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Informationen zum Dokument  BGer 5C.204/2002  Materielle Begründung
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BGer 5C.204/2002 vom 18.12.2002
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5C.204/2002 /bnm
 
Urteil vom 18. Dezember 2002
 
II. Zivilabteilung
 
Bundesrichter Bianchi, Präsident,
 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
 
Gerichtsschreiber Schett,
 
A.________ (Ehemann),
 
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roman Bögli, Toggenburgerstrasse 31, 9532 Rickenbach b. Wil,
 
gegen
 
B.________ (Ehefrau),
 
Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwältin Franciska Hildebrand, Engelgasse 2, 9004 St. Gallen.
 
Abänderung des Scheidungsurteils,
 
Berufung gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, II. Zivilkammer, vom 19. August 2002.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Bezirksgericht Gossau hiess die von A.________ (Ehemann) erhobene Klage auf Abänderung des Scheidungsurteils vom 20. Januar 1995 mit Entscheid vom 8. Juni 2001 teilweise gut und setzte den nachehelichen Unterhaltsbeitrag an B.________ (Ehefrau) mit Wirkung ab 15. November 2000 auf Fr. 500.-- herab. Dagegen erhob A.________ Berufung und B.________ Anschlussberufung, worauf das Kantonsgericht St. Gallen mit Urteil vom 19. August 2002 jenen verpflichtete, dieser ab 1. Dezember 2000 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 900.-- bis zum Erlöschen der Unterhaltspflicht für den Sohn C.________ (geb. 19. September 1983) und alsdann von Fr. 400.-- bis Ende Dezember 2011 zu bezahlen.
 
B.
 
A.________ hat gegen das Urteil des Kantonsgerichts staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Berufung erhoben. Mit dieser beantragt er die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, die Herabsetzung des Unterhaltsbeitrags gegenüber der Beklagten ab November 2000 auf Fr. 500.-- und die Beseitigung der Unterhaltsverpflichtung ab dem Zeitpunkt, da die Beklagte gegenüber dem Sohn C.________ keine Unterhaltsbeiträge mehr zu bezahlen habe. Eventualiter begehrt er, die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Eine Berufungsantwort wurde nicht eingeholt.
 
C.
 
Mit Urteil vom heutigen Tag ist das Bundesgericht auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Werden - wie hier - Unterhaltsbeiträge an die geschiedene Ehefrau durch Berufung an das Bundesgericht weitergezogen, so liegt eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 46 OG vor, mit der Folge, dass die Zulässigkeit der Berufung vom Streitwert abhängt (BGE 116 II 493 E. 2b). Bei Kapitalisierung der vorliegend zur Diskussion stehenden Unterhaltsbeiträge ist die in der genannten Vorschrift verlangte Streitsumme erreicht, so dass aus dieser Sicht auf die Berufung eingetreten werden kann.
 
2.
 
Gemäss Art. 7a Abs. 3 SchlT ZGB gelangt vorliegend Art. 153 aZGB zur Anwendung, der unter bestimmten Voraussetzungen die Aufhebung oder Herabsetzung einer Bedürftigkeitsrente vorsieht. Nach gefestigter Rechtsprechung unterliegen indessen alle Unterhaltsrenten, ob sie auf Art. 151 oder 152 aZGB beruhen, der Herabsetzung gemäss Abs. 2 von Art. 153 aZGB (vgl. dazu BGE 117 II 359 E. 4 S. 363 ff.).
 
3.
 
Im Rahmen des Berufungsverfahrens ist das Bundesgericht bei seinem Entscheid an die Sachverhaltsfeststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden (Art. 63 Abs. 1 OG). Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen richten sowie das Vorbringen neuer Beweismittel, sind im Grundsatz unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 126 III 59 E. 2a S. 65 mit Hinweisen). Der Vorwurf willkürlicher Beweiswürdigung kann nur im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde gerügt werden (BGE 127 III 248 E. 2c S. 252).
 
4.
 
4.1 Das Kantonsgericht stellt fest, der aktuelle monatliche Bedarf der Beklagten betrage Fr. 2'700.--. Mit dem Einkommen von Fr. 3'300.-- pro Monat verbleibe ihr somit Fr. 600.-- über das hinaus, was im Scheidungsurteil vorgesehen gewesen sei. Die Veränderung übersteige die Faustregel, wonach eine Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse um 10% als wesentlich zu gelten habe. Die Dauerhaftigkeit der Veränderung bestehe auch für die Zeit nach der Pensionierung. Zwar sei die Altersvorsorge der Beklagten nicht komfortabel, doch sei sie wesentlich besser als im Zeitpunkt der Scheidung habe angenommen werden dürfen, da das Zusatzeinkommen zu einer höheren Altersrente der AHV führe. Die Vorinstanz fährt fort, unter Berücksichtigung der Teuerung übersteige das aktuelle Einkommen der Ehefrau das dem Scheidungsurteil zu Grunde liegende um etwa Fr. 1'700.--. Die Herabsetzung der Rente müsse berücksichtigen, dass der Beklagten ausser dem knapp gedeckten Bedarf noch ein Anreiz für die Erhöhung des Erwerbseinkommens verbleiben müsse. Es soll nicht nur der Unterhaltsschuldner von der Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse profitieren, sondern auch die Unterhaltsgläubigerin. Ihr soll deshalb grundsätzlich die Hälfte verbleiben (BGE 118 II 229 E. 4 S. 235). Die Rente werde deshalb ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage bis zum Wegfall des Unterhaltsbeitrages für das Kind um Fr. 300.-- von Fr. 1'200.-- auf Fr. 900.-- pro Monat herabgesetzt. Für die Zeit nach der Aufhebung des Unterhaltsbeitrages sei der Betrag von Fr. 700.-- (recte Fr. 900.--) auf Fr. 400.-- zu kürzen.
 
