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Informationen zum Dokument  BGer I 106/2002  Materielle Begründung
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BGer I 106/2002 vom 12.11.2002
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
I 106/02
 
Urteil vom 12. November 2002
 
II. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiberin Riedi Hunold
 
Parteien
 
K.________, 1962, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ludwig Raymann, Witikonerstrasse 15, 8032 Zürich,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
(Entscheid vom 21. Dezember 2001)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
K.________ (geboren 1962) war seit 6. März 1995 für die Firma P.________ AG tätig. Aus gesundheitlichen Gründen blieb er nach dem 5. März 1999 der Arbeit fern. Mit Anmeldung vom 24. März 2000 ersuchte er um Leistungen der Invalidenversicherung. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte Berichte der Arbeitgeberin, der Orthopädischen Klinik X.________, des Dr. med. S.________, Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, sowie der Neurochirurgischen Klinik des Spitals Y.________ ein und wies das Begehren um berufliche Massnahmen (Verfügung vom 7. September 2000) sowie um eine Rente (Verfügung vom 8. September 2000) ab.
 
B.
 
Die gegen die Verfügung vom 8. September 2000 erhobene Beschwerde, mit welcher K.________ eine ganze Invalidenrente beantragen liess, hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 21. Dezember 2001 teilweise gut und sprach ihm von 1. März bis 31. Juli 2000 eine ganze Invalidenrente zu. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.
 
C.
 
K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es sei ihm auch für die Zeit nach dem 31. Juli 2000 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen.
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die Vorinstanz hat die Grundsätze und Bestimmungen über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), den Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG) und die Bemessung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 126 V 75, 104 V 136 Erw. 2a und b, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Entstehung des Rentenanspruchs (Art. 29 Abs. 1 IVG), die Rentenrevision und die rückwirkende Zusprechung einer befristeten Rente (sinngemässe Anwendung von Art. 41 IVG; Art. 88a IVV; BGE 125 V 418 Erw. 2d, 121 V 275 Erw. 6b/dd, 117 V 199 Erw. 3b, je mit Hinweisen), den für die Beurteilung der Verwaltungsverfügung massgebenden Zeitpunkt (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen), die Bedeutung ärztlicher Stellungnahmen für die Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen) und den im Sozialversicherungsrecht massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
 
2.
 
Streitig ist, ob der Versicherte auch nach dem 31. Juli 2000 Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung hat.
 
2.1 Die Orthopädische Klinik X.________ diagnostiziert in ihrem Bericht vom 5. April 2000 persistierende Schmerzen bei Status nach chirurgischer Hüftluxation bei Labrumläsion des Hüftgelenks rechts im August 1999 bei beginnender Coxarthrose beidseits sowie eine Spina bifida. Im Moment befinde sich der Beschwerdeführer in der postoperativen Rehabilitation nach Implantatentfernung am 21. März 2000. Sein Gesundheitszustand sei verbesserungsfähig. Er sei von März 1999 bis zur Berichterstattung zu 100 % arbeitsunfähig. In einer schweren körperlichen Tätigkeit sei kaum mehr volle Erwerbsfähigkeit zu erreichen. Eine Umschulung sei bei Persistenz der Beschwerden in ca. zwei bis drei Monaten angezeigt. In einer angepassten leichten bis mittleren Tätigkeit in abwechselnden Stellungen (Stehen/Sitzen) sei eine Beschäftigung ganztags sicher möglich.
 
Dr. med. S.________ hält eine Coxarthrose beidseits mit Labrumläsion rechts und Status nach chirurgischer Hüftluxation rechts mit Labrumteilresektion, ein chronisches spondylogenes Syndrom bei Osteochondrose L4/5 sowie Status nach Gastritis fest. Die Gehfähigkeit des Versicherten sei deutlich eingeschränkt. Im angestammten Beruf bestehe volle Arbeitsunfähigkeit. Eine berufliche Umstellung sei nicht sinnvoll, da die therapeutischen Massnahmen bisher noch nicht ausgeschöpft worden seien (Hüftersatz; Bericht vom 7. April 2000).
 
Die Neurochirurgische Klinik des Spitals Y.________ diagnostiziert ein Epidermoid im Konusgebiet, operativ entfernt am 9. Oktober 2000, sowie eine leichte Coxarthrose beidseits, operativ versorgt im August 1999. Aus neurochirurgischer Sicht bestehe nach Ablauf der dreimonatigen Rehabilitation keine Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit. Eine berufliche Umstellung sei nicht notwendig; der Versicherte könne ganztags arbeiten (Bericht vom 28. November 2000).
 
