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Informationen zum Dokument  BGer 4P.77/2004  Materielle Begründung
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BGer 4P.77/2004 vom 28.06.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4P.77/2004 /zga
 
Urteil vom 28. Juni 2004
 
I. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Corboz, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch.
 
Gerichtsschreiberin Schoder.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger,
 
gegen
 
Obergericht des Kantons Luzern, Instruktionsrichterin, I. Kammer.
 
Gegenstand
 
Art. 9 und 29 Abs. 1 bis 3 BV; Art. 6 EMRK (Zivilprozess; unentgeltliche Rechtspflege),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
 
des Obergerichts des Kantons Luzern, Instruktionsrichterin, I. Kammer, vom 17. Februar 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ (Beschwerdeführerin) war ab dem 27. Mai 1999 in der psychiatrischen Klinik des Kantonsspitals Luzern hospitalisiert. Am 19. November 1999 verliess sie mit der Einwilligung des Pflegepersonals die Klinik, um einen Spaziergang zu unternehmen. In der Folge stürzte sie sich beim Löwen-Center in Selbstmordabsicht aus einer Höhe von 10 Metern in die Tiefe und zog sich schwere Verletzungen zu.
 
B.
 
Mit Entscheid vom 12. Februar 2002 gewährte der Amtsgerichtspräsident I von Luzern-Land der Beschwerdeführerin für die Durchsetzung ihrer Ansprüche aus dem Unfall vom 19. November 1999 gegen den Kanton Luzern die teilweise unentgeltliche Rechtspflege, indem er die Beschwerdeführerin von der Pflicht zur Leistung von Kostenvorschüssen befreite und Kostengutsprache gegenüber ihrem Rechtsvertreter gewährte. Hierauf klagte die Beschwerdeführerin am 18. Februar 2002 vor Amtsgericht Luzern-Land gegen den Kanton Luzern (Beschwerdegegner) auf Zahlung einer Genugtuung von Fr. 220'000.-- nebst Zins ab Klageeinreichung und sie behielt sich weitere Forderungen vor. Das Amtsgericht Luzern-Land wies die Klage am 29. April 2003 ab. Die ihrem Rechtsvertreter zustehende Anwaltsgebühr setzte es auf Fr. 15'000.-- fest und bestimmte, diese sei zu 85 % nebst Auslagen und MwSt aus der kantonalen Gerichtskasse auszurichten, jedoch von der Beschwerdeführerin zurückzuerstatten. Ferner hatte die Beschwerdeführerin dem Beschwerdegegner eine Anwaltskostenentschädigung zu bezahlen.
 
C.
 
Die Beschwerdeführerin appellierte an das Obergericht des Kantons Luzern, welches sie aufforderte, zur Prüfung der weiteren Gewährung der teilweisen unentgeltlichen Rechtspflege eine Kurzbegründung der Appellation einzureichen und anzugeben, welche Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils angefochten würden. Die Beschwerdeführerin reichte fristgerecht eine entsprechende Eingabe sowie einen Entwurf der Appellationsbegründung samt Beilagen ein. Die Instruktionsrichterin der I. Kammer des Obergerichts hielt mit Entscheid vom 17. Februar 2004 jedoch dafür, die Appellation sei insgesamt aussichtslos. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin beschränke sich über weite Strecken darauf, ihre Vorbringen vor Amtsgericht zu wiederholen ohne aufzuzeigen, inwiefern die darauf bezogenen Ausführungen des Amtsgerichts unrichtig seien. Soweit sie Neues vortrage, zeige sie nicht auf, weshalb sie es im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen unterlassen habe. Insgesamt erachtete das Obergericht die neu vorgebrachten Einwände nicht für geeignet, die Richtigkeit der Antwort eines Gutachters auf die Kernfrage, ob der Beschwerdeführerin unter den gegebenen Umständen Ausgang gewährt werden durfte, in Zweifel zu ziehen. Das Obergericht entzog daher der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege für das Appellationsverfahren.
 
D.
 
Die Beschwerdeführerin hat beim Bundesgericht gegen den Entscheid vom 17. Februar 2004 staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Sie beantragt dessen Aufhebung unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates.
 
Das Obergericht des Kantons Luzern schliesst auf Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist, unter Kostenfolge zu Lasten der Beschwerdeführerin.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Beim angefochtenen Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Zwischenentscheid, gegen den gemäss Art. 87 Abs. 2 OG die staatsrechtliche Beschwerde zulässig ist, sofern er einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann. Zwischenentscheide, mit denen die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wird, haben in der Regel einen solchen Nachteil zur Folge (BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131, mit Hinweisen). Dies trifft auch auf den hier in Frage stehenden Zwischenentscheid zu. Der Entscheid des Kantonsgerichts ist deshalb mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar.
 