4.2 Der Kläger macht vorerst ein offensichtliches Versehen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG geltend. Die wirtschaftliche Verbesserung der Beklagten betrage nicht Fr. 600.--, sondern Fr. 1'300.--. Ein offensichtliches Versehen, das vom Bundesgericht gestützt auf Art. 63 Abs. 2 OG berichtigt werden könnte, liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn die Vorinstanz eine bestimmte Aktenstelle übersehen oder unrichtig, insbesondere nicht mit ihrem richtigen Wortlaut, wahrgenommen hat (BGE 115 II 399 E. 2a; 110 II 494 E. 4). In Wirklichkeit rügt der Kläger jedoch im Berufungsverfahren unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung (E. 3 hiervor), und seine diesbezüglichen Einwände sind im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde geprüft worden (E. 2.3 des betreffenden Entscheids).
 
4.3 Im Weiteren erblickt der Kläger eine Verletzung von Art. 153 aZGB, weil die Rente lediglich um Fr. 300.-- reduziert worden sei. Der Vorwurf geht fehl.
 
Der Abänderungsrichter hat nach Recht und Billigkeit (Art. 4 ZGB) zu entscheiden, ob die zur Begründung vorgebrachte neue Sachlage, falls sie sich wirklich als neu erweist, eine Neubeurteilung von Bestand oder Höhe der Rentenverpflichtung rechtfertige und in welchem Ausmass eine allenfalls begründete Herabsetzung der Rente zu erfolgen habe (BGE 79 II 137 E. 1; Bühler/Spühler, Berner Kommentar, N. 56 zu Art. 153 aZGB und Spühler/Frei-Maurer, Ergänzungsband, N. 69 zu Art. 153 aZGB; Urteil der II. Zivilabteilung 5C. 163/2001 vom 18. Oktober 2001 E. 2d). Ermessensentscheide überprüft das Bundesgericht an sich frei. Es übt dabei aber Zurückhaltung und greift nur ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgegangen ist, wenn sie Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die hätten beachtet werden müssen. Es greift ausserdem in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese im Ergebnis als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 128 III 121 E. 3d/aa mit Hinweis).
 
Das Kantonsgericht hat berücksichtigt, dass sich die Parteien in der von ihm am 22. Oktober 1996 genehmigten Vereinbarung sinngemäss darauf geeinigt hätten, mit der Rente solle ein knapper Grundbedarf gedeckt sein. Es sei an die damals getroffenen Wertungen gebunden, weshalb der geltend gemachte Bedarf der Beklagten von Fr. 3'650.-- auf Fr 2'700.-- herabzusetzen sei. Die Vorinstanz hat dabei u.a. auch Fr. 100.-- für Radio/TV nicht gelten lassen. Demgegenüber hat sie dem Kläger zu Recht entgegengehalten, bei der Beurteilung der Frage, ob sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten verbessert hätten, sei eine Gesamtbetrachtung anzustellen; und dies ist kein rein rechnerischer Vorgang, wie der Kläger meint. Dass die Beklagte auch ihr Konkubinatsverhältnis auflösen und damit einen gesteigerten Bedarf geltend machen durfte, steht ausser Frage. Wenn die Vorinstanz gestützt auf BGE 118 II 228 E. 4 S. 235 beide Parteien an der Einkommensverbesserung der Beklagten teilhaben lässt, ist das an dieser Stelle nicht zu beanstanden.
 
Aus dem Gesagten folgt, dass dem Kantonsgericht kein Missbrauch des ihm vorliegend zustehenden Ermessens angelastet werden kann, womit der Vorwurf bundesrechtswidriger Anwendung von Art. 153 aZGB entkräftet ist.
 
5.
 
Nach dem Verfahrensausgang wird der Kläger kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Parteientschädigung an die Beklagte entfällt, weil keine Berufungsantwort eingeholt worden ist.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen, II. Zivilkammer, vom 19. August 2002 wird bestätigt.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Kläger auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 18. Dezember 2002
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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