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Informationen zum Dokument  BGer 2P.130/2003  Materielle Begründung
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BGer 2P.130/2003 vom 28.05.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2P.130/2003
 
2A.237/2003 /bie
 
Sitzung vom 28. Mai 2004
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
 
Bundesrichter Betschart, Bundesrichterin Yersin,
 
Bundesrichter Merkli, Ersatzrichter Locher,
 
Gerichtsschreiber Merz.
 
Parteien
 
A.________, Beschwerdeführer,
 
vertreten durch SwissInterTax AG,
 
gegen
 
Kantonale Steuerverwaltung Graubünden, Steinbruchstrasse 18/20, 7001 Chur,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden,
 
3. Kammer, Obere Plessurstrasse 1, 7001 Chur.
 
Gegenstand
 
Art. 8 und 9 BV (Sondersteuer auf Kapitalgewinn),
 
Staatsrechtliche Beschwerde und Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 12. Dezember 2002.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.________ gab seine selbständige Erwerbstätigkeit als Architekt und Immobilienhändler per 31. Oktober 1996 auf und liquidierte die aus ihm und seinem Sohn B.________ als Kommanditär bestehende Kommanditgesellschaft. Auf diesen Zeitpunkt wurde eine Zwischenveranlagung für die Bundes- und Kantonssteuern vorgenommen, womit die Einkünfte der beiden letzten Geschäftsjahre (1994/95 und 1995/96) in eine Bemessungslücke fielen. Auf den in der Bemessungslücke erzielten Gewinnen erhob die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden mit separaten Verfügungen vom 29. Juli 1999 eine Sondersteuer auf Kapitalgewinnen für die direkte Bundessteuer einerseits sowie die Kantonssteuer andererseits. Dagegen erhob A.________ am 30. Juli 1999 jeweils Einsprachen, welche die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden mit Entscheiden vom 12. August 2002 teilweise guthiess. Sie setzte den bei der direkten Bundessteuer bzw. bei der Kantonssteuer steuerbaren Kapitalgewinn neu auf Fr. 6'886'205.-- bzw. Fr. 6'860'406.-- fest. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden wies die dagegen erhobenen Rechtsmittel mit Entscheid vom 12. Dezember 2002 ab.
 
B.
 
Am 19. Mai 2003 hat A.________ beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde und Verwaltungsgerichtsbeschwerde verbunden in einer Rechtsschrift eingereicht. Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (2A.237/2003) beantragt er, den für die direkte Bundessteuer steuerbaren Kapitalgewinn auf Fr. 597'988.-- herabzusetzen. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde (2P.130/2003) beantragt er, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 12. Dezember 2002 aufzuheben, soweit es die Kantonssteuer betrifft.
 
Bezüglich der staatsrechtlichen Beschwerde ersucht er zudem um aufschiebende Wirkung. Dieses Gesuch wies der Präsident der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung mit Entscheid vom 30. Juni 2003 ab.
 
C.
 
Die Kantonale Steuerverwaltung und das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden schliessen auf Abweisung sowohl der staatsrechtlichen Beschwerde als auch der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Denselben Antrag stellt die Eidgenössische Steuerverwaltung (Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer, Stempelabgaben) bezüglich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
 
D.
 
Der Instruktionsrichter hat von der Kantonalen Steuerverwaltung Graubünden die Berechnungsgrundlagen des Gewinns aus dem Verkauf einer Liegenschaft beigezogen. Die Parteien erhielten Gelegenheit, sich dazu zu äussern.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Da sich die zwei Beschwerden gegen denselben Entscheid richten, den nämlichen Sachverhalt betreffen und im Wesentlichen die gleichen Rechtsfragen aufwerfen, rechtfertigt es sich, die Verfahren zu vereinigen (vgl. Art. 24 BZP in Verbindung mit Art. 40 OG; BGE 123 II 16 E. 1 S. 20; ASA 66 S. 635 E. 1 S. 640). Die Beschwerden sind in einer gemeinsamen Rechtsschrift eingereicht worden, was zulässig ist.
 
