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Informationen zum Dokument  BGer 7B.45/2004  Materielle Begründung
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BGer 7B.45/2004 vom 26.03.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
7B.45/2004 /bnm
 
Urteil vom 26. März 2004
 
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
 
Gerichtsschreiber Schett.
 
Parteien
 
Z.________ AG,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Fürsprecher Hans Peter Aeberhard,
 
gegen
 
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern, Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern.
 
Gegenstand
 
Zustellung des Zahlungsbefehls/Rechtsvorschlag,
 
SchKG-Beschwerde gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern vom 26. Februar 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.a In der Betreibung auf Grundpfandverwertung Nr. ... des Betreibungs- und Konkursamtes Bern-Mittelland, Dienststelle Konolfingen, wurde der Y.________ AG am 11. November 2003 der Zahlungsbefehl vom 23. Oktober 2003 zugestellt und von ihrem Verwaltungsratspräsidenten X.________ entgegengenommen. Eine Orientierungskopie des Zahlungsbefehls war der Rechtsvertreterin von V.________ zugestellt worden, welcher mit Schreiben vom 28. Oktober 2003 Rechtsvorschlag erhob. Darin wurde die Dienststelle Konolfingen darauf aufmerksam gemacht, dass X.________ einziger Verwaltungsrat der betreibenden Z.________ AG und gleichzeitig Verwaltungsratspräsident der betriebenen Y.________ AG sei. Dieser und er seien die beiden einzigen Verwaltungsräte der Y.________ AG und nur kollektivzeichnungsberechtigt. Da unter ihnen verschiedene Zivilprozesse hängig seien, sei die Y.________ AG eigentlich gar nicht handlungsfähig. Es sei daher naheliegend, dass X.________ nicht zur Unterzeichnung des Rechtsvorschlages bewegt werden könne, da dieser bzw. die Z.________ AG die Betreibung eingeleitet habe. Aus diesem Grund sei der Rechtsvorschlag des Vizeverwaltungsratspräsidenten V.________ entgegenzunehmen.
 
A.b Mit Schreiben vom 24. November 2003 teilte das Amt der Rechtsvertreterin des V.________ mit, das Original des Zahlungsbefehls sei X.________ zugestellt worden, welcher innert nützlicher Frist keinen Rechtsvorschlag erhoben habe. V.________ sei eine Orientierungskopie des Zahlungsbefehls zugestellt worden in der Annahme, dieser würde veranlassen, dass auf dem Original des Zahlungsbefehls Rechtsvorschlag erhoben werde. Da auf dem formell zugestellten Zahlungsbefehl kein Rechtsvorschlag erhoben worden sei und der Verwaltungsratspräsident hierarchisch über dem Vizepräsidenten stehe, wies die Dienststelle Konolfingen den Rechtsvorschlag mit Verfügung vom 24. November 2003 als ungültig zurück.
 
B.
 
B.a Gegen diese Verfügung vom 24. November 2003 erhoben die Y.________ AG und V.________ bei der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern Beschwerde. Sie beantragten im Wesentlichen, die Betreibung Nr. ... des Betreibungs- und Konkursamtes Bern-Mittelland, Dienststelle Konolfingen, sei aufzuheben und sämtliche Zahlungsbefehle der Z.________ AG, der U.________ AG oder von X.________ seien bis zum rechtskräftigen Beschluss einer neuen GV der Y.________ AG an V.________ zuzustellen. Mit Verfügung vom 8. Dezember 2003 entsprach die Präsidentin der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern dem Gesuch um aufschiebende Wirkung. Nach Eingang der Vernehmlassung des betroffenen Amtes und der Gegenbemerkungen der Z.________ AG entschied die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern am 26. Februar 2004: Auf die Beschwerde von V.________ wird nicht eingetreten (Ziff. 1). Die Verfügung vom 24. November 2003 in der Betreibung Nr. ... des Betreibungs- und Konkursamtes Bern-Mittelland, Dienststelle Konolfingen, wird aufgehoben (Ziff. 2).
 
C.
 
Die Z.________ AG hat den Entscheid der Aufsichtsbehörde an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen (Postaufgabe: 12. März 2004) und beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und festzustellen, dass die in der Betreibung auf Pfandverwertung der Beschwerdeführerin gegen die Y.________ AG Nr. ... ergangene Verfügung vom 24. November 2003 des Betreibungs- und Konkursamtes Bern-Mittelland, Dienststelle Konolfingen, in Rechtskraft erwachsen und in dieser Betreibung kein Rechtsvorschlag erhoben worden sei, unter Kosten- und Entschädigungsfolge.
 
