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Informationen zum Dokument  BGer I 153/2002  Materielle Begründung
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BGer I 153/2002 vom 30.07.2002
 
[AZA 7]
 
I 153/02 Vr
 
III. Kammer
 
Präsident Borella, Bundesrichter Kernen und nebenamtlicher
 
Richter Bühler; Gerichtsschreiber Jancar
 
Urteil vom 30. Juli 2002
 
in Sachen
 
M.________, 1948, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt David Husmann, Untermüli 6, 6300 Zug,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
A.- Die 1948 geborene M.________ war am 10. Februar 1991 als Beifahrerin in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem sie eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) erlitt. Als Folge davon leidet sie an einem cervicocephalen Schmerzsyndrom und psychischen Faktoren bei somatisch ausgelöstem, chronifiziertem Schmerzsyndrom. Am 20. Februar 1997 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte Berichte des letzten Arbeitgebers (Firma Q.________ AG) vom 19. März 1997, des behandelnden Neurologen Dr. med.
 
H.________ vom 8. April 1997, und der Rehabilitationsklinik X.________, wo die Versicherte in den Jahren 1993, 1994 und 1996 dreimal hospitalisiert war, vom 7. Mai 1997 ein, zog die Akten des obligatorischen Unfallversicherers bei und liess die Versicherte durch die Medizinische Abklärungsstelle (MEDAS) begutachten (Expertise vom 12. Januar 1999).
 
Gestützt darauf ermittelte sie einen Invaliditätsgrad von 54 % und sprach M.________ nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens mit Wirkung ab 1. Februar 1996 eine halbe Invalidenrente zu (Verfügung vom 8. Februar 2000).
 
B.- Mit hiegegen erhobener Beschwerde liess M.________ die Ausrichtung einer ganzen Invalidenrente beantragen. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich führte einen doppelten Schriftenwechsel durch und wies die Beschwerde mit Entscheid vom 29. Januar 2002 ab.
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt M.________ ihr vorinstanzliches Rechtsbegehren erneuern.
 
Die IV-Stelle beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Die Beschwerdeführerin hat am 19. März 2002 einen Auszug aus den Salärempfehlungen 1999 des Schweizerischen Kaufmännischen Verbandes (SKV) eingereicht und gestützt darauf neue Sachbehauptungen zur Berechnung des Valideneinkommens erhoben.
 
Die Beibringung neuer Beweisurkunden ist - unter Vorbehalt eines zweiten Schriftenwechsels oder neuer erheblicher Tatsachen oder entscheidender Beweismittel im Sinne von Art. 137 lit. b OG - gemäss Art. 108 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 132 OG nach Ablauf der Rechtsmittelfrist unzulässig (BGE 127 V 357 Erw. 4). Dasselbe gilt für neue tatsächliche Behauptungen. Sowohl der verspätet eingereichte Auszug aus den Salärempfehlungen 1999 des SKV als auch die darauf beruhenden neuen Sachbehauptungen in der Eingabe vom 19. März 2002 sind daher aus formellrechtlichen Gründen unbeachtlich.
 
2.- a) Im Rahmen des durch die Verfügung vom 8. Februar 2000 und den vorinstanzlichen Entscheid bestimmten, den Anspruch auf eine Invalidenrente beinhaltenden Streitgegenstandes bildet die Höhe des Invaliditätsgrades das im letztinstanzlichen Verfahren zu beurteilende Teilelement.
 
b) Die Vorinstanz hat die massgeblichen Bestimmungen und die Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruches (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG) sowie die Bemessung der Invalidität bei Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 106 V 136 Erw. 2a und b) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen zur Bedeutung, die den ärztlichen Stellungnahmen bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades zukommt (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen), zu dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen) sowie zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung und zum Beweiswert eines Arztberichts (BGE 125 V 352 Erw. 3a; RKUV 2000 Nr. KV 124 S. 214).
 
3.- a) Mit Bezug auf die ihr noch zumutbare Restarbeitsfähigkeit rügt die Beschwerdeführerin, dass die Vorinstanz hiefür auf das MEDAS-Gutachten vom 12. Januar 1999 und die darin unter Berücksichtigung der gesamthaften (somatischen, psychischen und neuropsychologischen) Befunde ermittelte Arbeitsfähigkeit von 50 % im Beruf als unselbstständige Treuhänderin abgestellt hat. Sie ist der Auffassung, gestützt auf die zuhanden des Unfallversicherers erstellten Gutachten des Neurologen Dr. med. R.________ vom 19. November 1998, und des Psychiaters Dr. med. H.________ vom 10. Januar 1999, sei von einer Arbeitsunfähigkeit von 70 % auszugehen, wovon 30 % somatisch und 40 % psychisch bedingt seien.
 
b) Das kantonale Gericht hat im Einzelnen dargelegt, welche Vorbehalte gegenüber der abweichenden Arbeitsfähigkeitsbeurteilung in den beiden im unfallversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten bestehen.
 