2.
 
Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird in erster Linie durch das kantonale Prozessrecht geregelt. Unabhängig davon besteht ein solcher Anspruch unmittelbar aufgrund von Art. 29 Abs. 3 BV (BGE 129 I 129 E. 2.1 S. 133; 128 I 225 E. 2.3 S. 226). Wie die Beschwerdeführerin selbst anführt, reichen die Ansprüche auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nach § 130 ZPO/LU und nach Art. 6 EMRK nicht weiter als jener gemäss Art. 29 Abs. 3 BV, weshalb einzig zu prüfen ist, ob der erwähnte verfassungsrechtliche Anspruch verletzt wurde. Die staatsrechtliche Beschwerde ist daher unbeachtlich, soweit darin eine Verletzung von § 130 ZPO/LU und von Art. 6 EMRK geltend gemacht wird.
 
3.
 
Nach Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und, soweit nötig, Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (BGE 129 I 129 E. 2.3.1. S. 135 f., mit Hinweisen). Ob der durch die Bundesverfassung garantierte Anspruch verletzt wurde, untersucht das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht frei, in tatsächlicher Hinsicht unter dem eingeschränkten Gesichtswinkel der Willkür (BGE 129 I 129 E. 2.1 S. 133, mit Hinweisen; vgl. zum Ganzen Bernard Corboz, Le droit constitutionnel à l'assistance judiciaire, in: SJ 2003 II S. 81 ff.).
 
4.
 
4.1 Willkür (Art. 9 BV) liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, auf einem offenkundigen Fehler beruhen oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen. Dabei rechtfertigt sich die Aufhebung eines angefochtenen Entscheids nur, wenn er im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 129 I 49 E. 4 S. 58, mit Hinweisen). Gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG hat der Beschwerdeführer darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid das Willkürverbot verletzt und inwiefern sich dies auf das Ergebnis des Entscheids auswirkt (BGE 125 I 166 E. 2a S. 168). Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 129 I 185 E. 1.6 S. 189).
 
4.2 Hauptstreitpunkt bildete im kantonalen Verfahren die Frage, ob das Klinikpersonal entsprechend der Behauptung der Beschwerdeführerin mit der Erteilung der Ausgangserlaubnis seine Sorgfaltspflicht auf grobe Weise verletzt hat. Dies ist nicht der Fall, wenn das selbstschädigende Verhalten der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Gewährung des unbegleiteten Ausgangs für das Klinikpersonal nicht voraussehbar war. Diesfalls wäre auf die Rügen der Beschwerdeführerin, mit denen sie der Klinik ein Organisationsverschulden unterschiebt und in Abrede stellt, dass über das Ausgangsgesuch von den dafür zuständigen Personen entschieden wurde, mangels Entscheidrelevanz nicht einzutreten. Dasselbe gilt mit Bezug auf die Frage, wer in der Klinik Bezugsperson der Beschwerdeführerin war. Zunächst ist daher zu prüfen, ob die kantonalen Gerichte die Frage der Voraussehbarkeit des Suizidversuchs willkürfrei verneinen durften.
 
4.3 Das Amtsgericht stützte seinen Entscheid über die Einhaltung der Regeln der Kunst auf das bei Prof. Dr. med. A.________ eingeholte Gutachten ab. Danach war die Verordnung "Status offen, Ausgang alleine nur nach guter Absprache" aufgrund der günstigen Erfahrungen mit der freiheitlichen Behandlung nach früheren Suizidversuchen für den 19. November 1999, 15.45 Uhr, medizinisch vertretbar, denn es habe den Anschein gemacht, dass die akute Suizidalität vom 15. und 16. November 1999 am 18. November 1999 abgeklungen und die erneuten selbstschädigenden und suizidalen Impulse vom 18. November 1999 teils spontan, teils durch therapeutische Massnahme am folgenden Morgen abgeklungen waren. Nach Einschätzung des Experten verliefen die Vorgänge in den Tagen vor dem 19. November 1999 wie auch der als von der Beschwerdeführerin schlecht empfundene Arbeitstag des 19. November 1999 nicht erkennbar bedrohlicher als unzählige andere Tage aus der Vorgeschichte der Beschwerdeführerin, an denen für sie ebenfalls das offene Regime galt. Aufgrund der allgemeinen professionellen Behandlungsregeln einerseits und der konkreten Erfahrungen mit der Beschwerdeführerin andererseits sei eine Verweigerung des Ausgangs risikoreicher erschienen als dessen Gewährung. Die Beteuerung der Beschwerdeführerin habe im Moment durchaus ehrlich gemeint sein können. Beachtlich sei die ausserordentliche Labilität des Fühlens und Denkens von Borderline-Patienten.
 