Die Aufsichtsbehörde hat bei der Übersendung der Akten auf Gegenbemerkungen (Art. 80 OG) unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid verzichtet.
 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
 
Die Kammer zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Die Aufsichtsbehörde führt aus, an der Generalversammlung vom 30. Juli 2003 sei die Aktionärseigenschaft von V.________ durch den Verwaltungsratspräsidenten verneint und dieser als Verwaltungsratsvizepräsident abgewählt worden. Mit der dagegen eingeleiteten Anfechtungsklage verlange V.________ zwar die Aufhebung der Beschlüsse jener Generalversammlung; es stelle sich jedoch trotzdem die Frage, ob er angesichts dieser Umstände namens der Y.________ AG Beschwerde erheben könne. Gemäss Art. 705 OR sei die Generalversammlung berechtigt, Mitglieder des Verwaltungsrates abzuberufen. Im internen Verhältnis, das heisse gegenüber der Gesellschaft, trete diese Massnahme sofort in Kraft, selbst wenn damit gewisse Rechte der Beteiligten verletzt würden. In diesem Falle blieben lediglich Schadenersatzansprüche vorbehalten. Gegenüber gutgläubigen Dritten entfalte ein solcher Akt erst mit der Änderung des Handelsregistereintrages seine Wirkung (BGE 104 Ib 323 = Pra. 68 125; Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 2. Auflage, Zürich 1996, N. 1797a; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 27 N. 55). Folge man diesen Ausführungen, käme man grundsätzlich zum Schluss, dass V.________ nicht mehr berechtigt wäre, namens der Y.________ AG Beschwerde zu erheben.
 
Die Aufsichtsbehörde fährt fort, im vorliegenden Fall sei jedoch auch die Verfügung des Gerichtspräsidenten III des Gerichtskreises VII Konolfingen vom 14. August 2003 - die im Rahmen der bei ihm hängigen Anfechtungsklage erlassen worden sei - zu beachten. Gemäss dieser Verfügung sei es der Y.________ AG einstweilig untersagt, jegliche Rechtshandlungen (Verträge, Verfügungen über Vermögenswerte der Gesellschaft) anders als in der im Handelsregister eingetragenen Zeichnungskompetenz (Kollektivunterschrift zu zweien) abzuschliessen. Der Sinn dieser Verfügung entspreche klar dem Grundsatz, dass weder V.________ noch insbesondere X.________ unabhängig vom anderen zum Nachteil der Y.________ AG handeln könnten. Der Gerichtspräsident habe jedoch beim Erlass der Verfügung offenbar vor allem an das aktive Handeln gedacht, nicht jedoch an allfällig vorzunehmende Abwehrhandlungen. Nach dem Sinn dieser Verfügung sei es somit jedem Einzelnen untersagt, zum Nachteil der Y.________ AG zu handeln. Dementsprechend müsse es V.________ möglich sein, namens der Y.________ AG Rechtsvorschlag zu erheben und sich auch gegen eine unzulässige Abweisung des Rechtsvorschlages zur Wehr zu setzen.
 
1.2 Dagegen trägt die Beschwerdeführerin vor, die Aufsichtsbehörde habe auf Grund des vorläufigen Gerichtsentscheids in einem rein privatrechtlichen Verfahren um einstweilige Verfügung eine besondere Art der Zeichnung geschaffen: kollektiv im zivilen Geschäftsverkehr, einzeln im öffentlich-rechtlichen, prozessualen Verfahren (z.B. zwecks Abwehr von Ansprüchen Dritter). Das Gesetz bestimme jedoch, wer als Vertreter einer AG zum Rechtsvorschlag legitimiert sei und wer Beschwerde nach Art. 19 Abs. 2 SchKG führen könne, und nicht der Zivilrichter. Das Bundesgericht lehne es in konstanter Rechtsprechung ab (jedenfalls seit BGE 65 III 72 ff.), auf Beschwerden und Rekurse von juristischen Personen einzutreten, die nicht von den Vertretungsberechtigten in vorgeschriebener Zeichnung erhoben würden. In gleicher Weise habe das Bundesgericht in BGE 84 III 72 es abgelehnt, ein Betreibungsbegehren zuzulassen, das nur von einem der beiden kollektivzeichnungsberechtigten Verwaltungsräte stamme. Die Aufsichtsbehörde stelle sich mit ihrem Entscheid demnach gegen die gängige Bundesgerichtspraxis. Die Einwände sind unbegründet.
 