1.1 Beim Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden (im Folgenden: Verwaltungsgericht) handelt es sich, soweit die direkte Bundessteuer betreffend, um einen letztinstanzlichen Entscheid einer kantonalen Beschwerdeinstanz im Sinne von Art. 140 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11). Gegen diesen ist Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 146 DBG, Art. 98 lit. g OG). Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Urteil beschwert und nach Art. 103 lit. a OG zur Beschwerdeführung legitimiert. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
 
1.2 Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist die Kantonssteuer betreffend ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, gegen den auf Bundesebene kein anderes Rechtsmittel zur Verfügung steht. Die staatsrechtliche Beschwerde ist somit zulässig (Art. 84 und Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer ist als Steuerpflichtiger zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten, soweit sie den Begründungsanforderungen genügt (vgl. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 110 Ia 1 E. 2 S. 3 f.; 125 I 492 E. 1b S. 495).
 
I. Verwaltungsgerichtsbeschwerde (2A.237/2003)
 
2.
 
2.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, die aus der Veräusserung von Liegenschaften an Dritte in der Bemessungslücke erlangten Gewinne dürften nicht der Sondersteuer auf Kapitalgewinne gemäss Art. 47 DBG unterstellt werden. Denn diese Gewinne seien im Rahmen der ordentlichen Geschäftstätigkeit erzielt worden. Steuerbar seien lediglich die aus der Überführung von Geschäfts- in Privatvermögen erzielten Gewinne, wobei davon die damit verbundenen Aufwendungen inklusive der Verlustvortrag 1995/96 absetzbar seien, was einen steuerbaren Überführungsgewinn von Fr. 597'988.-- ergebe.
 
Die kantonalen Vorinstanzen haben hingegen alle in der Bemessungslücke aus der Veräusserung von Liegenschaften entstandenen Kapitalgewinne gestützt auf Art. 47 DBG steuerlich erfasst.
 
2.2 Nach Art. 47 Abs. 1 DBG unterliegen die bei Beendigung der Steuerpflicht oder bei einer Zwischenveranlagung nicht oder noch nicht für eine volle Steuerperiode als Einkommen besteuerten Kapitalgewinne nach Artikel 18 Absatz 2, Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen, Einkünfte aus Lotterien oder lotterieähnlichen Veranstaltungen, Entschädigungen für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit oder für die Nichtausübung eines Rechtes für das Steuerjahr, in dem sie zugeflossen sind, gesamthaft einer vollen Jahressteuer zu dem Satze, der sich für diese Einkünfte allein ergibt. Gemäss Art. 18 Abs. 2 Satz 1 DBG zählen zu den Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit auch alle Kapitalgewinne aus der Veräusserung, Verwertung oder buchmässigen Aufwertung von Geschäftsvermögen; aufgrund von Satz 2 sind der Veräusserung unter anderem gleichgestellt die Überführung von Geschäftsvermögen in Privatvermögen.
 
2.3 Mit Art. 47 DBG wurde der frühere Art. 43 Abs. 1 des Beschlusses vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt) abgelöst. Diese Bestimmung lautete:
 
"Bei Aufhören der Steuerpflicht und bei Vornahme einer Zwischenveranlagung (Art. 96) ist neben der Steuer vom übrigen Einkommen eine volle Jahressteuer auf den in der Berechnungs- und in der Veranlagungsperiode erzielten Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen im Sinne von Art. 21 Absatz 1 Buchstaben d und f zu dem Steuersatze geschuldet, der sich für dieses Einkommen allein ergibt."
 
Als Kapitalgewinne im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d BdBSt wurden solche angesehen, "die im Betrieb eines zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichteten Unternehmens bei der Veräusserung oder Verwertung von Vermögensstücken erzielt werden, wie Liegenschaftsgewinne, Mehrerlös aus Wertschriften, Liquidationsgewinne bei Aufgabe oder Veräusserung eines Unternehmens usw.".
 
