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Informationen zum Dokument  BGer 2A.256/2003  Materielle Begründung
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BGer 2A.256/2003 vom 08.01.2004
 
Tribunale federale
 
{T 1/2}
 
2A.256/2003 /zga
 
Urteil vom 8. Januar 2004
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
 
Bundesrichter Hungerbühler, Bundesrichterin Yersin, Bundesrichter Merkli, Ersatzrichter Camenzind,
 
Gerichtsschreiber Uebersax.
 
Parteien
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Ferrero (Schweiz) AG, Baarerstrasse 82, 6300 Zug,
 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Ernst & Young AG, Bleicherweg 21, 8022 Zürich,
 
Eidgenössische Steuerrekurskommission,
 
Avenue Tissot 8, 1006 Lausanne.
 
Gegenstand
 
Mehrwertsteuer (Steuersatz),
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission
 
vom 25. April 2003.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Bei der Ferrero (Schweiz) AG handelt es sich um eine seit dem 29. November 1996 unter dieser Firma im Handelsregister des Kantons Zug eingetragene Aktiengesellschaft. Mit diesem Datum erfolgte die Firmenänderung von Miralbana AG in Ferrero (Schweiz) AG. Die Gesellschaft bezweckt den An- und Verkauf sowie die Herstellung von Lebensmitteln aller Art, insbesondere von Süsswaren. Die Gesellschaft ist seit dem 1. Januar 1995 im Register für Mehrwertsteuerpflichtige eingetragen.
 
B.
 
Mit Brief vom 20. Februar 1995 informierte sich die Miralbana AG bei der Eidgenössischen Oberzolldirektion (OZD) über die abgabenrechtliche Behandlung des aus dem Ausland importierten Produktes "Kinder Überraschung" bezüglich Zoll und Mehrwertsteuer. Bei diesem Produkt handelt es sich um ein Schokoladenei, das im Innern einen kleinen Spielzeuggegenstand als Überraschung enthält. Die Oberzolldirektion teilte der Miralbana AG am 9. März 1995 mit, dass es sich bei den zur Diskussion stehenden Produkten um eine Warenkombination handle. Diese sei als Ganzes zum reduzierten Mehrwertsteuersatz abzurechnen, nachdem der Lebensmittelanteil mehr als 90% des Gesamtpreises ausmache. In der Folge teilte die Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, am 9. August 2000 der Alleinvertreterin dieser Produkte, der Alimarca AG, mit, sie rechne die Warenkombination "Kinder Überraschung" fälschlicherweise zum reduzierten Steuersatz anstatt zum Normalsatz ab. Eine Abrechnung zum Minimalsatz sei im Sinne einer Vereinfachung nur dann möglich, wenn die zum Minimalsatz steuerbaren Gegenstände wertmässig weit überwiegen, d.h. mehr als 90% des Gesamtentgeltes ausmachen würden. Die Ferrero (Schweiz) AG erklärte sich mit diesem Befund nicht einverstanden. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2000 bezeichnete die Oberzolldirektion ihre Auskunft vom 9. März 1995 als ungültig, weil sie davon ausgegangen sei, dass die zum Normalsatz zu besteuernden Komponenten wertmässig weniger als 10% des Gesamtentgeltes ausmachten, was nicht mehr zutreffe.
 
In der Folge führte die Eidgenössische Steuerverwaltung im Januar 2001 bei der Ferrero (Schweiz) AG für die Steuerperioden 1/1995 bis 3/2000 eine Steuerprüfung durch. Anschliessend nahm sie eine Ergänzungsabrechnung (Nr. 128'436) vor, welche die Nachbelastung eines Steuerbetrages von CHF 2'316'666.-- nebst Verzugszins von 5% ergab. Dieser Betrag wurde mit Entscheid vom 17. April 2001 bestätigt. Dagegen erhob die Ferrero (Schweiz) AG am 22. Mai 2001 Einsprache, welche die Eidgenössische Steuerverwaltung mit Einspracheentscheid vom 15. Februar 2002 abwies, soweit sie darauf eintrat.
 
C.
 
