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Informationen zum Dokument  BGer 4P.58/2002  Materielle Begründung
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BGer 4P.58/2002 vom 19.08.2002
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4P.58/2002 /rnd
 
Urteil vom 19. August 2002
 
I. Zivilabteilung
 
Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter, Präsident,
 
Klett, Rottenberg Liatowitsch,
 
Gerichtsschreiberin Schoder.
 
A.________ AG
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Duri Pally, Bahnhofstrasse 7, Postfach 101, 7001 Chur,
 
gegen
 
B.________ AG
 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Zinsli, Werkstrasse 2, 7000 Chur,
 
Kantonsgericht von Graubünden, Zivilkammer,
 
Art. 9 BV (Zivilprozess, Beweiswürdigung),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, Zivilkammer, vom 17. September 2001.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
In den Jahren 1994 und 1995 baute die A.________ AG als Totalunternehmerin für die C.________ AG (Bauherrin) in D.________ eine Wäscherei. Die A.________ AG zog die B.________ AG als Subunternehmerin für Ingenieurarbeiten im Bereich Lüftung bei. Nach Bauabschluss traten Mängel an den lüftungstechnischen Anlagen auf, welche die C.________ AG gegenüber der A.________ AG und diese gegenüber der B.________ AG rügte. Am 11. September 1996 stellten die A.________ AG, die B.________ AG und die C.________ AG eine Schadenssumme von Fr. 428'890.-- fest. Am 25. September 1996 schlossen die B.________ AG, deren Haftpflichtversicherung, die Versicherung E.________, die A.________ AG und die C.________ AG eine Vereinbarung über die Schadensaufteilung mit Saldoklausel. Die B.________ AG sollte demnach Fr. 36'000.--, deren Haftpflichtversicherung, die Versicherung E.________, Fr. 287'890.25, die A.________ AG Fr. 90'000.-- und die C.________ AG Fr. 15'000.-- übernehmen. Rechtsanwalt F.________, Vertreter der C.________ AG, wurde an dieser Sitzung beauftragt, den Vergleich schriftlich festzuhalten. Lediglich die B.________ AG und die C.________ AG, nicht aber die A.________ AG unterzeichneten die schriftliche Vergleichsurkunde.
 
In der Folge machte die B.________ AG gegenüber der A.________ AG eine Forderung in der Höhe von Fr. 80'220.60 nebst Zins für Honorare und Barauslagen, welche seit der Vergleichsvereinbarung vom 25. September 1996 angefallen waren, geltend. Die A.________ AG wies die Forderung mit der Begründung von sich, dass der am 25. September 1996 mündlich geschlossene Vergleich über die Schadensaufteilung mit Saldoklausel mangels Schriftlichkeit ungültig sei. Weiter war sie der Auffassung, das definitive Honorar der B.________ AG sei wegen mangelhafter Auftragserfüllung zu mindern und könne wegen fehlender Grundlagen noch nicht berechnet werden.
 
B.
 
Die B.________ AG klagte im Februar 1997 gegen die A.________ AG auf Bezahlung von Fr. 80'220.60 nebst Zins. Im Verlauf des Verfahrens setzte sie die eingeklagte Forderung auf Fr. 62'407.50 nebst Zins herab. Nach zwei Teilurteilen vom 19. März 1999 und vom 10. November 1999 schützte das Bezirksgericht von Plessur die Klage am 23. Januar 2001 im herabgesetzten eingeklagten Betrag. Die Beklagte legte dagegen Berufung ein, die das Kantonsgericht von Graubünden am 17. September 2001 abwies.
 
C.
 
Die Beklagte hat das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden sowohl mit staatsrechtlicher Beschwerde als auch mit Berufung angefochten. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils.
 
Die Beschwerdegegnerin beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventualiter sie abzuweisen.
 
Das Kantonsgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Gemäss dem angefochtenen Urteil ist die schriftliche Fixierung des mündlich bereits Vereinbarten erst am Ende der Sitzung vom 25. September 1996 beschlossen worden und kann somit nicht Bestandteil des bereits abgeschlossenen Vergleichs sein. Die Beschwerdeführerin wirft dem Kantonsgericht in dieser Hinsicht willkürliche Beweiswürdigung (Art. 9 BV) vor.
 