2.4 Der Gedanke, welcher den beiden jeweils unter dem Kapitel "Sonderveranlagungen" geregelten Bestimmungen des Art. 43 BdBSt und Art. 47 DBG zugrunde liegt, ist Folgender: Bei der Vergangenheitsbemessung ergeben sich bei Beendigung der Steuerpflicht oder bei Zwischenveranlagungen systembedingte Bemessungslücken, d.h. Einkommen, das ab Beginn der letzten Steuerperiode bis zum Stichtag floss, wird nie zur Steuerbemessung herangezogen. Durch Art. 43 BdBSt und Art. 47 DBG sollen alle Einkünfte lückenlos erfasst werden und soll eine zufallsfreie, gleichmässige Besteuerung gewährleistet werden (vgl. Peter Agner/Beat Jung/Gotthard Steinmann, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, 1995, N. 1 zu Art. 47 DBG; Marco Duss/Daniel Schär, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2a, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 2000, N. 1 zu Art. 47 DBG; Peter Locher, Kommentar zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 2001, N. 1 zu Art. 47 DBG; Felix Richner/Walter Frei/Stefan Kaufmann, Handkommentar zum DBG, 2003, N. 3-5 zu Art. 47 DBG; Danielle Yersin, La distinction entre l'activité indépendante et la gestion de la fortune privée, dans le domaine immobilier, ASA 67 S. 97 ff., insbes. S. 112; Urteil 2A.477/2000 vom 11. Juni 2001, E. 2b).
 
2.5 Zu Art. 43 Abs. 1 BdBSt erkannte das Bundesgericht, dass der bei der Schlussabrechnung zu erhebenden Steuer nicht nur die anlässlich der Aufgabe oder Veräusserung der Unternehmung erzielten Liquidationsgewinne unterliegen, sondern alle in der Berechnungs- und in der Veranlagungsperiode realisierten Reserven, die sonst wegen der Bemessungslücke unversteuert blieben, d.h. auch solche, die mit der eigentlichen Liquidation nicht unmittelbar zusammenhängen. Die besondere Jahressteuer nach Art. 43 Abs. 1 BdBSt erfasste demnach nicht nur Kapitalgewinne auf dem Anlagevermögen, sondern alle eigentlichen Kapital- (und Wertzuwachs-)Gewinne, also auch solche, die durch Realisierung stiller Reserven auf dem Umlaufvermögen erzielt wurden (ASA 69 797 E. 3d S. 802; vgl. auch BGE 126 II 473 E. 3b S. 475 mit Hinweisen). Immerhin unterlagen nur die eigentlichen Kapital- und Wertzuwachsgewinne, nicht dagegen die ordentlichen, im Rahmen der normalen, betrieblichen Leistungserstellung erzielten Betriebsgewinne der Jahressteuer von Art. 43 Abs. 1 BdBSt (ASA 61 791 E. 6 S. 799).
 
2.6 Diese Praxis hat das Bundesgericht ebenfalls bei Liegenschaftshändlern befolgt, die ihre selbständige Erwerbstätigkeit aufgaben und zwischenveranlagt wurden. Sämtliche Wertzuwachsgewinne, also auch die aus der Realisierung der stillen Reserven auf den als Handelsobjekten dienenden Grundstücken, hat es der Sonderbesteuerung unterworfen. Bei Veräusserung von Grundstücken hat es nicht unterschieden zwischen den ausserordentlichen oder den aus der Realisation bis anhin unversteuerter stiller Reserven angefallenen Kapitalgewinnen auf Grundstücken einerseits und den aus dem ordentlichen Geschäftsbetrieb herrührenden Gewinnen andererseits (ASA 66 236 E. 4a S. 238; ASA 66 56 E. 4 S. 62 f.; vgl. auch Urteil 2A.336/1996 vom 18. Dezember 1996, in RDAF 1997 II S. 478 E. 6 S. 481). Die Ausscheidung einer Komponente "ordentlichen Betriebsgewinnes" hat das Bundesgericht insofern als illusorisch bezeichnet, zumal der Immobilienhandel durch Aperiodizität bei der Gewinnerzielung charakterisiert ist (ASA 66 56 E. 4c S. 63). Dies ist mit Blick auf Art. 8 BV auch der Rechtfertigungsgrund für die besondere Behandlung der Liegenschaftshändler.
 