Am 20. März 2002 focht die Ferrero (Schweiz) AG den Einspracheentscheid mit Beschwerde bei der Eidgenössischen Steuerrekurskommission an. Diese hiess die Beschwerde mit Urteil vom 25. April 2003 teilweise, d.h. für die bis zum 9. August 2000 erzielten Umsätze mit "Kinder Überraschung" gut. Für die Umsätze in der Zeit vom 10. August bis zum 30. September 2000 wies sie die Beschwerde hingegen ab. Die Sache wurde zur Berechnung der Nachforderung und zur Fällung eines neuen Entscheides an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
In ihrem Urteil kam die Steuerrekurskommission zum Schluss, dass es sich beim Verkauf des Produkts "Kinder Überraschung" um ein ganzes Leistungspaket handle, welches folgende drei Leistungskomponenten enthalte: Die Lieferung von Schokolade, die Lieferung eines Spielzeuges sowie die Vermittlung eines Überraschungseffektes. Infolge Leistungseinheit dieser Komponenten sei eine Aufteilung der Leistungsarten in verschiedene Steuersätze nicht möglich. Bei der Bestimmung des anwendbaren Steuersatzes sei auf die charakteristische Leistung des Produkts abzustellen. Bei der Beurteilung dieser Frage schloss die Steuerrekurskommission, dass neben dem qualitativen Argument, wonach der Kauf der Schokolade für den Erwerb der "Kinder Überraschung" nicht im Vordergrund stehe, auch quantitative Überlegungen dazu führten, dass nicht der Minimalsatz zur Anwendung komme. Die Steuerrekurskommission ist demnach zum Ergebnis gelangt, die Lieferung der "Kinder Überraschung" gelte nicht als Leistung im Bereich des täglichen Bedarfs, der aus sozialpolitischen Gründen dem reduzierten Satz unterstellt sei. Für die bis zum 9. August 2000 erzielten Umsätze mit "Kinder Überraschung" sei aber aus Gründen des Vertrauensschutzes dennoch der reduzierte Satz anwendbar, weil sich die Steuerpflichtige damals auf die entsprechende schriftliche Auskunft der Oberzolldirektion habe stützen können.
 
D.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht beantragt die Eidgenössische Steuerverwaltung, der Entscheid der Steuerrekurskommission sei aufzuheben, soweit er die Gutheissung bezüglich der bis zum 9. August 2000 erzielten Umsätze mit "Kinder Überraschung" betreffe, und der Einspracheentscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 15. Februar 2002 sei im Sinne der Ausführungen in der Beschwerdeschrift zu bestätigen.
 
Die Ferrero (Schweiz) AG stellt den Antrag, die Beschwerde abzuweisen und den Entscheid der Vorinstanz zu bestätigen. Die Eidgenössische Steuerrekurskommission hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Der angefochtene Entscheid unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (Art. 54 Abs. 1 der Verordnung vom 22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer [MWSTV; AS 1994 1464] bzw. Art. 66 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer [MWSTG; SR 641.20]).
 
1.2 Art. 30 Abs. 3 OG sieht die Rückweisung von übermässig weitschweifigen Eingaben zur Verbesserung vor. Die Beschwerdeschrift der Eidgenössischen Steuerverwaltung umfasst insgesamt 28 Seiten und enthält von Seite 5 bis Seite 16 eine ausführliche Sachverhaltsdarstellung. Auch wenn fraglich erscheint, ob diese Darstellung für die Beurteilung des vorliegenden Falles in allen Teilen erforderlich ist, erweist sie sich doch noch nicht als übermässig weitschweifig im Sinne von Art. 30 Abs. 3 OG, wie die Beschwerdegegnerin meint.
 
2.
 
2.1 Die Eidgenössische Steuerverwaltung ist grundsätzlich zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt (Art. 54 Abs. 2 MWSTV bzw. Art. 66 Abs. 2 MWSTG; Art. 103 lit. b OG). Ihre Legitimation soll die richtige und einheitliche Anwendung des Bundesrechts sicherstellen und ist an keine besonderen Voraussetzungen gebunden; namentlich muss die Eidgenössische Steuerverwaltung kein schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 103 lit. a OG nachweisen (BGE 125 II 326 E. 2c S. 329; 123 II 16 E. 2c S. 21 f.).
 
2.2 Für die Beschwerdegegnerin erscheint die Legitimation der Eidgenössischen Steuerverwaltung deshalb fraglich, weil es im vorliegenden Fall nicht um die einheitlich richtige Umsetzung des Bundesrechts gehe, da die grundsätzliche Anwendbarkeit des Normalsatzes gar nicht mehr umstritten sei; der einzig noch strittigen, nur zwischen den Parteien anwendbaren Auslegungsfrage des Gutglaubensschutzes komme keine präjudizielle Bedeutung zu.
 
