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Informationen zum Dokument  BGer 1P.589/2003  Materielle Begründung
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BGer 1P.589/2003 vom 12.01.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1P.589/2003 /err
 
Urteil vom 12. Januar 2004
 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
 
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, Bundesrichter Féraud, Gerichtsschreiber Störi.
 
Parteien
 
A.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lothar Auf der Maur,
 
gegen
 
- Helvetia Patria Versicherungen, Dufourstrasse 40, Postfach, 9001 St. Gallen, Beschwerdegegnerin 1,
 
- Gebäudeversicherung des Kantons Luzern, Hirschengraben 19, 6003 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin 2, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Frank,
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
 
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, Postfach, 6002 Luzern.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; Beweiswürdigung,
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 14. Mai 2003.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern verurteilte A.________ am 25. April 2002 wegen mehrfacher Brandstiftung, Gehilfenschaft zu mehrfachem Betrug und mehrfachen Betrugsversuchs zu 2 ½ Jahren Zuchthaus und 7 Jahren bedingt vollziehbarer Landesverweisung. Es hielt für erwiesen, dass er im Auftrag von B.________ am 12. Februar 1997 die Einstellhalle von C.________ in Y.________ und am 28. Juli 1997 das Restaurant "F.________" in Z.________ abgebrannt und dafür von B.________ Entschädigungen von Fr. 3'000.-- bzw. Fr. 35'000.-- bezogen hatte. Letzterer war mit C.________ sowie mit D.________, welche (unabhängig voneinander) ihre Versicherungen betrügen wollten, übereingekommen, für sie die beiden Liegenschaften abbrennen zu lassen.
 
Das Obergericht verurteilte A.________ am 14. Mai 2003 wegen mehrfacher Brandstiftung im Sinne von Art. 221 Abs. 1 StGB zu 2 ½ Jahren Zuchthaus und zu 7 Jahren bedingt vollziehbarer Landesverweisung; im Übrigen sprach es ihn frei.
 
B.
 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 6. Oktober 2003 wegen Verletzung von Art. 8 und Art. 9 BV sowie von Art. 6 Ziff. 2 EMRK beantragt A.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben. Ausserdem ersucht er, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
 
C.
 
Mit Verfügung vom 4. November 2003 erkannte der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.
 
D.
 
Das Obergericht beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft beantragt, sie abzuweisen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Beim angefochtenen Entscheid des Obergerichts handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer ist durch die strafrechtliche Verurteilung in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt (Art. 88 OG), weshalb er befugt ist, die Verletzung verfassungsmässiger Rechte zu rügen. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde, unter dem Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c), einzutreten ist.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, die Beweise willkürlich zu seinen Lasten gewürdigt und den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt zu haben.
 
2.1 Bei der Beweiswürdigung geht der Schutz der von Art. 6 Ziff. 2 EMRK garantierten Rechtsregel "in dubio pro reo" nicht über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinaus. Zu prüfen ist daher im Folgenden, ob das Obergericht die Beweise willkürlich zu Lasten des Beschwerdeführers würdigte.
 
Willkürlich handelt ein Gericht, wenn es seinem Entscheid Tatsachenfeststellungen zugrunde legt, die mit den Akten in klarem Widerspruch stehen. Im Bereich der Beweiswürdigung besitzt der Richter einen weiten Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde nur ein, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Versehen beruht (BGE 124 I 208 E. 4a; 117 Ia 13 E. 2c; 18 E. 3c je mit Hinweisen).
 
2.2 Der Beschwerdeführer beruft sich weiter auf das Rechtsgleichheitsgebot von Art. 8 BV, begründet aber nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise, inwiefern dieses verletzt sein soll, und dies ist auch nicht ersichtlich. Darauf ist nicht einzutreten.
 
3.
 
Hauptbelastungsbeweis gegen den Beschwerdeführer ist die Aussage von B.________, welcher gestanden hat, im Auftrag der ebenfalls geständigen C.________ und D.________ das Abbrennen der Einstellhalle in Y.________ bzw. des Restaurants "F.________" in Z.________ organisiert und zu diesem Zwecke den Beschwerdeführer für die Brandlegungen angeheuert und instruiert zu haben.
 
3.1 Im Fall "F.________" geht das Obergericht auf Grund ihrer übereinstimmenden Geständnisse davon aus, dass B.________ den Auftrag von D.________ annahm, für ein Entgelt von Fr. 120'000.-- das Restaurant "F.________" abzubrennen. Hauptsächlich auf Grund des Geständnisses von B.________ geht das Obergericht weiter davon aus, dass dieser die Brandstiftung nicht selber ausführte, sondern vom Beschwerdeführer gegen ein Entgelt von Fr. 35'000.-- ausführen liess.
 