2.7 Es besteht keine Veranlassung, die bei Art. 43 BdBSt geübte Praxis im Rahmen von Art. 47 DBG aufzugeben (kritisch dagegen: Marco Duss/Daniel Schär, a.a.O., N. 6 zu Art. 47 DBG; Alexandre Faltin, Réflexions sur l'arrêt du Tribunal fédéral du 2 mai 1995 dans la cause Administration fédérale des contributions contre X., StR 52/1997 S. 181 ff.; Peter Locher, a.a.O., N. 57 zu Art. 18 DBG und N. 10 zu Art. 47 DBG).
 
2.7.1 Unter anderem bestünde das Problem der Unterscheidung von ordentlichen und ausserordentlichen Gewinnen bei der Veräusserung von Immobilien fort. Sofern die Literatur hierfür überhaupt Lösungsansätze erwähnt, führen diese nicht zu sachgerechteren Ergebnissen. Ein Teil der Doktrin (Alexandre Faltin, a.a.O., S. 186 f.) schlägt vor, auf die unterschiedliche Haltezeit der Liegenschaften des Immobilienhändlers abzustellen; was innerhalb der so ermittelten durchschnittlichen Umschlagsdauer des jeweiligen Händlers veräussert worden ist, soll ordentlichen Betriebsgewinn darstellen; das, was diesen zeitlichen Rahmen sprengt, soll zu den ausserordentlichen Einkünften zählen, die der Sondersteuer unterliegen. Bezüglich der Kantonssteuer treffen die Graubündner Steuerbehörden eine vergleichbare - vom Beschwerdeführer im Übrigen abgelehnte - Unterscheidung; als ordentliche Einkünfte werden aber lediglich diejenigen betrachtet, die aus der Veräusserung von Grundstücken stammen, welche vom Steuerpflichtigen nur während einer Bemessungsperiode bzw. höchstens zwei Jahren gehalten worden sind. Unter Hinweis auf einen Entscheid des Verwaltungsgerichts Aargau vom 6. August 1991 (publ. in StE 1992 B 72.17 Nr. 2) scheint Thomas Kunz (in: Sind Gewinne aus gewerbsmässigem Liegenschaftenhandel in der Bemessungslücke steuerfrei?, Der Schweizer Treuhänder 67/1993 S. 235 ff., insbes. S. 241) eine andere Lösung vorzuziehen: Als ordentlicher, der Sondersteuer nicht unterliegender Gewinn soll ein pauschal von den Steuerbehörden festgelegter prozentualer Anteil gelten.
 
All diese Ansätze weisen aleatorische Elemente auf und vermögen letztlich nicht, ordentliche Gewinne von den ausserordentlichen tatsächlich abzugrenzen. Zudem wäre bei der von Alexandre Faltin vorgeschlagenen Methode unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nicht einzusehen, weshalb dem einen oder anderen Immobilienhändler eine wesentlich längere Haltezeit eingeräumt werden sollte, während welcher die Liegenschaften an Wert gewinnen können, der unversteuert in der Bemessungslücke verbleiben soll. Dass die einen Immobilienhändler ihre Liegenschaften für gewöhnlich länger behalten als andere Liegenschaftshändler, erweist sich kaum als hinreichender Grund für ihre unterschiedliche Behandlung bei Art. 47 DBG.
 