2.3 Die Beschwerdegegnerin verkennt, dass der Streitgegenstand im vorliegenden Fall unter dem Gesichtspunkt des Bundesrechts zu beurteilen ist. Auch bei der grundsätzlich einzig noch umstrittenen Frage der rechtlichen Bedeutung von behördlichen Zusicherungen (Gutglaubensschutz) handelt es sich um Verfassungsrecht und somit um Bundesrecht (Art. 5 Abs. 3 BV bzw. Art. 9 BV), dessen einheitliche und richtige Anwendung durch die Eidgenössische Steuerverwaltung gerügt werden kann. Die Beantwortung dieser Frage zeitigt im Übrigen gerade auf den vorliegenden Fall Auswirkungen und hat durchaus auch darüber hinausreichende Bedeutung. Die Eidgenössische Steuerverwaltung ist demnach zur Erhebung der Beschwerde legitimiert.
 
3.
 
3.1 Im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann ein Verstoss gegen Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und lit. b OG). An die Sachverhaltsfeststellung des angefochtenen Entscheids ist das Bundesgericht allerdings dann gebunden, wenn es sich - wie im vorliegenden Fall - bei der Vorinstanz um eine richterliche Behörde handelt. Vorbehalten bleibt, dass der Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 OG).
 
Neue tatsächliche Vorbringen und neue Beweismittel sind deshalb im Verfahren vor Bundesgericht weitgehend ausgeschlossen. Zulässig sind nach der Rechtsprechung nur neue Beweismittel, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte erheben sollen und deren Nichterhebung eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 121 II 97 E. 1c S. 99 f., mit Hinweisen; Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, Rz. 942). Im Verfahren vor Bundesgericht können dagegen neue Rechtsbehauptungen (rechtliche Nova) vorgebracht werden, weil das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen anzuwenden hat (Art. 114 Abs. 1 OG). Unzulässig sind einzig neue Rechtsbegehren, die ausserhalb des Streitgegenstandes liegen (Kölz/ Häner, a.a.O., Rz. 612).
 
3.2 Die Beschwerdegegnerin macht in diesem Zusammenhang geltend, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung im Verfahren vor Bundesgericht mit den eingereichten Akten Beweismittel anrufe, welche einerseits im Verfahren vor der Steuerrekurskommission nicht vorgebracht und andererseits über 14 Jahre alt seien. Im Einzelnen betrifft dies zwei Schreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 23. März 1989 und vom 18. Mai 1989 sowie zwei Ergänzungsabrechnungen, welche im Rahmen der früheren Ordnung der Warenumsatzsteuer vorgenommen wurden und vom 18. Mai 1989 und 24. Juli 1989 datieren.
 
Bei diesen von der Beschwerdeführerin vor Bundesgericht eingereichten Unterlagen handelt es sich um neue Beweismittel, mit denen die Eidgenössische Steuerverwaltung belegen will, schon unter dem Recht der Warenumsatzsteuer habe gegolten, dass es sich bei den zu beurteilenden Schokoladeneiern mit Zugabeartikeln um eine Warenkombination handle. Als Beweismittel, welche erstmals vor Bundesgericht eingereicht werden, sind sie nicht zu beachten, nachdem das Bundesgericht an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gebunden ist und es sich nicht um Beweise handelt, welche von der Vorinstanz von Amtes wegen hätten erhoben werden müssen. Die eingereichten Unterlagen sind für das vorliegende Verfahren auch nicht erheblich, nachdem hier einzig die Verletzung von Bundesrecht zu prüfen ist, das sich auf den Zeitraum bezieht, während dem die Mehrwertsteuerverordnung in Kraft war, d.h. für die Zeit vom 1. Januar 1995 (Art. 86 MWSTV) bis zum 31. Dezember 2000 (Art. 97 MWSTG; BBl 1999 7479). Demnach kann hier offen bleiben, wie die Frage unter dem Recht der Warenumsatzsteuer zu beurteilen war und ob die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorgebrachten Sachverhaltsdarstellungen zutreffen oder ob diese mit dem Sachverhalt nicht übereinstimmen, wie die Beschwerdegegnerin ausführt.
 
4.
 