Zu den eingereichten Bescheinigungen der Mitpatienten, die sich gegen eine Ausgangsbewilligung gewehrt hatten, erläuterte der Experte, dass Patienten sich oft eher den Mitpatienten offenbaren als dem Arzt, so dass Mitpatienten oft besser übereinander Bescheid wüssten als das Fachpersonal. Der im Dienst stehende Pfleger sei vor einem Dilemma gestanden. Durch die Abweisung des Ausgangsbegehrens entsprechend der Auffassung der Mitpatienten hätte er zwischen diesen und der Beschwerdeführerin einen Graben geschaffen. Mit der Bewilligung des Ausgangs habe er der Beschwerdeführerin jedoch die Möglichkeit gegeben, durch ihre Rückkehr zu beweisen, dass sie mit ihrem Wunsch, spazieren zu gehen, doch recht gehabt habe.
 
Aufgrund dieser Beurteilung gelangte das Amtsgericht zum Schluss, der Suizidversuch vom 19. November 1999 sei für das Klinikpersonal nicht voraussehbar gewesen. Die Behandlung und Betreuung der Patientin sei kunstgerecht erfolgt, und ein Fehlverhalten des Klinikpersonals sei nicht nachgewiesen.
 
4.4 Im angefochtenen Entscheid wird festgehalten, die Beschwerdeführerin habe die Feststellung des erstinstanzlichen Gerichts, der Suizidversuch sei nicht voraussehbar gewesen, nicht hinreichend gerügt. In dieser Hinsicht wird in der staatsrechtlichen Beschwerde sinngemäss geltend gemacht, sie habe vorgebracht, dass die Mitpatienten der Beschwerdeführerin im Rahmen des amtsgerichtlichen Verfahrens einen wesentlich schlechteren Zustand vor dem Ausgang bescheinigt hätten als ihn der Experte, ohne darauf einzugehen, angenommen habe. Die als Zeugen angerufenen Mitpatienten hätten deshalb angehört werden müssen.
 
Wie dargelegt (E. 4.3 hiervor) hat der Gutachter der Zustandsbeurteilung der Beschwerdeführerin durch ihre Mitpatienten durchaus Rechnung getragen und erläutert, weshalb er den Entscheid, den Spaziergang zu erlauben, dennoch als medizinisch vertretbar erachtete. Eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) ist nicht auszumachen.
 
5.
 
5.1 Das Amtsgericht erwog unter dem Titel "Gegenüberstellung der Gutachten", im Gegensatz zum Gutachten von Prof. A.________, das die Voraussehbarkeit des Suizidversuchs zum Gegenstand gehabt habe und aus der Perspektive ex ante abgefasst worden sei, habe das Gutachten von Dr. B.________ die Frage, ob die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des Suizidversuchs urteilsfähig gewesen sei, aus der Sicht ex post, also unter Mitberücksichtigung des nunmehr bekannten Suizidversuchs, zu beantworten gehabt. Mit Bezug auf die Frage der Voraussehbarkeit des Verhaltens der Beschwerdeführerin sei dem Gutachten von Dr. B.________ daher nichts zu entnehmen. Was die Diagnose anbelangt, ging Dr. B.________ gemäss dem amtsgerichtlichen Urteil für den Zeitpunkt vom 19. November 1999 von einer schweren depressiven Episode bei einer Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus aus, Prof. A.________ von einer chronisch wellenförmig verlaufenden Depression vom Borderline-Typus. Das Amtsgericht entnahm diesen Beurteilungen, dass die beiden Gutachter keine unterschiedlichen Diagnosen gestellt, sondern lediglich aufgrund der anders lautenden Fragestellungen verschiedene Schwerpunkte gesetzt hätten. Wenn die Beschwerdeführerin Prof. A.________ eine falsche Grunddiagnose unterstelle, hätte sie ihm diesbezüglich Ergänzungsfragen stellen können, worauf sie aber ausdrücklich verzichtet habe. Somit habe sie nicht bewiesen, dass sich allfällige unterschiedliche Auffassungen der Gutachter in Bezug auf die Grunddiagnose auf die Schlussfolgerungen des gerichtlichen Gutachters zum Verhalten des Klinikpersonals ausgewirkt hätten.
 