2.7.2 Ausserdem hat der Gesetzgeber keine Änderung oder Einschränkung gegenüber der Praxis nach Art. 43 BdBSt angestrebt. Vielmehr ging es ihm um die Übernahme der bereits bestehenden Regelung, unter Erstreckung auf weitere Tatbestände (Urteil 2A.424/ 2003 vom 10. März 2004, E. 3.2 und 3.5). Art. 47 DBG hat die gleiche Funktion wie Art. 43 BdBSt, indem er eine allfällige Bemessungslücke schliessen will (vgl. oben E. 2.4; BGE 126 II 473 E. 3b S. 475; Peter Agner/Beat Jung/Gotthard Steinmann, a.a.O., N. 1 zu Art. 47 DBG; Marco Duss/Daniel Schär, a.a.O., N. 3 zu Art. 47 DBG; Danielle Yersin, a.a.O., ASA 67 S. 112; vgl. auch Kreisschreiben Nr. 7 der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 26. April 1993, publ. in ASA 62 S. 312 ff., insbes. S. 323). Zwar ist der Anwendungsbereich von Art. 47 DBG in subjektiver Beziehung (nicht mehr auf buchführungspflichtige Unternehmen beschränkt) und in objektiver Hinsicht (Kreis der unterstellten Objekte) weiter gefasst als noch Art. 43 BdBSt. Daraus folgt aber keineswegs der Schluss, bei Art. 47 DBG sei von der bisherigen Praxis für die seinerzeit von Art. 43 BdBSt erfassten Steuerpflichtigen und Objekte Abstand zu nehmen, indem die Bestimmung insoweit nun einschränkend anzuwenden wäre.
 
2.7.3 Schliesslich würde eine Änderung der bisherigen Praxis zwangsläufig mit einer Ungleichbehandlung einerseits der früheren und andererseits der bislang noch nicht abgeschlossenen Fälle verbunden sein und (zumindest zunächst) zu Rechtsunsicherheit führen. Daher müsste sich eine etwaige Praxisänderung auf ernsthafte, sachliche und genügend gewichtige Gründe stützen können (vgl. zur Praxisänderung BGE 127 II 289 E. 3a S. 292 f.; 126 I 122 E. 5 S. 129; 125 I 458 E. 4a S. 471; 125 II 152 E. 4c/aa S. 162 f.). Solche Gründe sind - auch mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen - indes nicht gegeben. Eine Praxisänderung erscheint umso weniger angebracht, als die Anwendung von Art. 47 DBG auf Steuerperioden ab dem 1. Januar 2003 nicht mehr in Betracht kommt: Nachdem spätestens auf dieses Datum alle Kantone ihr Steuersystem auf die Gegenwartsbemessung umgestellt haben, kann sich die Problematik der Bemessungslücke lediglich für vor dem erwähnten Datum liegende Steuerperioden und damit auch nur für eine beschränkte Anzahl von Fällen auswirken. Im Übrigen sind die interessierenden Steuersachverhalte von den Steuerpflichtigen noch in Kenntnis der alten Praxis verwirklicht worden.
 
2.8 Nach dem Gesagten haben die kantonalen Steuerbehörden die in der Bemessungslücke erzielten Gewinne aus der Veräusserung von Liegenschaften richtigerweise in die Sondersteuer nach Art. 47 DBG einbezogen. Damit erweist sich der Entscheid des Verwaltungsgerichts betreffend die direkte Bundessteuer als bundesrechtsmässig.
 
II. Staatsrechtliche Beschwerde (2P.130/2003)
 
3.
 
Der Beschwerdeführer rügt die willkürliche Anwendung von Art. 73 des Steuergesetzes des Kantons Graubünden vom 8. Juni 1986 (StG/GR) in der bis 31. Dezember 1996 gültigen Fassung (aStG/GR). Die aus der Veräusserung von Liegenschaften an Dritte in der Bemessungslücke erzielten Gewinne stellten ordentliche Betriebsgewinne dar und nicht Kapitalgewinne im Sinne von Art. 73 aStG/GR. Daher unterlägen sie - entgegen der Ansicht der kantonalen Instanzen - nicht der Sonderbesteuerung nach dieser Bestimmung.
 