Am 1. Januar 2001 sind das Mehrwertsteuergesetz (MWSTG) und die zugehörige Verordnung vom 29. März 2000 (MWSTGV; SR 641.201) in Kraft getreten. Diese Erlasse finden indessen auf die vorliegende Streitigkeit keine Anwendung, stellen sich hier doch einzig Fragen des früheren Rechts (vgl. Art. 93 und Art. 94 MWSTG).
 
5.
 
5.1 Unter den Beteiligten ist umstritten, ob die Beschwerdegegnerin in ihrem Vertrauen auf die Auskunft der Oberzolldirektion vom 9. März 1995, wonach für die Berechnung der zu leistenden Mehrwertsteuer grundsätzlich der Minimalsatz zur Anwendung gelange, zu schützen sei.
 
5.2 Nach dem heute in Art. 9 BV ausdrücklich verankerten (und früher aus Art. 4 aBV abgeleiteten) Grundsatz von Treu und Glauben kann eine (selbst unrichtige) Auskunft, welche eine Behörde dem Bürger erteilt, unter gewissen Umständen Rechtswirkungen entfalten. Voraussetzung (vgl. dazu BGE 125 I 267 E. 4c S. 274; 121 Il 473 E. 2c S. 479, mit Hinweis; Christoph Rohner, in: St. Galler Kommentar zur schweizerischen Bundesverfassung, Zürich 2002, Art. 9 BV, N 52, mit Literaturhinweisen) dafür ist, dass sich die Auskunft der Behörde:
 
a) auf eine konkrete, den Bürger berührende Angelegenheit bezieht;
 
b) dass die Amtsstelle, welche die Auskunft gegeben hat, hiefür zuständig war oder der Bürger sie aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte;
 
c) dass der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres hat erkennen können;
 
d) dass er im Vertrauen hierauf nicht ohne Nachteil rückgängig zu machende Dispositionen getroffen hat;
 
e) und dass die Rechtslage zur Zeit der Verwirklichung noch die gleiche ist wie im Zeitpunkt der Auskunftserteilung. Indessen steht selbst dann, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, nicht fest, ob der Steuerpflichtige mit seiner Berufung auf Treu und Glauben durchdringen kann. Das Interesse an der richtigen Durchsetzung des objektiven Rechts und dasjenige des Vertrauensschutzes müssen gegeneinander abgewogen werden. Überwiegt das öffentliche Interesse an der Anwendung des positiven Rechts, muss sich der Bürger dem unterziehen (BGE 116 Ib 185 E. 3c S. 187).
 
6.
 
6.1 Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass es sich bei der Auskunft der Oberzolldirektion vom 20. Februar 1995, welche gestützt auf die Anfrage der Miralbana AG vom 20. Februar 1995 erteilt wurde, um eine konkrete, die Gesellschaft berührende Angelegenheit handelte. Unbestritten ist ferner, dass die Beschwerdegegnerin für sich nachteilige Dispositionen traf, indem sie in den fraglichen Steuerperioden die Inlandsteuer zum reduzierten Satz abrechnete und demnach zu wenig Steuern bezahlte, was nicht ohne Einfluss auf die Preiskalkulation bleiben konnte, und dass überdies die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung nicht geändert wurde.
 
Zu prüfen ist dagegen, ob die Oberzolldirektion für die Erteilung der Auskunft zuständig war bzw. ob die Miralbana AG diese aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte.
 
6.2 Für die Frage der Zuständigkeit der Oberzolldirektion ist auf die Kompetenzverteilung bei der Umsetzung der Mehrwertsteuer zurückzugreifen.
 
