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Informationen zum Dokument  BGer C 150/2001  Materielle Begründung
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BGer C 150/2001 vom 11.04.2002
 
[AZA 7]
 
C 150/01 Vr
 
III. Kammer
 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger;
 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl
 
Urteil vom 11. April 2002
 
in Sachen
 
K.________, 1957, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Stampfenbachstrasse 32, 8001 Zürich, Beschwerdegegner,
 
und
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
A.- Der 1957 geborene K.________ arbeitete vom 1. Juni 1993 bis Ende Juli 1994 als Verkaufsleiter bei der Firma M.________ AG. Basierend auf einem neuen, bis Ende Dezember 1995 befristeten Arbeitsvertrag, welcher ein Salär auf reiner Provisionsbasis vorsah, war er auch ab 1. August 1994 weiterhin für das Unternehmen tätig. Gleichzeitig meldete er sich zur Arbeitsvermittlung an und ersuchte um Zusprechung von Arbeitslosenentschädigung für die Zeit ab
 
1. August 1994. Nach ablehnender Verfügung des Kantonalen Amtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Zürich (KIGA; nunmehr:
 
Amt für Wirtschaft und Arbeit, AWA), vom 20. November 1995 bejahte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 7. Januar 1999 einen anrechenbaren Arbeitsausfall des Versicherten ab 1. August 1994 sowie dessen Vermittlungsfähigkeit.
 
Am 15. November 1999 forderte die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI, Zürich, K.________ gestützt auf einen in Rechtskraft erwachsenen Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Oktober 1999, wonach dem Versicherten im Rahmen der Zwischenverdienstermittlung für die Zeit vom Oktober 1994 bis Ende Januar 1995 ein berufs- und ortsüblicher Lohn in Höhe von Fr. 28.80 pro Stunde anzurechnen sei, verfügungsweise auf, Arbeitslosentaggelder im Betrag von Fr. 7854. 55 zurückzuerstatten.
 
Ein von diesem am 20. Dezember 1999 gestelltes Ersuchen um Erlass der - unangefochten gebliebenen - Rückforderung wies das AWA mit Verfügung vom 17. Januar 2000 ab.
 
B.- Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 20. April 2001 ab.
 
C.- K.________ erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihm der Rückforderungsbetrag von Fr. 7854. 55 gesamthaft, eventuell teilweise zu erlassen.
 
Das AWA und das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf eine Vernehmlassung.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Streitig und zu prüfen ist einzig der Erlass der Rückerstattungsschuld. Nach ständiger Rechtsprechung geht es somit nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 OG (BGE 122 V 223 Erw. 2 mit Hinweis), weshalb das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen hat, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
 
2.- a) Das kantonale Gericht hat die Gesetzesbestimmungen über die Rückforderung von unrechtmässig bezogenen Leistungen der Arbeitslosenversicherung (Art. 95 Abs. 1 AVIG) und den ganzen oder teilweisen Erlass der Rückerstattung (Art. 95 Abs. 2 AVIG; BGE 126 V 48) sowie die nach der Rechtsprechung notwendigen Voraussetzungen für die Berufung auf den guten Glauben (BGE 112 V 103 Erw. 2c, 110 V 180 Erw. 3c; ARV 1998 Nr. 14 S. 73 Erw. 4a) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
 
b) Zu ergänzen ist, dass hinsichtlich der Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts praxisgemäss zu unterscheiden ist zwischen dem guten Glauben als fehlendem Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen Umständen auf den guten Glauben berufen kann oder ob er bei zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen sollen.
 
Die Frage nach dem Unrechtsbewusstsein gehört zum inneren Tatbestand und ist daher Tatfrage, die nach Massgabe von Art. 105 Abs. 2 OG von der Vorinstanz verbindlich beurteilt wird. Demgegenüber gilt die Frage nach der gebotenen Aufmerksamkeit als frei überprüfbare Rechtsfrage, soweit es darum geht, festzustellen, ob sich jemand angesichts der jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse auf den guten Glauben berufen kann (BGE 122 V 223 Erw. 3, 102 V 246 Erw. b; ARV 1998 Nr. 41 S. 237 Erw. 3 mit weiteren Hinweisen).
 