3.1 Art. 73 aStG/GR sieht vor, dass "Kapitalgewinne sowie ausserordentliche Einkünfte, die infolge Beendigung der Steuerpflicht oder einer Zwischenveranlagung nicht für eine volle Steuerperiode als Einkommen besteuert wurden", einer Jahressteuer unterliegen zu dem Satze, der sich für diese Einkünfte ergibt, wobei sich für Kapitalgewinne die Steuer um 20 % ermässigt.
 
3.2 Von der zweijährigen Vergangenheitsbemessung ausgehend hat die Kantonale Steuerverwaltung Graubünden Gewinne aus dem Verkauf von sich im Umlaufvermögen befindenden Liegenschaften, die ein Steuerpflichtiger während höchstens zwei Jahren gehalten hat, regelmässig als ordentliche Einkünfte qualifiziert. Hingegen hat sie alle anderen Gewinne als ausserordentliche Einkünfte angesehen und diese daher gemäss Art. 73 aStG/GR veranlagt. Das Verwaltungsgericht hat sich dieser Praxis bei Art. 73 aStG/GR angeschlossen. Nachdem die betroffenen Liegenschaften vom Beschwerdeführer länger als zwei Jahre gehalten worden sind (Erwerb 1971 bzw. 1975 und Verkauf 1995), haben die kantonalen Instanzen die Veräusserungsgewinne in die Sonderveranlagung nach Art. 73 aStG/GR einbezogen.
 
3.3 Wie das Verwaltungsgericht bereits festgehalten hat, verfolgt Art. 73 aStG/GR den gleichen Zweck wie Art. 43 BdBSt und Art. 47 DBG. Art. 73 aStG/GR war diesen Bestimmungen letztlich nachgebildet. Ob die von den kantonalen Instanzen bei Art. 73 aStG/GR getroffene Unterscheidung (vgl. E. 3.2), welche insoweit von der Praxis zu Art. 43 BdBSt und Art. 47 DBG abweicht (vgl. hiervor E. 2, insbes. E. 2.6), als willkürlich zu bezeichnen ist, kann hier offen gelassen werden. Jedenfalls gelangen die kantonalen Instanzen vorliegend zum gleichen Ergebnis wie bei Art. 47 DBG, indem die Veräusserungsgewinne der Sonderveranlagung unterworfen werden. Mithin kann nicht davon die Rede sein, dass das Ergebnis willkürlich sei, nachdem es mit dem Ergebnis gemäss der entsprechenden bundesrechtlichen Regelung übereinstimmt. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid im Rahmen der Willkürbeschwerde (Art. 9 BV) aber nur dann auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (zum Willkürbegriff vgl. BGE 128 I 81 E. 2 S. 86; 125 II 129 E. 5b S. 134).
 
4.
 
Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, die aus der Überführung von Geschäfts- in das Privatvermögen erzielten Gewinne seien gestützt auf Art. 18 Abs. 3 aStG/GR nicht steuerbar. Die kantonalen Instanzen hätten diese Bestimmung willkürlich ausgelegt.
 
4.1 Gemäss Art. 18 Abs. 3 aStG/GR sind bei Überführung von "Liegenschaften des Geschäftsvermögens ohne anschliessende Veräusserung ins Privatvermögen [...] Gewinne nur in dem Umfang als Einkommen steuerbar, in dem früher Abschreibungen zugelassen worden waren".
 
4.2 Gestützt darauf erachtet der Beschwerdeführer die Gewinne aus der Überführung von insgesamt 17 Wohnungen in sein Privatvermögen als nicht steuerbar, zumal die früher zugelassenen Abschreibungen von Fr. 508'385.--, die nun einkommenssteuerrechtlich zu erfassen wären, durch Aufwendungen (Abschreibungen, Kapitalverluste, Verlustvorträge und Liquidationskosten) bei weitem kompensiert würden.
 
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Wortlaut von Art. 18 Abs. 3 aStG/GR allerdings zu weit gefasst. Aufgrund von Überlegungen zur Entstehung der Norm sowie gestützt auf teleologische Erwägungen schränkt es ihn ein, so dass der Beschwerdeführer für die erwähnten Wohnungen nicht von der Regelung des Art. 18 Abs. 3 aStG/GR profitieren könne.
 