6.2.1 Die Erhebung der Einfuhrsteuer obliegt der Eidgenössischen Zollverwaltung (Art. 75 Abs. 1 MWSTV; Art. 82 Abs. 1 MWSTG), welche hierfür die erforderlichen Anordnungen und Entscheide trifft. Sie ist demnach im Rahmen ihrer Vollzugskompetenz zur Erteilung von verbindlichen Auskünften zuständig. Demgegenüber ist für die Erhebung der Inlandsteuer die Eidgenössische Steuerverwaltung (Hauptabteilung Mehrwertsteuer) verantwortlich (Art. 42 MWSTV; Art. 52 MWSTG). Die Einfuhrsteuer unterscheidet sich in verschiedener Hinsicht von der Inlandsteuer. Wesentliche Unterschiede findet man beim Steuerobjekt sowie der subjektiven Steuerpflicht, aber auch beim Erhebungsverfahren. So ist im Gegensatz zur Inlandumsatzsteuer Entgeltlichkeit für die Erhebung der Einfuhrsteuer nicht erforderlich und der Steuergegenstand knüpft stark an das Zollrecht an. Im Übrigen beruht auch die Erhebung der Steuer auf einem unterschiedlichen Verfahren. Während dieses bei der Inlandumsatzsteuer ausschliesslich auf die Selbstdeklaration der Steuerpflichtigen abstellt, basiert das Verfahren bei der Importsteuer auf einem gemischten Veranlagungsverfahren (Alois Camenzind/Niklaus Honauer/Klaus A. Vallender, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz, 2. Aufl., Bern 2003, Rz. 1806 ff.). Der Gesetzgeber hat deshalb die beiden Steuerarten sowohl in der Mehrwertsteuerverordnung als auch im Mehrwertsteuergesetz in unterschiedlichen Titeln geregelt (die Steuer auf den Umsätzen im Inland im 2. Titel und die Steuer auf der Einfuhr im 3. Titel). Damit kommt der unterschiedliche Charakter der beiden Steuerarten unmissverständlich zum Ausdruck. Diesem Umstand hat die Eidgenössische Steuerverwaltung auch in der im Herbst 1994 herausgegebenen Wegleitung für die Mehrwertsteuerpflichtigen Rechnung getragen und die Weisungen zu den Lieferungen und Dienstleistungen im Inland in den 2. Teil (Ziffer 111 bis 691) bzw. diejenigen für die Einfuhrsteuer in den 3. Teil (Ziffer 701 bis 723) aufgenommen.
 
Aufgrund dieser Bestimmungen ist klar, dass die Oberzolldirektion nicht zur Erteilung von Auskünften über die Inlandsteuer zuständig ist. Sie kann deshalb nur zu Fragen Stellung nehmen, welche die Einfuhrsteuer betreffen. Handelt es sich dagegen um Fragen, die wie im vorliegenden Fall sowohl die Einfuhr als auch die Inlandsteuer betreffen, sind entsprechende Vorbescheide grundsätzlich bei beiden Behörden einzuholen. Dies ergibt sich aus dem vom schweizerischen Gesetzgeber gewählten System mit der separaten Regelung der Einfuhr und der Inlandsteuer.
 
6.2.2 Für den konkreten Fall verhält es sich demnach so, dass die Oberzolldirektion mit ihrer Auskunft sich nur zur Frage der Einfuhrsteuer äussern konnte und durfte, wogegen für die hier interessierenden Fragen der Inlandumsatzsteuer (Ausgangsumsätze der Beschwerdegegnerin) die Eidgenössische Steuerverwaltung zuständig war.
 
6.3 Bei der Beantwortung der Frage, ob die Miralbana AG die Oberzolldirektion aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte und davon ausgehen konnte, dass sich diese auch tatsächlich zur Frage der Inlandsteuer geäussert hat, kommt es wesentlich auf die konkrete Anfrage und Antwort an.
 
6.3.1 Im Schreiben vom 20. Februar 1995 an die Oberzolldirektion legte die Miralbana AG dar, es handle sich bei ihr um eine Gesellschaft der Ferrero Gruppe, deren Zweck im Import von Lebensmitteln in die Schweiz bestehe. Ihre Einfuhren stammten zum grössten Teil aus Italien bzw. aus Belgien und Deutschland. Sie würden in der Schweiz durch einen Distributor, die Alimarca AG, Burgdorf, vertrieben. Zu diesen Importgütern zähle unter anderem das Produkt "Kinder Überraschung", welches aus einem Ei mit Überraschungsinhalt bestehe. Mit ihrem Schreiben verlangte die Miralbana AG eine Beurteilung der steuerlichen Konsequenzen für die in den nächsten Tagen einzuführenden Produkte "Kinder Sorpresa (e K. Gran Sorpresa)", wobei sie die Meinung vertrat, dass diese Produkte dem reduzierten Mehrwertsteuersatz von 2% zu unterstellen seien. Zusammenfassend hielt die Miralbana AG dies in ihrem Schreiben wie folgt fest:
 
A. il prodotto Kinder Sorpresa (e K. Gran Sorpresa) sia classificato come prodotto alimentare costituente un tutt'uno (e quindi non come prodotto combinato) sotto la voce doganale 18.06.90.
 