2.
 
Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls in Betracht zu ziehen oder gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid wegen materieller Rechtsverweigerung nur auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Die Beweiswürdigung ist mithin nicht schon dann willkürlich, wenn vom Gericht gezogene Schlüsse nicht mit der Darstellung des Beschwerdeführers übereinstimmen, sondern bloss, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist. Dabei steht dem kantonalen Gericht ein weiter Ermessensspielraum zu. Willkürlich ist insbesondere eine Beweiswürdigung, die einseitig einzelne Beweise berücksichtigt, oder die Abweisung einer Klage mangels Beweisen, obwohl die nicht bewiesenen Tatsachen aufgrund der Vorbringen und des Verhaltens der Parteien eindeutig zugestanden sind (BGE 124 IV 86 E. 2a S. 88; 118 IA 28 E. 1b S. 30).
 
3.
 
Was die Würdigung der Zeugenaussagen betrifft, verweist das Kantonsgericht zur Hauptsache auf die Erwägungen im Teilurteil vom 19. März 1999 des Bezirksgerichts Plessur.
 
Die Beschwerdeführerin hält diese Würdigung der Zeugenaussagen für willkürlich. Sie beruft sich ihrerseits auf die Zeugen F.________, G.________, H.________, K.________, L.________, M.________ und N.________, die angegeben haben sollen, dass die Schriftform Teil des mündlichen Vergleichs bildete.
 
3.1 Wie in der Beschwerdeschrift festgehalten, bezeugte Rechtsanwalt F.________, Vertreter der C.________ AG, die Parteien hätten die an der Verhandlungsrunde vom 25. September 1996 besprochenen und beschlossenen Punkte in einer schriftlichen Vereinbarung festhalten wollen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin lässt sich allein aus dieser Aussage aber nicht eindeutig schliessen, dass die Vereinbarung der Schriftform vor Abschluss des mündlichen Vergleichs zustande kam. Das erstinstanzliche Teilurteil vom 19. März 1999 berücksichtigte deshalb auch die weitere Aussage F.________s, die Vergleichsparteien hätten sich an der Sitzung vom 25. September 1996 per Handschlag geeinigt. Wie aus dem Protokoll der Einvernahme F.________s hervorgeht, erklärte dieser, aus seiner Sicht sei die mündliche Vereinbarung an der Sitzung vom 25. September 1996 gültig zustande gekommen. Er habe damals von sämtlichen Parteien den Auftrag bekommen, das Verhandlungsergebnis, zu dem damals alle Vergleichsparteien gestanden hätten, noch schriftlich zu fixieren. In diesem Lichte kann von Willkür keine Rede sein.
 
3.2 Die Beschwerdeführerin beruft sich ferner auf die Aussage des Zeugen G.________, Rechtsanwalt F.________ sei beauftragt worden, die mündliche Vereinbarung schriftlich festzuhalten. Wie im erstinstanzlichen Urteil ausgeführt, sagte G.________ aber aus, das Besprochene sei am Schluss der Sitzung vom 25. September 1996 nochmals mündlich festgehalten und Rechtsanwalt F.________ erst zu diesem Zeitpunkt mit der schriftlichen Fixierung beauftragt worden. Über die Bedeutung der Schriftlichkeit sei nicht diskutiert worden, weil das mündlich Vereinbarte für alle Beteiligten klar festgestanden habe.
 
3.3 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin belegt auch die Aussage des Zeugen H.________, dass die Ausarbeitung einer schriftlichen Vergleichsurkunde vereinbart wurde. Das erstinstanzliche Urteil stützte sich indessen auf die Aussage H.________s, er könne sich daran erinnern, dass die schriftliche Vergleichsurkunde lediglich im Sinne eines Protokolls verfasst werden sollte. Dem Protokoll seiner Einvernahme ist ausserdem zu entnehmen, es sei die Absicht der Parteien gewesen, zu einer abschliessenden Einigung zu kommen. Alle Anwesenden hätten die Frage, ob sie der Vereinbarung zustimmen, ausdrücklich bejaht. Diese Aussagen deuten ebenfalls auf die Gültigkeit des mündlich Vereinbarten.
 
