VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2A.429/2002  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2A.429/2002 vom 08.10.2002
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.429/2002 /bre
 
Urteil vom 8. Oktober 2002
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
 
Bundesrichter Betschart, Müller,
 
Gerichtsschreiber Wyssmann.
 
T.________ AG, 8050 Zürich,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,
 
Eidgenössische Steuerrekurskommission,
 
Avenue Tissot 8, 1006 Lausanne.
 
Mehrwertsteuer; 1. Quartal 1995 bis 1. Quartal 1999,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission vom 27. Juni 2002.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Nachdem über die Steuerpflicht der T.________ AG - jedenfalls für die Perioden bis Ende 1995 - durch das Bundesgericht rechtskräftig entschieden worden war (Urteil 2A.280/1998 vom 10. Februar 1999) und die Steuerpflichtige in der Zwischenzeit ihrer Abrechnungs- und Zahlungspflicht nicht nachgekommen war, setzte die Eidgenössische Steuerverwaltung die Mehrwertsteuer 1. Quartal 1995 bis 1. Quartal 1999 nach Ermessen fest. Eine Einsprache hiess die Eidgenössische Steuerverwaltung am 11. April 2001 teilweise gut und setzte die Mehrwertsteuerschuld gemäss der von der Steuerpflichtigen eingereichten Abrechnungen auf Fr. 36'177.80 fest. Zudem beseitigte sie den in der Betreibung gegen die T.________ AG erhobenen Rechtsvorschlag. Der mit eingeschriebener Post zugestellte Einspracheentscheid wurde vom Postamt als "nicht abgeholt" retourniert. Am 27. April 2001 wiederholte die Eidgenössische Steuerverwaltung die Zustellung mit gewöhnlicher Post.
 
B.
 
Am 25. März 2002 erhob die T.________ AG Beschwerde bei der Eidgenössischen Steuerrekurskommission. Sie macht geltend, sie habe erst durch die Fortsetzung der Betreibung vom Einspracheentscheid der Steuerverwaltung Kenntnis erlangt, und beantragt, der Einspracheentscheid sei ordnungsgemäss zu eröffnen und die Beschwerdefrist sei wiederherzustellen. Sie macht geltend, sie erhalte die Post über ein Postfach beim Postamt Zürich 50. Sie habe weder im Postfach noch im Briefkasten je eine Abholeinladung vorgefunden. Das Postamt-Gebäude sei in der fraglichen Zeit im Umbau gewesen. Fehler bei der Postzustellung stünden nicht ausserhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit. Zudem sei es beim Postamt Zürich 50 üblich, Abholeinladungen nicht vollständig (mit Absender, Gegenstand und Aufgabestelle) auszufüllen. Auch würden für mehrere Sendungen "Sammel-Abholscheine" ausgefüllt.
 
Mit Entscheid vom 27. Juni 2002 trat die Eidgenössische Steuerrekurskommission auf die Beschwerde nicht ein.
 
C.
 
Die T.________ AG führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie beantragt, der Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission sei aufzuheben und die Sache zur neuen Behandlung zurückzuweisen. Eventuell sei die Beschwerdefrist wiederherzustellen.
 
Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt, sondern nur die Akten.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt eine behördliche Sendung nicht erst dann als zugestellt, wenn der Adressat sie tatsächlich in Empfang genommen hat, sondern es genügt, dass sie in seinen Machtbereich gelangt und er sie demzufolge zur Kenntnis nehmen kann. Wird der Empfänger einer eingeschriebenen Briefpostsendung oder Gerichtsurkunde nicht angetroffen und wird daher eine Abholungseinladung in seinen Briefkasten oder in sein Postfach gelegt, so wird die Sendung in jenem Zeitpunkt als zugestellt betrachtet, in welchem sie auf der Poststelle abgeholt wird. Geschieht dies nicht innert der Abholfrist von sieben Tagen, so gilt die Sendung als am letzten Tag dieser Frist zugestellt. Ein allfälliger zweiter Versand und die spätere Entgegennahme der Sendung vermögen an diesem Ergebnis - unter Vorbehalt des verfassungsmässigen Rechts auf Vertrauensschutz - nichts zu ändern und sind rechtlich unbeachtlich (BGE 119 V 89 E. 4b/aa S. 94, mit Hinweisen; s.a. BGE 127 I 31 E. 2a/aa). Diese Zustellungsfiktion rechtfertigt sich, weil die an einem Verfahren Beteiligten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben dafür zu sorgen haben, dass behördliche Akte sie erreichen können. Diese Pflicht entsteht mithin als prozessuale Pflicht mit der Begründung eines Verfahrensverhältnisses und gilt insoweit, als während des hängigen Verfahrens mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit der Zustellung eines behördlichen Aktes gerechnet werden muss (BGE 123 III 492 E. 1 S. 493; 120 III 3 E. 1d; 119 V E. 4b/aa S. 94).
 