Im Fall der Liegenschaft "X.________" in Y.________ geht das Obergericht auf Grund ihrer übereinstimmenden Geständnisse davon aus, dass B.________ den Auftrag von C.________ annahm, für ein Entgelt von Fr. 5'000.-- dessen mit Oldtimern gefüllte Einstellhalle abzubrennen. Hauptsächlich auf Grund des Geständnisses von B.________ geht das Obergericht weiter davon aus, dass dieser die Brandstiftung nicht selber ausführte, sondern vom Beschwerdeführer gegen ein Entgelt von Fr. 3'000.-- ausführen liess.
 
3.2 Das Obergericht fand die Aussagen von B.________ in den wesentlichen Punkten glaubhaft (angefochtenes Urteil S. 11. ff.), da sie mit den Geständnissen der beiden Auftraggeber weitgehend übereinstimmten und das Vorgehen bei beiden Taten weitgehend widerspruchsfrei und mit vielen - auch ausgefallenen Einzelheiten - beschrieben. Es bescheinigte B.________ eine hohe Glaubwürdigkeit, da er nach seiner Verhaftung offensichtlich "reinen Tisch" habe machen wollen und die Strafverfolgungsbehörden von sich aus darüber informiert habe, dass er an der Brandstiftung in X.________ beteiligt war und welche Rolle er dabei spielte. Die Aussagen des Beschwerdeführers fand das Obergericht dagegen widersprüchlich, in weiten Teilen nicht nachvollziehbar und insgesamt lebensfremd (angefochtenes Urteil S. 8 ff.).
 
3.3 Der Beschwerdeführer kritisiert die obergerichtliche Beweiswürdigung etwa mit folgenden Rügen:
 
3.3.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, es gebe keine Zeugen, die ihn bei der Brandlegung beobachtet hätten. Dies ist dem Obergericht keineswegs entgangen. Es war jedoch gerade der Sinn des gewählten, arbeitsteiligen Vorgehens, dass die Auftraggeber D.________ und C.________ so wie der Mittelsmann B.________ bei den Brandlegungen nicht selber tätig werden mussten. Dass letzterer aussagte, er wisse nicht, ob der Beschwerdeführer die Brandstiftungen wirklich selber ausgeführt habe, gibt damit nur den Umstand wieder, dass er eben selber nicht auf den Brandplätzen anwesend war und die Ausführung der Taten nicht beobachtete. Das ändert aber nichts daran, dass beide Brände zeitlich exakt so gelegt wurden, wie sie B.________ nach seinem Geständnis bestellt hatte und dass es keinerlei konkrete Hinweise dafür gibt, dass nicht der Beschwerdeführer, sondern ein unbekannter Dritter und/oder sein verstorbener Onkel E.________ die Brände legten.
 
3.3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, das Obergericht gehe zu Unrecht davon aus, die Aussagen von B.________ seien widerspruchsfrei und deshalb glaubhaft. Dem Obergericht ist indessen nicht entgangen, dass die Aussagen von B.________ nicht völlig frei von Widersprüchen sind; es hat sich damit auseinandergesetzt und ist zum Schluss gekommen, dass sie nicht das Kerngeschehen, sondern Details betreffen und daher nicht geeignet sind, die Glaubhaftigkeit der Aussagen zu beeinträchtigen. Es hat sich auch mit der Frage beschäftigt, ob der Umstand, dass B.________ in einer polizeilichen Befragung die chronologische Abfolge der beiden Brände verwechselte, seine Darstellung der Taten insgesamt in Frage stellen würden und hat dies verneint. Es ist schlechterdings nicht ersichtlich, inwiefern diese einmalige Verwechslung einen Beweis dafür bilden sollte, dass B.________ "ein grosses Lügengebäude aufbauschte", um den Beschwerdeführer "reinzulegen". Die Erklärung des Obergerichts, dieser sei 2 ½ Jahre nach den Taten einer (einmaligen) irrtümlichen Verwechslung unterlegen, ist ohne weiteres haltbar und zudem um einiges plausibler als die gesuchte Interpretation des Beschwerdeführers.
 
