche Beschwerde einzutreten ist (BGE 127 III 41 E. 2a S. 42; 129 I 302 E. 1 S. 305).
 
1.1 Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid betreffend Besitzesschutz. Gegen einen solchen Entscheid kann staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte geführt werden, weil der Besitzesschutz ausschliesslich der Wiederherstellung oder der Wahrung des bisherigen faktischen Zustandes dient, ohne dass ein Urteil darüber ergeht, ob diese tatsächliche Situation dem Recht entspricht. Die Gutheissung eines entsprechenden Antrages gewährt dem Gesuchsteller lediglich einen provisorischen Schutz. Deshalb ist der diesbezügliche Entscheid kein Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG (BGE 113 II 243 E. 1b S. 244 f.; Felix Schöbi, Der Besitzesschutz, Diss. Bern 1987, S. 104). Die vorliegende Beschwerde erweist sich in dieser Hinsicht als zulässig.
 
1.2 Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich rein kassatorischer Natur (BGE 120 Ia 256 E. 1b S. 257; 125 I 104 E. 1b S. 107). Es kann regelmässig nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheids beantragt werden. Soweit die Beschwerdeführer mehr, insbesondere den Erlass eines Amtsbefehls verlangen, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
 
2.
 
Die Beschwerdeführer stützen ihr Begehren auf Art. 928 Abs. 1 ZGB. Nach dieser Bestimmung kann der Besitzer gegen denjenigen Klage erheben, welcher den Besitz durch verbotene Eigenmacht stört, auch wenn dieser ein Recht zu haben behauptet. Im Rahmen einer Besitzesschutzklage wird nur über die Wiederherstellung oder Erhaltung des Zustandes der tatsächlichen Gewalt über die Sache, nicht aber über die Rechtmässigkeit dieses Zustandes bzw. über das Recht an der Sache entschieden (BGE 113 II 243 E. 1b S. 244; Urteil des Bundesgerichts 5P.220/2000 vom 6. September 2001, E. 2b).
 
2.1 Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Streit zwischen den Vermietern und ihrer Mieterin, wobei die Vermieter geltend machen, den Mietvertrag gültig gekündigt zu haben. Gemäss herrschender Lehre sind indes die Besitzesschutzbestimmungen gerade auf das Verhältnis zwischen selbstständigem und unselbstständigem Besitzer nur beschränkt anwendbar (Emil W. Stark, Berner Kommentar, N. 56 ff. der Vorbem. zu Art. 926-929 ZGB; A. Homberger, Zürcher Kommentar, N. 20 zu Art. 926 ZGB; Hans Hinderling, Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1, 1977, S. 451 f.; Ruedi Portmann, Der Besitzesschutz des schweizerischen Zivilgesetzbuchs, Diss. Zürich 1996, S. 48). Insbesondere liegt nach der Lehre keine Besitzesstörung vor, wenn der Mieter nach Ablauf oder Auflösung des Vertrages die Sache nicht zurückgibt, da in diesem Fall in erster Linie die (materielle) Rechtsfrage zu entscheiden ist, ob eine Vertragsverletzung vorliegt (Emil W. Stark, a.a.O., N. 35 zu Art. 928 ZGB; A. Homberger, a.a.O., N. 11 zu Art. 928 ZGB; Ruedi Portmann, a.a.O., S. 111 f.).
 
2.2 Die aufgeworfenen Fragen betreffend Vermietungspflicht trotz Zahlungsverzug und Gültigkeit der Kündigung betreffen in erster Linie die (materielle) Rechtsbeziehung zwischen den Parteien und sind damit nicht im vorliegenden Besitzesschutzverfahren zu entscheiden. Ausführungen zu den diesbezüglichen Erwägungen des Kantonsgerichts und den Rügen der Beschwerdeführer erübrigen sich daher. Im Ergebnis erweist sich die angefochtene Verfügung gestützt auf die oben ausgeführten Grundsätze (E. 2.1) als haltbar, da es im vorliegenden Fall zumindest nicht willkürlich erscheint, den Beschwerdeführern als selbstständige Besitzer den Schutz aus Besitzesrecht gegenüber der Beschwerdegegnerin als unselbstständige Besitzerin zu verweigern.
 
2.3 Offensichtlich unzutreffend ist im Übrigen die Behauptung der Beschwerdeführer, indem sie die Schlösser ihrer Appartements ausgewechselt hätten, sei bereits die Exmission der Beschwerdegegnerin erfolgt. Die Ausweisung eines Mieters - namentlich wenn sich dieser in Zahlungsrückstand befindet - kann nur im einem gerichtlichen Verfahren durchgeführt werden (SVIT-Kommentar Mietrecht, 1998, N. 2 zu Art. 274g OR).
 
3.
 
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie schulden der Beschwerdegegnerin allerdings keine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren, da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Graubünden, Kantonsgerichtspräsidium, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 29. Juni 2004
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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