VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 4C.380/2000  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 4C.380/2000 vom 14.01.2002
 
[AZA 0/2]
 
4C.380/2000/bmt
 
I. ZIVILABTEILUNG
 
*******************************
 
14. Januar 2002
 
Es wirken mit: Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter,
 
Präsident, Klett, Rottenberg Liatowitsch und Gerichtsschreiber
 
Huguenin.
 
---------
 
In Sachen
 
A.________, Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André P. Rees, Dufourstrasse 122, Postfach 918, 8034 Zürich,
 
gegen
 
B.________, Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Marius Brem, Seehofstrasse 9, Postfach 6462, 6000 Luzern 6,
 
betreffend
 
Aktivlegitimation,
 
hat sich ergeben:
 
A.- Der in Slowenien wohnhafte B.________ (Kläger) bzw.
 
sein Onkel C.________ mit Wohnsitz in München schloss am 13. Oktober 1994 in Zürich mit der D.________ AG einen Anlagevertrag.
 
Damit wurde dem Anleger bei wöchentlichen Auszahlungen eine Nettorendite von 2,5 % pro Trade (108 % pro Jahr) versprochen, sofern die Rendite durch entsprechende Trades erwirtschaftet werde. Als Anlagebetrag wurden USD 500'000.-- genannt. Zur Sicherung des Anlagebetrages wurde auf ein separates "Notarschreiben" verwiesen, das zum Bestandteil des Vertrags erklärt wurde.
 
A.________ (Beklagter) ist Inhaber des Zürcher Notarpatents und führt eine Rechts- und Treuhandpraxis in Zürich. Er bestätigte am 13. Oktober 1994 an die Adresse von C.________ in München was folgt:
 
"Um die vertragsgemässe Anlage der von Ihnen auf das
 
"Notarkonto" bei der Bank E.________ überwiesenen
 
Beträge zu gewährleisten, bestätige ich hiermit:
 
Die auf das Konto "Notarkonto" Nr. 6371 - 0 der
 
D.________ AG bei der Bank E.________ überwiesenen
 
und einbezahlten Beträge werden nur für Anlagen im
 
Sinne des oben erwähnten Anlagevertrages verwendet.
 
Verfügungen über das Konto können nur mit meiner
 
Zustimmung erfolgen.
 
Die Zustimmung für die Kapitalfreigabe für Anlagen
 
gemäss Anlagevertrag erfolgt nur dann, wenn sichergestellt
 
ist, dass auf dem Konto der D.________ AG
 
bei der Traderbank entweder das Kapital oder das
 
entsprechende Anlagepapier einer Prime-Bank deponiert
 
ist.
 
Eine weitere Haftung meinerseits ist ausgeschlossen.. "
 
Der Kläger übergab den Verantwortlichen der D.________ AG am 13. Oktober 1994 in den Räumen der Bank E.________ einen Check über USD 500'000.--, welcher Betrag dem Konto der D.________ AG bei der bezeichneten Bank unter der Rubrik "Notar" gutgeschrieben wurde. Am 9. Februar 1995 kündigte C.________ - der Onkel des Klägers - den Anlagevertrag und verlangte die Rückzahlung des investierten Betrags, worauf ihm die D.________ AG USD 300'000.-- zurückerstattete.
 
Die versprochene Rückzahlung des Restbetrages von USD 200'000.-- blieb dagegen aus. Über die D.________ AG wurde in der Folge der Konkurs eröffnet.
 
B.- Am 19. September 1997 gelangte der Kläger an das Bezirksgericht Meilen mit dem Rechtsbegehren, es habe ihm der Beklagte unter ausdrücklichem Vorbehalt des Nachklagerechts Fr. 300'000.-- (USD 200'000.-- zum Kurs von 1,5) nebst 5 % Zins seit 10. Februar 1995 zu zahlen. Mit Urteil vom 16. Dezember 1999 verpflichtete das Bezirksgericht den Beklagten zur Zahlung von USD 200'000.-- nebst 5 % Zins seit
 
10. Februar 1995.
 
Auf Berufung des Beklagten beim Obergericht des Kantons Zürich entschied dieses mit Urteil vom 31. Oktober 2000, der Beklagte werde in teilweiser Gutheissung der Klage verpflichtet, dem Kläger Fr. 281'250.-- nebst 5 % Zins seit
 
10. Februar 1995 zu bezahlen; im Mehrbetrag wurde die Klage abgewiesen. Das Obergericht kam mit der ersten Instanz zum Schluss, der Kläger sei aktivlegitimiert und der Beklagte habe seine Verpflichtung zur Überwachung des "Notarkontos" nicht wahrgenommen, weshalb er dem Kläger aus unsorgfältiger Mandatsführung hafte.
 