4.3 Ein Abweichen vom Wortlaut einer Bestimmung ist nicht nur zulässig, sondern sogar notwendig, wenn sich zweifelsfrei ergibt, dass dieser nicht deren wahren Sinn wiedergibt. Gründe hierfür können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus dem Zweck der Vorschrift und aus ihrem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben (BGE 103 Ia 115 E. 3 S. 117; 125 II 113 E. 3a S. 117; 124 II 265 E. 3a S. 268, je mit Hinweisen).
 
4.4 Der Kanton Graubünden kannte und kennt auch heute noch ein dualistisches System der Besteuerung von Grundstückgewinnen, d.h. grundsätzlich unterliegen nur Grundstückgewinne des Privatvermögens der Grundstückgewinnsteuer, während Grundstückgewinne des Geschäftsvermögens der ordentlichen Einkommens- oder Gewinnsteuer unterstellt werden (vgl. Art. 41 ff. StG/GR; Schweizerische Steuerkonferenz [Hrsg.], Steuerinformationen, Band II, Die Besteuerung der Grundstückgewinne, Stand 1. Januar 2001, 11). Beim Übergang von Geschäftsvermögen in das Privatvermögen ist somit zwangsläufig eine steuersystematisch bedingte Realisation der stillen Reserven anzunehmen. Dabei ist wegen des Wechsels von einem Besteuerungsregime in ein völlig anderes an sich über sämtliche stillen Reserven abzurechnen. Dies kann zu beträchtlichen Steuerschulden führen, obwohl keine liquiden Mittel zu deren Bezahlung freigesetzt werden. Zur Entschärfung dieser Konsequenzen wurde im Rahmen der Gesetzesrevision von 1986 in Artikel 18 der erwähnte Absatz 3 neu eingefügt. In der Botschaft der Graubündner Regierung an den Grossen Rat zur Totalrevision des Steuergesetzes (Heft Nr. 3/1985-86, S. 130) wurde dazu ausgeführt:
 
"Dies [sc. die Abrechnung über sämtliche stillen Reserven bei einer Privatentnahme] führt insbesondere dann zu grossen Härten, wenn ein Geschäft altershalber oder aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben wird, ohne dass der Inhaber die Geschäftsliegenschaft, in welcher er oft auch wohnt, verkauft. Durch die Besteuerung sämtlicher stiller Reserven gerät der Steuerpflichtige nicht selten in grosse Liquiditätsschwierigkeiten, die ihn möglicherweise zwingen, um Stundung der geschuldeten Steuern nachzusuchen oder gar die Liegenschaft zu verkaufen".
 
4.5 Aus diesen Erläuterungen erhellt, dass der Regierungsrat an sich einen viel engeren Anwendungsbereich der Norm vor Augen hatte und der vom Parlament unverändert übernommene Gesetzeswortlaut weit über diese Intentionen hinausschiesst. Von da her drängt sich eine teleologische Reduktion und damit eine Beschränkung auf faktisch nicht veräusserbare (weil vielfach selbst bewohnte) Liegenschaften des Anlagevermögens auf. Denn bei Umlaufvermögen - dessen Zweck im Gegensatz zum Anlagevermögen ohnehin darin besteht, es bei normalem Geschäftsablauf kurzfristig in flüssige Mittel umwandeln zu lassen (vgl. Francis Cagianut/Ernst Höhn, Unternehmungssteuerrecht, 3. Aufl. 1993, S. 310 f.) - erscheint ein Verkauf eher als zumutbar, um aus dem Erlös die Steuerschulden begleichen zu können. Die aus Billigkeitsüberlegungen geschaffene Ausnahmeregel darf nicht über die eigentlichen Problemfälle hinaus angewendet werden, weil sonst vom Prinzip der steuersystematisch bedingten Realisation bei Privatentnahmen, das für nichtliegenschaftliche Aktiven weiterhin gilt, in nicht mehr zu rechtfertigender Weise abgewichen würde. Zwar ist richtig, dass der bei der Überführung nicht besteuerte Wertzuwachsgewinn dem Fiskus nicht verloren ging, weil der im Zeitpunkt der Überführung steuerlich massgebende Buchwert zuzüglich der bei der Überführung versteuerten Gewinne aufgrund von Art. 48 Abs. 3 StG/GR als Erwerbspreis galt. Es wäre nun aber sachfremd, den Wertzuwachsgewinn auf Liegenschaften, die früher Umlaufvermögen bildeten, später grundstückgewinnsteuerlich zu erfassen, bezieht sich doch diese Steuer im Kanton Graubünden grundsätzlich nur auf Gewinne von Grundstücken des Privatvermögens (Art. 41 StG/GR). Der mit Art. 18 Abs. 3 aStG/GR eingeführte "Systembruch" muss mithin restriktiv gehandhabt werden.
 
Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, dringt nicht durch. Der Gesetzgeber verwendet nicht den feststehenden und umfassenden Begriff der Überführung von "Liegenschaften des Geschäftsvermögens", sondern jenen der Privatentnahme von "Liegenschaften des Geschäftsvermögens ohne anschliessende Veräusserung". Diese Umschreibung ist keineswegs so eindeutig, wie es der Beschwerdeführer wahrhaben will. Beispielsweise ging aus der damaligen Fassung des Gesetzes nicht hervor, wie lange die Haltezeit vor einer etwaigen Veräusserung dauern soll, um in den Genuss der Privilegierung nach Art. 18 Abs. 3 aStG/GR zu gelangen bzw. zu verbleiben (vgl. dagegen den heutigen Art. 18 Abs. 3 Satz 2 StG/GR). Es ist aber klar, dass Wohnungen des bisherigen Umlaufvermögens, die wegen Geschäftsaufgabe ins Privatvermögen übergeführt werden, jederzeit zum Verkauf kommen können; sodann stellen reine Kapitalanlageliegenschaften bei natürlichen Personen ohnehin regelmässig nicht Geschäftsvermögen dar. Auch der Umstand, dass der Gesetzeswortlaut seither im Sinne von "Liegenschaften des betriebsnotwendigen Anlagevermögens" abgeändert worden ist (Art. 18 Abs. 3 Satz 1 StG/GR), spricht nicht gegen, sondern durchaus für die vorstehende Auslegung (vgl. etwa BGE 125 II 326 E. 7b S. 336). Die Kantonsregierung erklärte im Zusammenhang mit dieser Änderung, im Hinblick auf den bereits bei der Gesetzesrevision von 1986 verfolgten Zweck der Ausnahmebestimmung (siehe oben E. 4.4) sei Art. 18 Abs. 3 aStG zu weit gefasst gewesen (Botschaft der Graubündner Regierung an den Grossen Rat zur Teilrevision des Steuergesetzes in Heft Nr. 2/1995-96, S. 145).
 
4.6 Insgesamt sprechen somit triftige Gründe dafür, dass der - weit gefasste - Wortlaut von Art. 18 Abs. 3 aStG/GR dessen wahren Sinn nicht richtig wiedergibt. Angesichts der nach dem Gesagten teleologisch angezeigten Reduktion des Anwendungsbereichs der Norm kann von willkürlicher Rechtsanwendung durch die kantonalen Instanzen auch hier keine Rede sein.
 
III. Gerichtsgebühren, Parteientschädigungen
 
5.
 
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich sowohl die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch die staatsrechtliche Beschwerde als unbegründet erweisen und daher abzuweisen sind. Dem Verfahrensausgang entsprechend hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Parteientschädigungen werden nicht geschuldet (vgl. Art. 159 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verfahren 2A.237/2003 und 2P.130/2003 werden vereinigt.
 
2.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde und die staatsrechtliche Beschwerde werden abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 15'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Kantonalen Steuerverwaltung Graubünden und dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 28. Mai 2004
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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