5.2 Die Beschwerdeführerin rügt, das Obergericht habe missachtet, dass sie im Appellationsentwurf ihren Antrag auf Anordnung eines Obergutachtens damit begründet habe, dass das Gutachten von Prof. A.________ auf einer falschen Diagnose (Borderline-Typus) beruht habe. In Wirklichkeit habe bei ihr eine schwere depressive Episode vorgelegen, was das Kantonsspitals am 22. November 1999 noch ausdrücklich bestätigt, später aber abgeschwächt habe. Die Beschwerdeführerin habe im Appellationsentwurf die Schlüsse des vom UVG-Versicherer beauftragten Gutachters B.________, welcher der Beschwerdeführerin für den 19. November 1999 vollständige Urteilsunfähigkeit attestiert habe, jenen des gerichtlichen Gutachters gegenübergestellt. Sie habe auch auf den vertrauensärztlichen Bericht des Psychiaters Dr. C.________ zuhanden der Kranken- und Unfallversicherung Z.________ hingewiesen, wonach es durchaus denkbar sei, dass die Beurteilung der Ärzte des Psychiatriezentrums Luzern nicht über alle Zweifel erhaben gewesen sei. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin kann es nicht Aufgabe des Rechtsvertreters sein, derartige medizinische Differenzen zu klären. Ihre Angaben hätten genügen müssen, um ein Obergutachten anzuordnen, wie sie es im Appellationsverfahren verlangt habe.
 
5.3 Mit diesen Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin nicht zu belegen, dass die Instruktionsrichterin willkürlich festgestellt hat, das Amtsgericht habe sich mit den betreffenden Vorbringen bereits eingehend befasst. Ebenso wenig zeigt die Beschwerdeführerin auf, inwiefern die Ausführungen des Amtsgerichts, mit denen es die vermeintlichen Widersprüche zwischen den Gutachten von Prof. A.________ und von Dr. B.________ auflöste, geradezu widersinnig und deshalb stossend sein sollen. Wenn sich die Instruktionsrichterin im Einklang mit dem Amtsgericht die im Gutachten von Prof. A.________ gezogenen Schlüsse sinngemäss ihrerseits zu eigen machte, verfiel sie nicht in Willkür.
 
6.
 
6.1 Die Instruktionsrichterin hielt fest, die im Entwurf der Appellationsbegründung unter Ziff. 29 und 30 vorgebrachten Noven wären grundsätzlich geeignet gewesen, Zweifel an der Schlüssigkeit und Vollständigkeit des Gutachtens zu erwecken. Dennoch sei davon abzusehen, ein zweites Gutachten in Auftrag zu geben, weil die Beschwerdeführerin die nunmehr aufgezeigten Ungereimtheiten durch die Stellung von Ergänzungsfragen im erstinstanzlichen Verfahren hätte aufzeigen können und müssen. Dies habe die Beschwerdeführerin jedoch unterlassen und statt dessen die Bestellung eines neuen Sachverständigen beantragt. Auf dieses Gesuch sowie auf den Schlussvortrag der Beschwerdeführerin sei das Amtsgericht eingangen. Es habe dargelegt, weshalb es das Gutachten dennoch für schlüssig und vollständig halte.
 
6.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, nach § 146 ZPO/LU könne keine Partei gezwungen werden, Ergänzungsfragen zu stellen. Das Gericht müsse vielmehr ein neues Gutachten in Auftrag geben oder eine ergänzende Gutachtermeinung einverlangen, wenn ihm das Gutachten nicht schlüssig erscheine.
 
6.3 Gemäss § 146 ZPO/LU können die Parteien durch Anträge und Fragen bei der Beweisabnahme mitwirken, soweit dieses Gesetz keine Ausnahmen vorsieht (Abs. 1). Bleiben sie der Beweisverhandlung fern, findet die Beweisabnahme gleichwohl statt (Abs. 2). Inwiefern diese Bestimmung den Parteien einen Anspruch auf ein Obergutachten ohne vorgängigen Klärungsversuch durch Ergänzungsfragen einräumen soll, ist nicht ersichtlich. Eine willkürliche Anwendung dieser Norm ist somit nicht dargetan. Ein derartiger Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 183 Abs. 3 ZPO, wonach der Richter von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei dem Sachverständigen ergänzende Fragen unterbreiten (lit. a) oder einen neuen Sachverständigen beiziehen kann (lit. b), wenn ernsthafte Zweifel an der Schlüssigkeit oder Vollständigkeit des Gutachtens angebracht sind. Hat aber die Instruktionsrichterin in willkürfreier Anwendung kantonalen Prozessrechts trotz an sich erheblicher neu vorgebrachter Tatsachen von der Anordnung eines neuen Gutachtens abgesehen, bleiben diese unbeachtlich. Die mit Bezug darauf erhobenen Vorwürfe der willkürlichen Beweiswürdigung (Art. 9 BV) und der Gehörsverletzung (Art. 29 Abs. 2 BV) fallen daher ins Leere.
 
7.
 
Aus den dargelegten Gründen verstösst die Auffassung der Instruktionsrichterin, die Appellation sei aussichtslos und die unentgeltliche Prozessführung daher zu entziehen, im Ergebnis nicht gegen Verfassungsrecht. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, wobei die Beschwerdeführerin für das Verfahren vor Bundesgericht kostenpflichtig wird (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Obergericht des Kantons Luzern, Instruktionsrichterin, I. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 28. Juni 2004
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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