Der angefochtene Entscheid enthält hinsichtlich des Unrechtsbewusstseins des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Bezug der vollen Arbeitslosentaggelder während seiner Zwischenverdiensttätigkeit keine für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlichen Feststellungen. Da das kantonale Gericht das Vorliegen des guten Glaubens vielmehr ausschliesslich unter dem Aspekt der groben Fahrlässigkeit untersucht hat, steht einer freien Überprüfung im letztinstanzlichen Verfahren nichts im Wege.
 
3.- a) aa) Unbestritten ist, dass sich der Beschwerdeführer keiner Verletzung von Melde- und Auskunftspflichten oder anderer Verpflichtungen eines Bezügers von Arbeitslosenentschädigung schuldig gemacht hat. Die Vorinstanz verneint aber den guten Glauben, da dem Versicherten auf Grund des ihm nach Fähigkeit und Bildungsgrad zuzumutenden Mindestmasses an Sorgfalt hätte bewusst sein müssen, dass er nicht seine Arbeitskraft in einem derart hohen Umfang der ehemaligen und neuen Arbeitgeberin zur Verfügung stellen und gleichzeitig Arbeitslosenentschädigung beziehen konnte, wie wenn er vollständig arbeitslos gewesen wäre.
 
bb) Dies vermag nicht zu überzeugen. Die Entgegennahme von Arbeitslosenentschädigung in ausgerichteter Höhe war unrechtmässig, weil der Beschwerdeführer mit seiner Arbeitgeberin ab 1. August 1994 eine unüblich tiefe Entlöhnung auf reiner Provisionsbasis vereinbart hatte, sodass der für die Monate Oktober 1994 bis Januar 1995 angegebene Zwischenverdienst (Fr. 0.-) in Nachachtung der in Art. 24 Abs. 3 AVIG normierten Regelung durch die Verwaltung auf die berufs- und ortsüblichen Ansätze angehoben und ein Verdienstausfall lediglich im Umfang der Differenz zwischen der berufs- und ortsüblichen Entschädigung und dem versicherten Verdienst angenommen wurde. Das mit dem Kriterium der Berufs- und Ortsüblichkeit gesetzgeberisch bezweckte Ziel, unüblich tiefen Entlöhnungen entgegenzutreten, damit Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht im Sinne eines Lohndumpings einen zu niedrigen Lohn vereinbaren können, um die Differenz zu Lasten der Arbeitslosenversicherung entschädigen zu lassen (BGE 120 V 245 Erw. 2c; Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Bd. Soziale Sicherheit, S. 131 Rz 346), ist indes - entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts - für juristische Laien nicht ohne weiteres erkenn- und nachvollziehbar.
 
Selbst wenn im Übrigen - wie vorliegend geschehen - die versicherte Person dem Arbeitsamt die beabsichtigte Zwischenverdiensttätigkeit im Voraus meldet - und damit über die in Art. 22 AVIV (in der vom 1. Januar 1992 bis Ende 1996 in Kraft gestandenen, hier anwendbaren Fassung [BGE 122 V 36 Erw. 1 mit Hinweis]) stipulierten Obliegenheit hinaus geht - , nimmt dieses selber keine materielle Prüfung der Orts- und Branchenüblichkeit vor, sondern erstattet lediglich der Kasse Meldung. Erfolgt aber die Prüfung der Orts- und Branchenüblichkeit erst nach geleisteter Arbeit, setzt sich die versicherte Person der Gefahr aus, einen ungedeckten Verdienstausfall im Ausmass der Differenz zwischen dem effektiv erzielten und dem fiktiven Lohn zu erleiden. Der Beschwerdeführer kam nachweislich der Akten - wie bereits dargelegt - seinen Anmelde-, Kontroll- und Auskunftspflichten stets einwandfrei nach. Namentlich hat er - im Gegensatz zu dem in ARV 1998 Nr. 14 S. 70 ff. publizierten und von der Vorinstanz vergleichsweise zitierten Urteil, worin ein Versicherter den Umstand, dass er beinahe ein Jahr unentgeltlich in der Firma seines Sohnes arbeitete, der Arbeitslosenkasse nicht meldete - seine Zwischenverdiensttätigkeit wie auch das sich auf Fr. 0.- belaufende Einkommen vorschriftsgemäss monatlich deklariert. Beanstandungen seitens der Verwaltung waren nicht erfolgt, zumal der Beschwerdeführer nach eigener Aussage auch zu keinen weiteren Vermittlungs- oder Kontrollgesprächen im Sinne von Art. 22 AVIV aufgeboten worden war, anlässlich welchen das Erfordernis der Orts- und Branchenüblichkeit der Lohnansätze hätte thematisiert werden können. Darauf hinzuweisen ist ferner, dass es einer Arbeitslosenkasse, welche einen berufs- und ortsunüblichen Lohn während einer gewissen Zeit akzeptiert hat, unbenommen bleibt, diesen - ohne "Übergangsfrist" oder spezielle Ankündigung - für eine spätere Kontrollperiode einer näheren Prüfung zu unterziehen und - dann erst - eine allfällige Aufrechnung vorzunehmen (vgl. BGE 124 V 233 Erw. 5b; ARV 2000 Nr. 20 S. 99 f. Erw. 2c); eine rückwirkende Anhebung der Lohnansätze indes ist nicht ohne weiteres möglich.
 
