VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 7B.146/2002  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 7B.146/2002 vom 05.09.2002
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
7B.146/2002 /min
 
Urteil vom 5. September 2002
 
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
 
Bundesrichterin Nordmann, Präsidentin,
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
 
Gerichtsschreiber von Roten.
 
Bank X.________, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern, Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern.
 
Konkurs,
 
Beschwerde SchKG gegen das Urteil der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern vom
 
24. Juli 2002.
 
Die Kammer zieht in Erwägung:
 
1.
 
In den Jahren 1976, 1993 und 1996 bestellte die Y.________ AG jeweilen Debitoren-Globalzessionen für Betriebskredite, die ihr von verschiedenen Banken, unter anderem der Bank X.________ eingeräumt worden waren. Am 30. März 2000 schloss die Bank X.________ mit der Y.________ AG einen Kreditvertrag über Fr. 14'700'000.-- ab. Als Sicherstellung diente unter anderem die bereits bestehende Debitoren-Globalzession vom 3. September 1996, die die Abtretungserklärung vom 9. Juli 1993 ergänzte. Am 27. September 2001 wurde über die Y.________ AG der Konkurs eröffnet und am 19. Oktober 2001 das summarische Konkursverfahren angeordnet.
 
Unter Hinweis auf die Abtretungserklärungen der Y.________ AG ersuchte die Bank X.________ das Betreibungs- und Konkursamt Emmental-Oberaargau am 17. April 2002 um eine Zwischenabrechnung über die bisher einkassierten Kundenzahlungen sowie um eine entsprechende Akontozahlung bis spätestens 30. April 2002; andernfalls erwartete die Bank X.________ eine beschwerdefähige Verfügung innerhalb derselben Frist. Mit Verfügung vom 23. April 2002 verweigerte das Betreibungs- und Konkursamt die verlangte Auszahlung vor Rechtskraft von Konkursinventar und Kollokationsplan. Die Bank X.________ erhob dagegen Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern. Das Betreibungs- und Konkursamt zog daraufhin seine Verfügung vom 23. April 2002 in Wiedererwägung und hob sie auf. Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde ab, soweit sie nicht gegenstandslos geworden war (Entscheid vom 24. Juli 2002).
 
Der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt die Bank X.________ die Aufhebung des aufsichtsbehördlichen Entscheids und erneuert ihren Antrag, der Bank X.________ diejenigen Debitoren der Y.________ AG auszuzahlen, die der Bank X.________ seitens der Y.________ AG mit einer Debitorenzession abgetreten worden seien. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat auf Gegenbemerkungen verzichtet und auf die Akten und das Motiv ihres Entscheids verwiesen. Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.
 
2.
 
Nach Angaben der Beschwerdeführerin hat das Betreibungs- und Konkursamt Forderungen eingezogen, die die Schuldnerin vor Konkurseröffnung an die Beschwerdeführerin abgetreten hat und die vor Konkurseröffnung entstanden sein sollen. Auf die betreffenden Forderungseingänge erhebt die Beschwerdeführerin Anspruch. Sie macht geltend, das Betreibungs- und Konkursamt habe die rechtsgültigen Abtretungen zu respektieren.
 
2.1 Forderungen, die der Schuldner vor der Konkurseröffnung abgetreten hat und die vor der Konkurseröffnung entstanden sind, fallen grundsätzlich nicht in die Konkursmasse, weil der Schuldner als Zedent sowohl im Zeitpunkt der Abtretung wie auch in jenem der Entstehung die Verfügungsmacht über die betreffende Forderung noch besessen hat. Die vor Konkurseröffnung entstandene Forderung ist zufolge vorgängiger Abtretung in das Vermögen des Zessionars übergegangen (BGE 111 III 73 Nr. 18). Strittig ist die Frage, was mit Zahlungen geschieht, die der Schuldner dieser abgetretenen Forderung an die Konkursmasse des Zedenten statt an den Zessionar leistet, und in welchem Verfahren der Zessionar seine Ansprüche auf die entsprechenden Zahlungen geltend machen kann.
 