3.4 Der von der Beschwerdeführerin angerufene Zeuge K.________ bestätigte ebenfalls, dass Rechtsanwalt F.________ den Auftrag bekam, den bereits abgeschlossenen Vergleich schriftlich festzuhalten. Gemäss der im erstinstanzlichen Urteil zitierten Aussage ist F.________ jedoch erst nach diesem mündlichen Vergleichsabschluss ("danach") mit der schriftlichen Fixierung beauftragt worden.
 
Auch der in der Beschwerdeschrift zitierte Zeuge L.________ bestätigte, dass die Parteien die Ausarbeitung einer schriftlichen Vergleichsurkunde beschlossen hätten. Das erstinstanzliche Urteil stützte sich indessen auf die Aussage L.________s, er könne sich nicht daran erinnern, ob über die Bedeutung der Schriftform gesprochen worden sei.
 
Die Beschwerdeführerin kann daher aus diesen Zeugnissen nichts für ihren Standpunkt ableiten.
 
3.5 Wie in der Beschwerdeschrift festgehalten, bezeugte selbst M.________, Verwaltungsrat und Geschäftsführer der B.________ AG, dass Rechtsanwalt F.________ den Auftrag erhalten habe, das mündlich Vereinbarte schriftlich festzuhalten. Gemäss Einvernahmeprotokoll sagte M.________ aber auch aus, dass lediglich die Versicherungen ein Schriftstück gewünscht hätten. Das erstinstanzliche Urteil räumte diesen Aussagen wegen der Nähe des Zeugen zur Beschwerdegegnerin wenig Gewicht bei.
 
Was die Aussagen von N.________ betrifft, so ist die vom Kantonsgericht geübte Zurückhaltung in der Würdigung dieser Aussagen wegen den erheblichen Eigeninteressen von N.________ am Prozessausgang ebenfalls nicht zu beanstanden.
 
3.6 Das Kantonsgericht untermauert die Würdigung der Zeugenaussagen dadurch, dass es auch die Umstände des Vergleichsabschlusses und das Verhalten der Parteien nach der Sitzung vom 25. September 1996 berücksichtigt. So stützt sich das Kantonsgericht auf das Schreiben von N.________ an die Versicherung I.________, datiert auf 30. September 1996, das einen Vermerk zum Schriftformvorbehalt enthält. Diesem Schreiben misst das Kantonsgericht nur internen Charakter zwischen den Korrespondenzparteien zu, da die anderen Verhandlungsteilnehmer dieses Schreiben nicht erhalten hätten. Sodann erwähnt das Kantonsgericht die Vereinbarung der Beschwerdeführerin mit der C.________ AG vom 25. Mai bzw. vom 5. Juni 1997, in der die Beschwerdeführerin die im Vergleich vom 25. September 1996 festgelegte Forderung von Fr. 90'000.-- ausdrücklich anerkannt und den Betrag als fällig bezeichnet habe.
 
Aufgrund dieser Gesamtwürdigung des Sachverhalts erscheint die Schlussfolgerung des Kantonsgerichts, die schriftliche Fixierung sei erst nach Abschluss des mündlichen Vergleichs beschlossen worden, durchaus plausibel und nachvollziehbar. Der Vorwurf der Willkür ist daher unbegründet und die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen.
 
4.
 
Die Beschwerdeführerin rügt, das Kantonsgericht habe willkürlich festgehalten, dem von Rechtsanwalt F.________ auszuarbeitenden Schriftstück komme nach dem Parteiwillen lediglich Beweisfunktion zu. Wie sich jedoch aus der Wiedergabe der Zeugenaussagen ergibt (E. 3.1 - 3.5 hievor), ging es aus der Sicht der an der Vergleichsverhandlung anwesenden Personen darum, das bereits Vereinbarte noch schriftlich festzuhalten. Demgemäss durfte das Kantonsgericht willkürfrei schliessen, die Parteien hätten der Schriftform übereinstimmend Beweisfunktion zuerkannt. Die Beschwerde ist in diesem Punkt ebenfalls abzuweisen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 4'000.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 19. August 2002
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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