1.3 Ist gemäss Art. 65 Abs. 1 SchKG die Betreibung gegen eine juristische Person oder eine Gesellschaft gerichtet, so erfolgt die Zustellung an den Vertreter derselben. Für eine Aktiengesellschaft gilt als solcher jedes Mitglied der Verwaltung sowie jeder Direktor oder Prokurist (Ziff. 2 dieser Bestimmung). Das Betreibungsamt ist nicht verpflichtet nachzuforschen, wer berechtigter Vertreter einer juristischen Person ist. Hingegen kommt es nicht umhin, sich beim Betreibenden zu erkundigen, welcher natürlichen Person der Zahlungsbefehl zu übergeben ist, damit er der juristischen Person gültig zugestellt werden kann (BGE 109 III 4 E. 1 S. 6 am Ende). Der Zahlungsbefehl enthält die Angaben des Betreibungsbegehrens (Art. 69 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG).
 
Gestützt auf das Betreibungsbegehren der Z.________ AG - das Übermittlungsschreiben ist von R.________ unterzeichnet - erliess das Betreibungs- und Konkursamt Bern-Mittelland, Dienststelle Konolfingen, am 23. Oktober 2003 den Zahlungsbefehl für die Betreibung auf Verwertung eines Grundpfandes gegenüber der Schuldnerin/Dritteigentümerin Y.________ AG. Als Vertreter der Gläubigerin wurde ebenfalls die Z.________ AG aufgeführt, was offensichtlich falsch war, kann diese sich doch nicht selbst vertreten. Da im Betreibungsbegehren der Z.________ AG kein Vertreter für die Schuldnerin Y.________ AG angegeben worden war, hätte das Amt das Betreibungsbegehren zur Ergänzung an die Gläubigerin zurückschicken müssen.
 
Wäre diese Obliegenheit vom Betreibungsamt befolgt worden, hätte es bemerkt, dass die in Gang gesetzte Betreibung zu einer Interessenkollision führt. X.________ ist einziger Verwaltungsrat der betreibenden Z.________ AG und gleichzeitig Verwaltungsratspräsident der betriebenen Y.________ AG; Vizepräsident der letzteren ist V.________. Das Bundesgericht hat in BGE 45 III 27 E. 2 S. 29 befunden, dass ein Vertreter nicht mit sich selber kontrahieren könne, wenn ihm dies nicht ausdrücklich oder nach den Umständen stillschweigend zugestanden worden sei. Weil seine Interessen mit denjenigen des Betriebenen kollidierten, könne er nicht zur Entgegennahme des Zahlungsbefehls legitimiert sein. Eine solche Betreibung ist ungültig, denn der Gläubiger kann nicht zugleich als Vertreter des Betreibungsschuldners handeln (Ernst Jeker, Die Zustellung der Betreibungsurkunden nach schweizerischem Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz, Diss. Bern 1942, S. 67/68; Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Art. 1-88, Rz. 17 zu Art. 65 SchKG, S. 985; Donzallaz, La notification en droit interne suisse, Rz. 324 S. 191/192). So hat auch die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern in ihrem Entscheid vom 7. Dezember 1989 erwogen, bei einem Gläubiger, der als Angestellter einer Aktiengesellschaft den von ihm veranlassten Zahlungsbefehl gegen diese entgegennehme, bestehe eine schwere Interessenkollision: Die Zustellung sei fehlerhaft. Werde deren Heilung nicht nachgewiesen, erweise sich die Zustellung als ungesetzlich und sei unter Vermeidung von Interessenkollision zu wiederholen (publiziert in: BlSchK 1990, S. 235).
 
Die Vorinstanz hat nicht die Betreibung bzw. den Zahlungsbefehl für ungültig erklärt, sondern die Verfügung des Betreibungsamtes vom 24. November 2003 aufgehoben, womit der Rechtsvorschlag des Vizepräsidenten des Verwaltungsrats der Betriebenen als ungültig zurückgewiesen worden war. Gemäss der verbindlichen Feststellung im angefochtenen Urteil (Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 81 OG) ist V.________ noch im Handelsregister eingetragen; und für die Betreibungsbehörden ist einzig der Registerstand massgeblich (BGE 120 III 4 E. 4 S. 6). Der Entscheid der Aufsichtsbehörde ist nach dem Ausgeführten bundesrechtskonform, da wegen der bestehenden Interessenkollision nur V.________ als Vizepräsident der in Betreibung gesetzten Gesellschaft zur Entgegennahme des Zahlungsbefehls legitimiert war.
 
2.
 
Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a SchKG und Art. 61 Abs. 2 lit. a GebV SchKG), und es darf keine Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG).
 
Demnach erkennt die Kammer:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin (Y.________ AG, handelnd durch V.________, Vizepräsident der Y.________ AG, beide vertreten durch Fürsprecherin Kathrin Straub, dem Betreibungsamt- und Konkursamt Bern-Mittelland, Dienststelle Konolfingen, Riedstrasse 13, 3082 Schlosswil, und der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 26. März 2004
 
Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
 
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