B. ai fini TVA venga sottoposto all'aliquota del 2%.
 
C. in subordina venga ammesso alle aliquota TVA ridotta, in funzione della previsione 412 della istruzioni TVA, in quanto la sorpresa, nella sua intera gamma, ha un valore inferiore al 10% rispetto alle controprestazione totale. "
 
In der Folge teilte die Oberzolldirektion der Miralbana AG im Antwortbrief vom 9. März 1995 unter anderem mit:
 
"Per quanto concerne l'imposta sul valore aggiunto, l'uvo di cioccolato e il giocattolino in esso racchiuso sono considerati una combinazione di beni. L'uovo di cioccolato soggiace all'aliquota d'imposta ridotta del 2%, mentre la sorpresa e imponibile all'aliquota del 6,5%. Visto che secondo le vostre indicazioni e le fatture presentati il valore del prodotto commestibile ascende a più del 90% del prezzo complessivo, il tutto soggiace all aliquota d'imposta ridotta del 2%.
 
Questa informazione tariffale perde la sua validità dopo 8 anni al più tardi, oppure se sono midificate le basi legali applicate."
 
6.3.2 Aus diesem Schriftenwechsel mit der Oberzolldirektion geht eindeutig hervor, dass es sich um eine Anfrage handelte, welche ausschliesslich im Zusammenhang mit der Einfuhr der "Kinder Überraschungen" stand, und dass sich auch die Antwort auf die Importsteuer beschränkte, nachdem diese in unmittelbarem Zusammenhang mit der Anfrage vom 20. Februar 1995 steht. Diese Auffassung scheint auch die Beschwerdeführerin zu teilen, welche in Ihrer Einspracheschrift die deutsche Übersetzung wiedergibt und diese wie folgt beginnt: "Für die Einfuhrsteuer gilt: ...".
 
Dass die von der Oberzolldirektion abgegebene Auskunft auch die Inlandumsatzsteuer umfasste, ergibt sich weder aus dem Schriftenwechsel noch aus den gesetzlichen Grundlagen (Mehrwertsteuerverordnung und Wegleitung), welche die Oberzolldirektion kannte bzw. kennen musste. Aufgrund der oben dargelegten Gesetzesbestimmungen und deren Systematik ist für die schweizerische Mehrwertsteuer davon auszugehen, dass für die Beurteilung der Importsteuer die Zolldirektion und für die Inlandsteuer die Eidgenössische Steuerverwaltung zuständig ist (vgl. E. 6.2). Dies ist auch aus der Wegleitung 1994 ersichtlich (vgl. Rz 101, 719 und 721). Die Beschwerdegegnerin durfte daher aufgrund dieser Grundlagen nicht davon ausgehen, dass die von der Oberzolldirektion für die Einfuhrsteuer erteilte Auskunft auch für die Inlandsteuer Gültigkeit hatte. Für diese liegt keine Antwort vor, nachdem keine entsprechende Anfrage gestellt wurde.
 
Für die Oberzolldirektion bestand unter den gegebenen Umständen zudem auch keine Veranlassung, die Miralbana AG darauf hinzuweisen, dass sie für die Inlandsteuer an die Eidgenössische Steuerverwaltung gelangen müsse, beschränkte sich doch die Anfrage ausdrücklich auf Fragen im Zusammenhang mit dem Import der "Kinder Überraschungen".
 
6.4 Die Vorinstanz begründet den Vertrauensschutz betreffend der Auskunft der Oberzolldirektion damit, dass für die Einfuhr- und Inlandsteuersätze die gleichen Kriterien gälten und es demnach objektiv unmöglich sei, "dass die Einfuhr eines Gegenstandes einem anderen Mehrwertsteuersatz unterliegt als der nachfolgende Umsatz im Inland des nämlichen, unveränderten Gegenstandes." Im Weiteren habe die Steuerpflichtige die Unrichtigkeit der Auskunft auch nicht erkennen können, nachdem die rechtliche Qualifikation der fraglichen Umsätze nicht kontrovers gewesen sei.
 