2.2 Der Zessionar kann Zahlungen, die ein Drittschuldner in Unkenntnis der vom Konkursiten vorgenommenen Zession an die Konkursmasse geleistet hat, von der Konkursverwaltung herausverlangen; die Zahlungen bereichern die Konkursmasse ungerechtfertigt und stellen eine Masseverbindlichkeit dar (BGE 70 III 81 S. 84; 108 II 118 E. 2 S. 121/122). Hält die Konkursverwaltung den Anspruch des Zessionars für unbegründet, so hat dieser den Prätendentenstreit vor den ordentlichen Gerichten einzuleiten (BGE 105 III 11 E. 2 S. 14); im Unterschied zu Aussonderungsansprüchen (Art. 242 Abs. 2 SchKG) ist die Konkursverwaltung nicht berechtigt, dem Zessionar eine Frist zur Anhebung der Klage anzusetzen mit der Folge der Anspruchsverwirkung bei Fristversäumnis (BGE 76 III 9 E. 1 S. 11; zuletzt: BGE 7B.123/2002 vom 7. August 2002).
 
2.3 Aus den dargelegten Gründen ist der kantonalen Aufsichtsbehörde darin beizupflichten, dass über die Rechtsgültigkeit der geltend gemachten Zession im Beschwerdeverfahren nicht entschieden werden darf. Es trifft zwar zu, dass das Vorliegen von Debitorenzessionen unbestritten ist, doch hat das Betreibungs- und Konkursamt die Auszahlung verweigert, weil Zweifel über den Umfang und den Geltungsbereich der Abtretung der Kundenguthaben bestehen. Diese Fragen sind im Zivilprozess zu klären (z.B. BGE 113 II 163 Nr. 30; 111 III 73 Nr. 18). Das Betreibungs- und Konkursamt hat nicht zu verfügen, sondern die Beschwerdeführerin zu klagen. Bei der entsprechenden Klage gegen die Konkursmasse handelt es sich freilich nicht um eine Kollokationsklage. Die Streitigkeit betrifft den Umfang der Aktivmasse (BGE 41 III 224 E. 1 S. 229) und nicht die Zulassung der Beschwerdeführerin mit ihrer Forderung aus Kreditgewährung (BGE 55 III 80 S. 85). Es geht um die rechtskräftige Beurteilung der Forderung als solcher, was nicht Gegenstand des Kollokationsprozesses sein kann (BGE 103 III 46 E. 1a S. 49). Da der Weg der gerichtlichen Klage vorgeschrieben ist, hat die Aufsichtsbehörde auch nicht darüber zu entscheiden, ob die eingegangenen Zahlungen nach Art. 197 SchKG zur Konkursmasse gehören (BGE 77 III 34 E. 2 S. 35 f.). Die kantonale Aufsichtsbehörde konnte das Betreibungs- und Konkursamt deshalb unter keinem Titel dazu verhalten, Vermögenswerte der Konkursmasse an die Beschwerdeführerin herauszugeben. In einer allfälligen Anzeige des Betreibungs- und Konkursamtes an die Schuldner der Konkursitin, nur an die Konkursmasse zu zahlen, liegt im Übrigen keine beschwerdefähige Verfügung, sondern die Behauptung des Forderungsrechts der Konkursmasse, über das das Gericht zu entscheiden hat (BGE 76 III 99 S. 102).
 
3.
 
Die Beschwerde muss nach dem Gesagten abgewiesen werden. Das Verfahren der Beschwerde gemäss Art. 19 SchKG ist grundsätzlich unentgeltlich (Art. 20a Abs. 1 SchKG).
 
Demnach erkennt die Kammer:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Betreibungs- und Konkursamt Emmental-Oberaargau, Dienststelle Aarwangen, und der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 5. September 2002
 
Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).