Am 19. April 2001 hält die Orthopädische Klinik X.________ chronische invalidisierende Hüftschmerzen beidseits, rechts mehr als links bei Status nach chirurgischer Hüftluxation rechts bei Labrumläsion im August 1999 und bei beginnender Coxarthrose beidseits sowie Status nach Implantatentfernung im März 2000 rechts und Spina bifida fest. Der Versicherte leide weiterhin unter massivsten Schmerzen im Bereich der rechten Hüfte, habe jedoch keine Rückenbeschwerden mehr. Ab und zu verspüre er Schmerzen in der linken Hüfte. Die am 12. April 2001 vorgenommene sowie die zwei früheren Infiltrationen seien erfolglos geblieben. Er könne das rechte Bein kaum bewegen und nur mit Hilfe gehen. Gemäss Arthro-MRI vom 12. April 2001 bestehe eine Entknorpelung des Acetabulums mit Verkalkung des Acetabulumrandes. Es werde eine Hüfttotalprothese rechts vorgeschlagen, welche jedoch auf Grund der vorbestehenden extracoxogenen Schmerzen wahrscheinlich keine vollständige Abnahme der Beschwerden bringen werde. Der Versicherte wolle sich das weitere Prozedere überlegen und werde dann die Klinik informieren. Er sei ab 21. März 2001 für sechs Wochen voll arbeitsunfähig.
 
In Beantwortung der Ergänzungsfragen der Vorinstanz bestätigte die Neurochirurgische Klinik des Spitals Y.________ am 5. Oktober 2001, dass der Epidermoid-Tumor im Konusgebiet sowie der Dermal Sinus S2-3 bei Spina bifida lediglich im Rahmen der Rehabilitationszeit von drei Monaten nach der Operation die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers eingeschränkt hätten. Das Leiden stehe auch in keinem Zusammenhang mit den Rückenbeschwerden.
 
Am 25. Januar 2002 bestätigt Dr. med. S.________ volle Arbeitsunfähigkeit als Betriebsmitarbeiter sowie infolge der Coxarthrose und der degenerativen und postoperativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule eine Arbeitsfähigkeit von 20 bis 30 % in einer leichten Tätigkeit.
 
2.2 Auf Grund der Akten war die Arbeitsfähigkeit des Versicherten wegen der Operation im Oktober 2000 sowie der damit zusammenhängenden Leiden nur im Rahmen der postoperativen Rehabilitation eingeschränkt. Etwas anderes behauptet auch der Beschwerdeführer nicht, welcher seinen Anspruch auf eine Invalidenrente vor allem mit der Hüftproblematik begründet. Als Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit kommen demnach bis zum Erlass der Verwaltungsverfügung nur die Hüftbeschwerden sowie das vom Hausarzt festgehaltene Rückenleiden in Frage.
 
Die Vorinstanz hat dem Versicherten wegen Erwerbsunfähigkeit infolge der Hüftprobleme eine ganze Invalidenrente zugesprochen. Allerdings hat sie diese auf den 31. Juli 2000 aufgehoben, da sie gestützt auf den Bericht der Orthopädischen Klinik X.________ vom 5. April 2000 davon ausging, dass der Versicherte nach Ablauf der Rehabilitationszeit in einer leichten oder mittleren Tätigkeit wieder voll arbeitsfähig sei, und ermittelte nach Durchführung eines Einkommensvergleichs einen Invaliditätsgrad von 4.7 %.
 
Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Denn die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit durch die Orthopädische Klinik X.________ vom 5. April 2000 erfolgte lediglich zwei Wochen nach der Implantatentfernung vom 21. März 2000 und ohne weitere Verlaufskontrollen nach dem Austritt am Tag der Operation. Auch wird im Bericht vom 5. April 2000 die Rehabilitationsdauer zeitlich nicht näher angegeben; angesichts des Vorschlags allfälliger Umschulungsmassnahmen bei persistierenden Beschwerden in zwei bis drei Monaten ist jedoch von einer entsprechenden Rehabilitationszeit auszugehen. Entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts kann nicht gesagt werden, die Rehabilitation sei bereits Ende April abgeschlossen. Zudem lässt die Empfehlung von Umschulungsmassnahmen für den Fall persistierender Beschwerden darauf schliessen, dass auch die Orthopädische Klinik X.________ selbst einen nicht optimalen Heilungsverlauf durchaus in Erwägung zog. Auf diese prospektive Beurteilung der beruflichen Einsetzbarkeit, welche durch den Bericht derselben Klinik vom 19. April 2001 widerlegt wird, kann somit nicht abgestellt werden. Es geht nicht an, von idealsten Verhältnissen auszugehen, welche sich in der Folge als unzutreffend erweisen. Dem Versicherten steht demnach auch noch im vorliegend massgebenden und die Grenze des zu überprüfenden Sachverhalts darstellenden Zeitpunkt, dem 8. September 2000, eine ganze Invalidenrente zu. Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, wie es sich mit dem vom Hausarzt erwähnten Rückenleiden verhält, da der Beschwerdeführer bereits auf Grund der Hüftproblematik im hier zu beurteilenden Zeitpunkt Anspruch auf eine ganze Invalidenrente hat.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. Dezember 2001 aufgehoben, soweit damit der Anspruch auf eine Invalidenrente auf den 31. Juli 2000 befristet wird, und es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer auch nach dem 31. Juli 2000 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente hat.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
 
4.
 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse der Vereinigung Zürcherischer Arbeitgeberorganisationen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 12. November 2002
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
 
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