6.4.1 Es trifft zu, dass der reduzierte Steuersatz gemäss Art. 70 Bst. a MWSTV für die Einfuhrsteuer gleich festgelegt wird wie derjenige der Inlandsteuer. Demnach sollten für reine Handelsgüter, welche importiert und unverändert weiterveräussert werden, für die Import- wie auch für die Inlandsteuer die gleichen Steuersätze zur Anwendung kommen. Wie der vorliegende Streitfall zeigt, ist es dabei aber objektiv nicht unmöglich, dass die Oberzolldirektion und die Eidgenössische Steuerverwaltung bei der Frage, ob die hier zur Diskussion stehenden "Kinder Überraschungen" zum Normal- oder reduzierten Satz zu besteuern sind, zu einer unterschiedlichen Beurteilung kommen können. Dass bei der Lösung eines solchen - nicht erwünschten - Qualifikationskonfliktes derjenigen Behörde Priorität zukommt, die über den Import der Waren zu befinden hat, oder derjenigen, die zuerst über die Frage zu urteilen hat, ergibt sich weder aus den gesetzlichen Grundlagen noch aus den Materialien. Ein solcher Konflikt ist gegebenenfalls durch gegenseitige Absprache bzw. durch rechtzeitiges Ergreifen von Rechtsmitteln zu lösen.
 
Im vorliegenden Fall konnte und musste sich die Eidgenössische Steuerverwaltung zur Frage des Inlandsteuersatzes gar nicht äussern, weil sie diesbezüglich von der Steuerpflichtigen nicht angegangen wurde. Eine Vertrauensgrundlage bestand somit für die Beschwerdegegnerin nicht.
 
6.4.2 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich bei der im Jahre 1995 eingeführten Mehrwertsteuer um eine neue Steuer handelte, deren Anwendungsmodalitäten noch nicht in allen Teilen klar waren. Auch bei nur summarischem Studium von Gesetz und Wegleitung fällt auf, dass für die Einfuhr- und für die Inlandumsatzsteuer unterschiedliche Behörden zuständig sind. Schliesslich ist die Rechtslage im Ergebnis auch nicht anders, wenn davon auszugehen wäre, dass die Miralbana AG in guten Treuen annehmen durfte, die Oberzolldirektion sei zur Auskunft befugt gewesen und diese habe sich auch zur Inlandsteuer geäussert; diesfalls muss der Miralbana AG nämlich entgegen gehalten werden, es sei für sie subjektiv erkennbar gewesen, dass sich die Oberzolldirektion nur im Zusammenhang mit der Einfuhrsteuer zum anwendbaren Satz äusserte und für die Inlandsteuer weder eine Frage noch eine Antwort vorlag.
 
6.5 Zusammenfassend ist demnach davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall mit der Auskunft der Oberzolldirektion kein schutzwürdiges Vertrauen bezüglich der Inlandsteuer begründet wurde. Gründe des Vertrauensschutzes führen daher nicht dazu, dass der reduzierte Steuersatz Anwendung findet.
 
Es könnte sich somit einzig noch fragen, ob die grundsätzliche Feststellung der Vorinstanz, die Warenkombination "Kinder Überraschung" sei als Ganzes zum Normalsatz zu versteuern, dem Bundesrecht entspricht. Vor dem Bundesgericht wird dies aber von keiner Seite mehr in Frage gestellt, und es besteht kein Grund, an der Richtigkeit dieser rechtlichen Folgerung der Vorinstanz zu zweifeln. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, mit der Vorinstanz festzuhalten, dass es sich bei der "Kinder Überraschung" um eine Warenkombination handelt, die grundsätzlich zum Normaltarif zu versteuern ist (vgl. dazu Wegleitung 1994, Rz. 412 ff., insbes. 414).
 
7.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Eidgenössischen Steuerverwaltung erweist sich demnach als begründet und ist gutzuheissen. Gleichzeitig ist der angefochtene Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission aufzuheben und der Einspracheentscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung zu bestätigen.
 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Anspruch auf Parteientschädigung besteht nicht (Art. 159 Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission vom 25. April 2003 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 15. Februar 2002 wird bestätigt.
 
2.
 
Die Kosten des Verfahrens vor der Eidgenössischen Steuerrekurskommission von Fr. 10'000.-- werden der Ferrero (Schweiz) AG auferlegt.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr für das bundesgerichtliche Verfahren von Fr. 18'000.-- wird der Ferrero (Schweiz) AG auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und der Eidgenössischen Steuerrekurskommission schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 8. Januar 2004
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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