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Informationen zum Dokument  BGer I 364/2001  Materielle Begründung
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BGer I 364/2001 vom 26.05.2004
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
I 364/01
 
Urteil vom 26. Mai 2004
 
III. Kammer
 
Besetzung
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und nebenamtlicher Richter Staffelbach; Gerichtsschreiber Attinger
 
Parteien
 
D.________, 1960, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hansjörg Bolliger, Sihlfeldstrasse 10, 8036 Zürich,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
(Entscheid vom 11. Mai 2001)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1960 geborene D.________ war seit 1988 bei der Transportfirma K.________ AG, als Lastwagenchauffeur und Zügelmann für Privat- und Büroumzüge angestellt, wobei er schwere Lasten wie Büromöbel, Tresore, Fotokopiermaschinen und Klaviere heben und tragen musste. Ab Januar 1999 konnte der Versicherte wegen eines Rückenleidens (chronisches rechtsseitiges lumbospondylogenes Syndrom, Diskushernie L4/5 ohne neurale Kompression, rechtskonvexe Skoliose) seine bisherige Arbeit nicht mehr verrichten. Er ging in der Folge keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Im Dezember 1999 meldete er sich zum Leistungsbezug (Umschulung und Rente) bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich nahm Abklärungen in medizinischer und beruflich-erwerblicher Hinsicht vor und lehnte, insbesondere gestützt auf Berichte der Rheuma- und Rehabilitationsklinik Z.________ (vom 14. Juli 1999) sowie der Klinik Y.________ (vom 24. Februar und 2. März 1999 sowie 16. Februar 2000), das Leistungsbegehren des Versicherten ab (Verfügung vom 28. September 2000).
 
B.
 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher D.________ eine ergänzende medizinische Abklärung sowie die Zusprechung einer Invalidenrente und von Umschulungsmassnahmen hatte beantragen lassen, mit Entscheid vom 11. Mai 2001 ab. Gleichzeitig sprach das kantonale Gericht dem Rechtsvertreter des Versicherten zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung eine Entschädigung von Fr. 1360.- aus der Staatskasse zu.
 
C.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt D.________ die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren erneuern. Überdies lässt er auch für das letztinstanzliche Verfahren um Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung ersuchen.
 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Die Vorinstanz hat die hier massgebenden gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, namentlich diejenigen über die Bemessung der Invalidität bei erwerbstätigen Versicherten nach der Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 128 V 30 Erw. 1, 104 V 136 Erw. 2a und b) sowie über die Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit (Art. 17 Abs. 1 IVG) und die hiefür erforderliche Erheblichkeitsschwelle eines invaliditätsbedingten Minderverdienstes von etwa 20 % (BGE 124 V 110 f. Erw. 2b mit Hinweisen) richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
 
Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 28. September 2000) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b).
 
1.2 Anzumerken bleibt, dass die seitens des Beschwerdeführers nachgereichten hausärztlichen Zeugnisse vom 6. November 2001 und 20. März 2002 sowie die zugehörigen Unterlagen unberücksichtigt bleiben müssen, da nach Ablauf der Rechtsmittelfrist grundsätzlich keine neuen Akten mehr eingebracht werden können (Art. 108 Abs. 2 OG; BGE 127 V 353). Entscheidwesentliche Bedeutung wäre ihnen ohnehin nicht beizumessen.
 
2.
 
Das kantonale Gericht gelangte in einlässlicher und sorgfältiger Würdigung der medizinischen Akten zum zutreffenden Schluss, dass der Beschwerdeführer die bisherige Schwerarbeit eines Möbelpackers behinderungsbedingt nicht mehr ausüben, hingegen einer körperlich leichten, rückenschonenden und wechselbelastenden Erwerbstätigkeit uneingeschränkt ganztags nachgehen kann. Auch diesbezüglich ist auf die vorinstanzlichen Erwägungen zu verweisen.
 
Sämtliche in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwendungen vermögen an dieser Betrachtungsweise nichts zu ändern. Soweit der Beschwerdeführer gestützt auf die Stellungnahme seines Hausarztes Dr. S.________, vom 3. Juni 2001 geltend macht, dass sich das Rückenleiden "aktuell (eher) verschlechtert" habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass das Sozialversicherungsgericht nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmässigkeit der streitigen Verfügungen in der Regel nach dem Sachverhalt beurteilt, wie er sich bis zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses (hier: 28. September 2000) entwickelt hat (BGE 121 V 366 Erw. 1b). Ferner wird die Annahme einer vollständigen Arbeitsfähigkeit bei Verrichtung einer leidensangepassten Erwerbstätigkeit weder durch die behauptete (und bloss arbeitslosenversicherungsrechtlich relevante) fehlende Vermittlungsfähigkeit noch durch mangelnde Deutsch-Kenntnisse oder einen "Semi-Alphabetismus" in Zweifel gezogen. Schliesslich wären von den in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangten ergänzenden medizinischen Abklärungen - wenigstens für den hier massgebenden Zeitpunkt der streitigen Verfügung - keine relevante neue Erkenntnisse zu erwarten, weshalb von entsprechenden Weiterungen abzusehen ist.
 
