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Informationen zum Dokument  BGer C 265/2003  Materielle Begründung
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BGer C 265/2003 vom 20.04.2004
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
C 265/03
 
Urteil vom 20. April 2004
 
II. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Frésard; Gerichtsschreiber Hadorn
 
Parteien
 
L.________, 1953, Beschwerdeführer, vertreten durch lic. iur. Hubert Ritzer, Zürcherstrasse 5a, 5402 Baden,
 
gegen
 
Arbeitslosenkasse SMUV, Weltpoststrasse 20, 3015 Bern, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
(Entscheid vom 30. September 2003)
 
Sachverhalt:
 
Mit Verfügung vom 8. Dezember 1998 verneinte das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) Zürich den Anspruch von L.________ (geb. 1953) auf Arbeitslosenentschädigung ab 10. Juli 1996. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich (Entscheid vom 16. August 2000) und das Eidgenössische Versicherungsgericht (Urteil vom 9. Mai 2001) bestätigten diese Verfügung.
 
Mittlerweile hatte die Arbeitslosenkasse SMUV von L.________ mit Verfügung vom 15. Juli 1999 zu Unrecht ausgerichtete Taggelder im Betrag von Fr. 95'964.25 zurückgefordert.
 
Auf Beschwerde von L.________ hin sistierte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich das Verfahren bis zum Vorliegen des letztinstanzlichen Urteils im eingangs erwähnten Prozess und wies die Beschwerde sodann mit Entscheid vom 12. Juli 2001 ab.
 
Die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiess das Eidgenössische Versicherungsgericht mit Urteil vom 17. Juli 2002 insofern gut, als es die Sache zu näheren Abklärungen im Sinne der Erwägungen an die Arbeitslosenkasse zurückwies.
 
In der Folge forderte die Arbeitslosenkasse SMUV mit Verfügung vom 11. März 2003 von L.________ erneut Fr. 95'964.25 zurück. Diese Verfügung bestätigte die Kasse im Einspracheentscheid vom 26. Mai 2003.
 
Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. September 2003 ab.
 
L.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, die Rückforderung der Kasse sei aufzuheben.
 
Die Arbeitslosenkasse äussert sich zur Sache, ohne einen konkreten Antrag zu stellen, während das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Das kantonale Sozialversicherungsgericht hat die gesetzliche Grundlage zur Rückforderung von zu Unrecht ausbezahlten Leistungen der Arbeitslosenversicherung (Art. 95 Abs. 1 AVIG), die Vorschriften zu den Verjährungs- bzw. Verwirkungsfristen (Art. 95 Abs. 4 AVIG; Art. 70 StGB in der bis 30. September 2002 gültig gewesenen Fassung) und die Rechtsprechung zur Wiedererwägung (BGE 127 V 469 Erw. 2c) richtig dargelegt. Ferner trifft zu, dass die materiellen Bestimmungen von ATSG und ATSV nicht anwendbar sind. Darauf wird verwiesen.
 
2.
 
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Rückforderung der Arbeitslosenkasse verjährt bzw. verwirkt ist. Dabei steht fest, dass die streitigen Leistungen für die Zeitspanne von Juli 1996 bis Juli 1998 ausgerichtet und erstmals mit Verfügung vom 15. Juli 1999 zurückgefordert worden sind.
 
2.1 Die Vorinstanz ging davon aus, die vorliegend anwendbare 5-jährige Verjährungsfrist des Art. 70 StGB sei mit dem Erlass der Verfügung vom 15. Juli 1999 ein für allemal gewahrt worden. Die Frage der Verjährung bzw. Verwirkung stelle sich erst im Vollstreckungsverfahren wieder, wenn die Rückzahlungsverfügung dereinst in Rechtskraft erwachsen sei. Demgegenüber stellt sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt, die Verfügung vom 15. Juli 1999 sei mit dem Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 17. Juli 2002 aufgehoben worden. Damit bestehe keine verjährungshemmende Verfügung mehr. Zudem sei inzwischen die absolute Verjährung eingetreten. Es rechtfertige sich aus prozessökonomischen Gründen nicht, diese Frage erst im Vollstreckungsverfahren zu prüfen.
 
2.2 Bei Art. 95 Abs. 4 AVIG handelt es sich um eine Verwirkungsfrist, die lediglich die Festsetzung der Rückforderung, nicht aber deren Vollstreckung betrifft. Wurde die Rückforderung einmal frist- und formgerecht durch Verfügung geltend gemacht, ist die Frist zu ihrer Festsetzung ein für allemal gewahrt, und zwar selbst dann, wenn die entsprechende Verfügung nachträglich aufgehoben und durch eine inhaltlich berichtigte neue ersetzt werden muss. In solchen Fällen stellt sich die Frage der Verwirkung erst wieder bei der Vollstreckung, nachdem die Rückerstattungsverfügung rechtskräftig geworden ist (BGE 122 V 274 Erw. 5a, 117 V 209 Erw. 2b; SVR 1997 AlV Nr. 84 S. 255 Erw. 2c/aa; Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], S. 34 f. Rz 81). Das spätere rechtliche Schicksal der Rückerstattungsverfügung spielt demnach keine Rolle (vgl. auch ZAK 1983 S. 387 Erw. 4c zu Art. 16 AHVG).
 
2.3 Im Lichte dieser Rechtsprechung hat die Verwaltung die Rückerstattungsverfügung vom 15. Juli 1999 rechtzeitig erlassen. Dass diese später vom Eidgenössischen Versicherungsgericht aufgehoben wurde, ist demnach im Hinblick auf den Eintritt der Verjährung bzw. Verwirkung der Festsetzung der Rückforderung ohne Belang. Über die allfällige Verwirkung einer Vollstreckung dieser Forderung ist im vorliegenden Prozess nicht zu befinden. Der Beschwerdeführer vermengt die Verwirkung der Festsetzung der Forderung mit derjenigen ihrer Vollstreckung.
 
2.4 Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Übrigen vorgebracht wird, ist nicht geeignet, zu einem andern Ergebnis zu führen. Namentlich ist irrelevant, dass in SVR 1997 AlV Nr. 84 S. 255 ein Zwischenentscheid zur Überprüfung anstand. In BGE 122 V 270 wurde die selbe Rechtsprechung gleichermassen auf einen kantonalen Endentscheid angewendet. Weshalb der Beschwerdeführer das Strafurteil des Bezirksgerichts Horgen nicht angefochten hat, ist ebenfalls ohne Bedeutung für das vorliegende Verfahren. Ein angebliches Mitverschulden der Verwaltung ist nicht ersichtlich und wird auch nicht näher be-gründet.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich, Arbeitslosenversicherung, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
 
Luzern, 20. April 2004
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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