Es hat im Weiteren eingehend begründet, weshalb die Beweiskraft des MEDAS-Gutachtens in diesem Punkt höher einzuschätzen ist. Die diesbezüglichen Darlegungen der Vorinstanz erfüllen die aus dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung fliessenden Anforderungen an eine sorgfältige Würdigung einer unterschiedlichen ärztlichen Beurteilung/ Einschätzung der Restarbeitsfähigkeit durch verschiedene Sachverständige optima forma. Mit dem, was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, wird keines der von der Vorinstanz angeführten Beweiswürdigungselemente widerlegt, sondern lediglich die eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des kantonalen Richters gesetzt. Einer Verletzung der aus dem Verfahrensgrundsatz der freien Beweiswürdigung fliessenden Regeln ist damit nicht dargetan.
 
4.- a) Hinsichtlich des Valideneinkommens ist der (hypothetische) Status der Beschwerdeführerin als unselbstständigerwerbende Treuhänderin, wenn sie nicht invalid geworden wäre, im letztinstanzlichen Verfahren nicht mehr streitig. Sie beanstandet lediglich noch, dass Vorinstanz und Verwaltung das Valideneinkommen auf Fr. 70'000.- und nicht auf den höheren Durchschnittswert von Fr. 72'040.- gemäss Salärempfehlungen 1999 des SKV für die Funktionsstufe C und eine Angestellte im Alter von 52 Jahren festgesetzt haben.
 
b) Die Versicherte übersieht, dass eine Erhöhung des Validen- auch ein entsprechend höheres Invalideneinkommen zur Folge hätte, da im vorliegenden Fall die erwerblich-berufliche Berechnungsgrundlage - unselbstständige Erwerbstätigkeit als Treuhänderin - bei beiden Vergleichseinkommen dieselbe ist. Abgesehen davon hat die Vorinstanz schlüssig dargelegt, dass auch dann, wenn man beim zuletzt vor dem Unfall vom 10. Februar 1991 erzielten realen Erwerbseinkommen der Versicherten anknüpft, wovon nur ausnahmsweise - unter hier nicht gegebenen besondern Umständen - abgewichen werden darf (RKUV 1993 Nr. U 168 S. 101 Erw. 3b), unter Berücksichtigung der Nominallohnentwicklung bis und mit dem Jahre 2000 ein Valideneinkommen von rund Fr. 69'300.- resultieren würde. Auch dies schliesst eine rechtsfehlerhafte Ermittlung des von der Beschwerdeführerin im Gesundheitsfall erzielbaren Erwerbseinkommens aus.
 
5.- a) Mit Bezug auf das Invalideneinkommen rügt die Beschwerdeführerin, dass die Vorinstanz gleich wie die Verwaltung von dem einer 50 %igen Arbeitsfähigkeit entsprechenden, trotz Invalidität noch erzielbaren Einkommen von Fr. 35'000.- lediglich einen Abzug von 7 % zufolge Minderentlöhnung von Teilzeitbeschäftigten vorgenommen hat.
 
Sie will diesen Abzug auf die Differenz zwischen dem Durchschnitts- und dem Minimalwert (Fr. 72'040.-/Fr. 61'234.-) der Lohnskala für gleichaltrige Angestellte in der Funktionsstufe C gemäss Salärempfehlung 1999 des SKV, somit auf 15 % festgesetzt wissen.
 
b) Es trifft zu, dass ein reduzierter Beschäftigungsgrad eine im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten geringere Entlöhnung zur Folge haben kann. Für teilzeitbeschäftigte Frauen verhält es sich aber gerade umgekehrt. Sie verdienen mehr als Vollzeitbeschäftigte, und zwar in allen Anforderungsniveaus.
 
In Berufen, die wie derjenige der Beschwerdeführerin Berufs- und Fachkenntnisse voraussetzen, beträgt der Mehrverdienst zwischen 7 % und 10 % (Bundesamt für Statistik, Die Schweizerische Lohnstrukturerhebung 1998 [LSE 1998], Kommentierte Ergebnisse und Tabellen, S. 19 mit TA 6 S. 20). Da andere persönliche oder berufliche Merkmale, die einen so genannten Behindertenabzug rechtfertigen könnten (vgl. dazu BGE 126 V 78 Erw. 5a/cc), nicht ersichtlich sind, könnte sich daher höchstens fragen, ob der von Vorinstanz und Verwaltung gewährte Teilzeitbeschäftigungsabzug von 7 % bundesrechtskonform ist, nicht aber ob ein höherer Abzug begründet ist.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung
 
zugestellt.
 
Luzern, 30. Juli 2002
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der III. Kammer:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
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