Diese Praxis findet in kantonalen und bundesrechtlichen Verfahren allgemein Anwendung, wenn das entsprechende Verfahrensrecht selber keine Lösung vorsieht (BGE 115 Ia 12 E. 3b S. 17; s. auch 119 V 89 E. 4b). Sie wurde von der Eidgenössischen Steuerrekurskommission richtig wiedergegeben und ist zwischen den Parteien nicht umstritten. Einzig streitig und zu prüfen ist, ob es bei der Postzustellung zu Unregelmässigkeiten gekommen ist. Solches behauptet die Beschwerdeführerin. Da der angefochtene Entscheid von einer richterlichen Behörde stammt, überprüft das Bundesgericht Tatsachenfeststellungen allerdings nur daraufhin, ob diese offensichtlich unrichtig oder unvollständig sind oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen zustande gekommen sind (Art. 105 Abs. 2 OG).
 
2.
 
Den Akten kann entnommen werden, dass die Post die fragliche Sendung mit dem Einspracheentscheid nach Ablauf der Abholfrist an die Verwaltung mit dem Vermerk "nicht abgeholt" zurückgesandt hat. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass das Postamt Zürich 50 in der Zwischenzeit der Beschwerdeführerin die Postsendung mit dem Einspracheentscheid gemäss den postrechtlichen Vorschriften avisiert und die Beschwerdeführerin die Sendung nicht abgeholt hatte, wie die Vorinstanz zu Recht erwog.
 
Es ist zudem aktenmässig belegt, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung am 27. April 2001 den Einspracheentscheid der Beschwerdeführerin mit gewöhnlicher A-Post nochmals zustellte. Nichts deutet darauf hin, dass es bei dieser zweiten Zustellung zu Unregelmässigkeiten gekommen wäre. Auf diese Postzustellung reagierte die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht. Jedenfalls wäre mit dieser Zustellung der Einspracheentscheid der Beschwerdeführerin formrichtig eröffnet worden und hätte die Einsprachefrist zu laufen begonnen. Auch wenn bei uneingeschriebenen Postsendungen wiederholt Fehler bei der Zustellung vorkommen können, ist es unwahrscheinlich, dass in Bezug auf die gleiche Behörde und die gleiche Adressatin zwei Mal ein Irrtum oder Fehler bei der Postzustellung erfolgt sein soll. Dazu kommt, dass die Beschwerdeführerin sich bereits in einem früheren Verfahren darauf berief, der damalige Entscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung sei ihr nicht formrichtig eröffnet worden, weil ihr keine Abholeinladung in das Postfach gelegt worden sei (vgl. Urteil 7B.236/2001 der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts vom 20. Dezember 2001). Eine derartige Häufung von Fehlern bei der Postzustellung ist nicht anzunehmen. Es müssten deshalb schon konkretere Anhaltspunkte vorhanden sein, um davon ausgehen zu können, der Entscheid sei der Beschwerdeführerin nicht zugekommen.
 
3.
 
Die Beschwerdeführerin wendet lediglich ein, das Postamt Zürich 50 sei im Umbau gewesen und Abholungseinladungen würden in der Regel von diesem Postamt unvollständig ausgefüllt. Auch sei die nicht abgeholte Postsendung um einen Tag zu früh an die Eidgenössische Steuerverwaltung zurückgesandt worden. Zu diesen Einwendungen hat die Vorinstanz bereits Stellung genommen und sie mit haltbarer Begründung verworfen. Namentlich vermag die Beschwerdeführerin Unregelmässigkeiten bei der Postzustellung infolge der Umbauarbeiten nicht mit konkreten Hinweisen zu belegen. Dass in zwei Fällen im Jahre 2001 Abholeinladungen unvollständig ausgefüllt worden sind, lässt nicht den Schluss zu, dass im Falle der Beschwerdeführerin überhaupt keine Abholeinladung in das Postfach oder in den Briefkasten gelegt worden war. Auch die von der Beschwerdeführerin angerufenen Zeugen, A.________ als Verwaltungsrat und B.________ als Sekretärin, könnten nur bestätigen, was in der Beschwerde bereits vorgebracht wurde oder hätte vorgebracht werden müssen. Die Vorinstanz durfte ohne Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auf die Einvernahme dieser Personen verzichten.
 
Wenn die Vorinstanz die Beschwerde als verspätet erachtete und darauf nicht eintrat, hat sie den massgeblichen Sachverhalt weder im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG mangelhaft festgestellt noch die massgeblichen Rechtsgrundsätze nicht oder fehlerhaft angewendet. Dass bei dieser Sachlage auch die Frist nicht wiederhergestellt werden durfte, ergibt sich aus Art. 24 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021).
 
4.
 
Das führt zur Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Mit dem Entscheid über die Beschwerde ist auch das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos geworden. Die Kosten des Verfahrens sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG.)
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Eidgenössischen Steuerverwaltung sowie der Eidgenössischen Steuerrekurskommission schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 8. Oktober 2002
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).