3.
 
Zu prüfen bleiben die erwerblichen Gegebenheiten.
 
Unter sämtlichen Verfahrensbeteiligten ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer ohne Gesundheitsschaden im Jahre 2000 als Lastwagenchauffeur und Zügelmann bei seiner früheren Arbeitgeberfirma einen Jahreslohn von Fr. 65'717.- erzielt hätte. Diesem sog. Valideneinkommen ist das im selben Jahr bei zumutbarer Ausübung einer behinderungsangepassten Erwerbstätigkeit erreichbare Salär gegenüberzustellen. Auf dessen von der IV-Stelle gestützt auf Lohnangaben aus der Dokumentation von Arbeitsplätzen (DAP) vorgenommene, vorinstanzlich bestätigte Ermittlung kann schon deshalb nicht abgestellt werden, weil nicht - wie von der Rechtsprechung verlangt (BGE 129 V 472) - mindestens fünf DAP-Blätter herangezogen wurden, sondern bloss deren drei. Das Invalideneinkommen ist deshalb auf Grund der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 2000 des Bundesamtes für Statistik zu bemessen (BGE 126 V 76 Erw. 3b/bb, 124 V 322 Erw. 3b/aa). Konkret ist vom in der Tabelle TA 1 des Anhangs angeführten Zentralwert (Median) in der Höhe von Fr. 4437.- auszugehen (standardisierter monatlicher Bruttolohn von Männern bei Ausübung einfacher und repetitiver Tätigkeiten [Anforderungsniveau 4] im privaten Sektor). Dieser statistische Monatslohn ist - unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ihm eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden zu Grunde liegt (LSE 2000 S. 10), welche etwas tiefer ist als die im Jahre 2000 betriebsübliche durchschnittliche Arbeitszeit von wöchentlich 41,8 Stunden (Die Volkswirtschaft, 2004 Heft 5, S. 94, Tabelle B 9.2) - auf Fr. 4637.- zu erhöhen, was einen Jahreslohn von Fr. 55'644.- ergibt. Mit einer hier angemessen erscheinenden 10 - 15%igen Herabsetzung dieses Tabellenlohnes ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass persönliche und berufliche Umstände Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können (BGE 126 V 79 f. Erw. 5b/aa - cc, 124 V 323 Erw. 3b/aa). Beim genannten Abzug resultiert ein Invalideneinkommen von jährlich Fr. 47'297.- (Fr. 55'644.- x 0,85) bis Fr. 50'080.- (Fr. 55'644.- x 0,9) und - im Vergleich mit dem hievor angeführten Valideneinkommen von Fr. 65'717.- - ein Invaliditätsgrad von 24 - 28 %.
 
4.
 
Auf Grund der ermittelten Invalidität fällt ein Rentenanspruch ausser Betracht (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis Ende 2003 gültig gewesenen Fassung). Hingegen wird die IV-Stelle mit Blick auf das deutliche Überschreiten der in Erw. 1.1 hievor erwähnten Erheblichkeitsschwelle einer Erwerbseinbusse von etwa einem Fünftel die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für die allfällige Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit zu prüfen haben.
 
5.
 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Zufolge teilweisen Obsiegens steht dem Beschwerdeführer eine reduzierte Parteientschädigung zu Lasten der IV-Stelle zu (Art. 159 in Verbindung mit Art. 135 OG). Insoweit ist sein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung gegenstandslos. Im Übrigen kann diesem entsprochen werden, da die hiefür nach Gesetz (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG) und Rechtsprechung (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen) erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Der Beschwerdeführer wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. Mai 2001 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 28. September 2000, soweit sie die Frage einer Umschulung betreffen, aufgehoben, und es wird die Sache an die Verwaltung zurückgewiesen, damit diese über den Anspruch des Beschwerdeführers auf Umschulung neu verfüge. Im Rentenpunkt wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1250.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
 
4.
 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Dr. Hansjörg Bolliger, Zürich, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1250.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.
 
5.
 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird für das kantonale Verfahren über eine Parteientschädigung sowie über das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.
 
6.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 26. Mai 2004
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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