3.3.3 Der Beschwerdeführer wendet ein, wenn das Obergericht auf Seite 8 seines Urteils festhalte, seine Beteuerungen, nichts mit dem Brand des Restaurants "F.________" zu tun zu haben, seien unglaubhaft, so sei damit noch nicht erwiesen, dass er tatsächlich der Brandstifter gewesen sei. Das trifft zu, doch hat das Obergericht diesen Schluss gar nicht gezogen, sondern daraus nur abgeleitet, dass er damit die Aussagen von B.________ nicht entkräften könne, und dieser Schluss ist offensichtlich nicht unhaltbar.
 
3.3.4 Was der Beschwerdeführer mit diesen und weiteren Rügen in dieser Art gegen die obergerichtliche Beweiswürdigung vorbringt, ist nicht geeignet, diese als willkürlich erscheinen zu lassen. Er kritisiert zwar die vorinstanzliche Beweiswürdigung in verschiedenster Hinsicht und hält ihr seine Sicht der Dinge entgegen, weist indessen weder konkret nach, dass und inwiefern einzelne Folgerungen des Obergerichts offensichtlich unhaltbar sind, noch dass das Beweisergebnis durch das Zusammenwirken mehrerer, für sich allein betrachtet weniger gravierender Fehler bei der Beweiswürdigung unhaltbar erscheint. Dies erstaunt denn auch nicht weiter, hält doch die Beweiswürdigung des Obergerichts einer Willkürprüfung offensichtlich stand; es kann auf dessen Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden. Soweit auf Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht eingegangen wird, handelt es sich wie bei den drei in E. 3.3.1 - 3.3.3 beispielhaft abgehandelten Rügen um appellatorische, in der staatsrechtlichen Beschwerde unzulässige Kritik. Darauf ist nicht einzutreten.
 
3.4 Nicht einzutreten ist ebenfalls auf den Vorwurf, das Obergericht sei in Willkür verfallen, indem es den Beschwerdeführer von verschiedenen Vorwürfen freigesprochen, das erstinstanzliche Strafmass indessen nicht gesenkt habe. Die Frage der Strafzumessung ist eine solche des Bundesstrafrechts und damit mit Nichtigkeitsbeschwerde aufzuwerfen; im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde ist eine derartige Rüge unzulässig (Art. 84 Abs. 2 OG). Sie würde im Übrigen den für das Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde geltenden Begründungsanforderungen nicht genügen.
 
4.
 
4.1 Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid die Einziehung des beim Beschwerdeführer sichergestellten Bargeldbetrages von Fr. 19'900.-- zur Deckung der Verfahrenskosten nach § 119 der Strafprozessordnung des Kantons Luzern vom 3. Juni 1957 (StPO) und zur Einziehung des Restbetrages nach Art. 59 Ziff. 1 StGB angeordnet.
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, dies sei willkürlich. § 119 StPO lasse die Beschlagnahme von Vermögenswerten nur zu, wenn die Gefahr bestehe, dass der Angeschuldigte fliehe oder Vermögenswerte verschwinden lasse. Beides sei nicht der Fall. Das Geld gehöre zudem nicht ihm, er müsse es dem rechtmässigen Eigentümer zurückgeben; das Obergericht habe in willkürlicher Weise angenommen, es handle sich um "Verbrechenslohn", der der Einziehung unterliege.
 
4.2 Strittig ist vorliegend die Einziehung des beschlagnahmten Geldes, nicht dessen strafprozessuale Beschlagnahme zu Sicherungszwecken, die schon längst erfolgte und gegen die der Beschwerdeführer nach § 119 Abs. 3 StPO bei der Kriminal- und Anklagekommission hätte rekurrieren können. Es ist daher nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Beschlagnahme nach § 119 StPO gegeben waren oder nicht; insoweit der Beschwerdeführer rügt, diese seien nicht erfüllt, geht seine Beschwerde an der Sache vorbei. Nicht ersichtlich und vom Beschwerdeführer nicht dargetan ist unter diesen Umständen, inwiefern es verfassungswidrig sein sollte, das beschlagnahmte Geld zur Deckung der Gerichtskosten einzuziehen.
 
Das Obergericht hat sodann im angefochtenen Entscheid S. 10 f. eingehend dargelegt, weshalb es die beschlagnahmte Summe als "Verbrechenslohn" ansieht; der Beschwerdeführer behauptet einfach, dies sei willkürlich, ohne sich mit dieser Begründung im Einzelnen auseinanderzusetzen; darauf ist nicht einzutreten (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Ob schliesslich der Restbetrag als "Verbrechenslohn" eingezogen werden kann, beurteilt sich nach Art. 59 StGB, dessen Verletzung mit staatsrechtlicher Beschwerde nicht geltend gemacht werden kann (vgl. oben E. 3.4).
 
5.
 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 12. Januar 2004
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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