Entgegen der Betrachtungsweise der Vorinstanz kann es dem Beschwerdeführer somit unter den konkreten Umständen nicht als grobfahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden, wenn er - auch bei Anwendung des ihm nach Fähigkeit und Bildungsgrad zumutbaren Mindestmasses an Sorgfalt - nicht von sich aus zur Einsicht gelangt ist, die Lohnansätze seien in berufs- und branchenüblichem Ausmass aufzurechnen bzw. die Arbeitslosentaggelder in entsprechendem Umfang zu reduzieren. Dies hat insbesondere auch vor dem Hintergrund zu gelten, dass erst mit Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 7. Januar 1999 die Vermittlungsfähigkeit und damit überhaupt der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung bejaht wurden und dasselbe Gericht die Höhe des in Anschlag zu bringenden orts- und berufsüblichen Lohnes, dessen Ermittlung selbst für Fachpersonen eine anspruchsvolle Aufgabe darstellt (vgl. Rz 191 des bundesamtlichen Kreisschreibens über die Arbeitslosenentschädigung [KS-ALE], gültig ab 1. Januar 1992), erst mit Entscheid vom 29. Oktober 1999 endgültig festgesetzt hat.
 
b) Ist nach dem Gesagten die Gutgläubigkeit des Beschwerdeführers zu bejahen, bleibt als weitere Erlassvoraussetzung die weder von der Verwaltung noch von der Vorinstanz beantwortete Frage zu prüfen, ob die Rückzahlung in Höhe von Fr. 7854. 55 eine grosse Härte im Sinne von Art. 95 Abs. 2 AVIG darstellt. Zu diesem Zweck ist die Sache an das AWA zurückzuweisen.
 
4.- Da kein Versicherungsleistungsstreit vorliegt (vgl. Erw. 1 hievor), ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Nach Art. 135 in Verbindung mit Art. 156 Abs. 1 OG werden die Gerichtskosten in der Regel der vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht unterliegenden Partei auferlegt. Da das AWA von der Kostenpflicht befreit ist (Art. 156 Abs. 2 OG), wird - trotz Unterliegens - von einer Auferlegung der Gerichtskosten abgesehen.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne
 
gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
 
des Kantons Zürich vom 20. April 2001
 
und die Verfügung des Amtes für Wirtschaft und Arbeit
 
des Kantons Zürich vom 17. Januar 2000 aufgehoben werden
 
und die Sache an das Amt für Wirtschaft und Arbeit
 
des Kantons Zürich zurückgewiesen wird, damit dieses,
 
nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erw. 3b, über
 
das Erlassgesuch des Beschwerdeführers vom 20. Dezember
 
1999 neu befinde.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 900.- wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet.
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI, Zürich, und dem
 
Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
 
Luzern, 11. April 2002
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident Die Gerichts- der III. Kammer: schreiberin:
 
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