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde des Beklagten mit Beschluss vom 22. September 2001 ab, soweit es auf sie eintrat.
 
C.- Mit Berufung beantragt der Beklagte dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts vom 31. Oktober 2000 aufzuheben und festzustellen, dass der Berufungskläger dem Berufungsbeklagten unter dem Titel Haftung aus Auftrag bzw.
 
aus unerlaubter Handlung nichts schuldet.
 
Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Neue Begehren sind in der Berufung ausgeschlossen (Art. 55 Abs. 1 lit. b OG). Mit seiner kantonalen Berufung hat der Beklagte vor dem Obergericht die vollumfängliche Abweisung der Klage beantragt. Eine negative Feststellungsklage hat er im kantonalen Verfahren nicht erhoben. Auf den neu gestellten Antrag, das Bundesgericht habe festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger unter dem Titel Haftung aus Auftrag bzw. aus unerlaubter Handlung nichts schulde, kann nicht eingetreten werden.
 
2.- Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden. Ausnahmen von dieser Bindung bestehen insoweit, als das kantonale Sachgericht bundesrechtliche Beweisvorschriften verletzt hat oder ihm offensichtliche Versehen unterlaufen sind (Art. 63 Abs. 2 OG). Vorbehalten bleibt ferner die Vervollständigung eines Sachverhalts, der lückenhaft ist, weil Feststellungen über - im kantonalen Verfahren rechtzeitig und in zulässiger Form vorgebrachte - Tatsachenbehauptungen fehlen, deren Abklärung im Hinblick auf die Anwendung des Bundesrechts unerlässlich ist (Art. 64 OG). Dass die Voraussetzungen solcher Ausnahmen gegeben sind, hat die Partei, die den Sachverhalt berichtigt oder ergänzt wissen will, im Einzelnen darzutun und mit Aktenhinweisen zu belegen (BGE 115 II 484 E. 2a). Eine blosse Kritik an der Beweiswürdigung ist unzulässig (BGE 120 II 97 E. 2b).
 
Der Beklagte macht keine Ausnahmen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG gehörig geltend. Er beanstandet in seiner eventualiter vorgetragenen Rüge, dass die Vorinstanz den Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung seiner auftragsrechtlichen Pflichten und dem Schaden des Klägers zu Unrecht bejaht habe. Dabei stützt er sich jedoch auf einen Sachverhalt, welcher den Feststellungen im angefochtenen Urteil insofern widerspricht, als er davon ausgeht, der vom Kläger am 13. Oktober 1994 der D.________ AG mit Check überreichte Betrag von USD 500'000.-- sei nicht auf das "Notarkonto" bei der Bank E.________ gelangt. Die Vorinstanz ist indessen in Würdigung der Beweise zum Ergebnis gelangt, dass der vom Kläger der D.________ AG bezahlte Betrag dem "Notarkonto" gutgeschrieben worden ist. Inwiefern die Vorinstanz Bundesrechtsnormen verletzt haben sollte, wenn sie auf der Grundlage dieser Tatsachenfeststellung eine - für den Schaden des Klägers adäquat kausale - Unsorgfalt bei der Erfüllung des Auftrags durch den Beklagten bejahte, ist der Begründung der Berufungsschrift nicht zu entnehmen. Die Berufung erschöpft sich in diesem Punkt in unzulässiger Kritik an den Feststellungen der Vorinstanz, auf die nicht weiter einzugehen ist.
 
3.- Der Beklagte rügt hauptsächlich, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie die Aktivlegitimation des Klägers bejaht habe.
 
a) Im angefochtenen Urteil wird festgestellt, dass im Vertrag mit der D.________ AG der Onkel des Klägers - C.________ - als Anleger angegeben wurde, während der Kläger den Vertrag selbst unterzeichnete und bei diesem Anlass den Check über USD 500'000.-- in Anwesenheit seines Onkels den für die D.________ AG handelnden Personen übergab. Die Vorinstanz weist ausserdem darauf hin, dass der Kläger seinem Onkel am 5. August 1994 eine schriftliche Vollmacht erteilt hat, welche diesen ermächtigte, im Namen des Klägers Verträge abzuschliessen und zu unterschreiben, bei der Bank Kredite aufzunehmen sowie "Gelder abzuheben und zu beleihen".
 
Diese Vollmacht war weder der D.________ AG noch dem Beklagten bekannt. Die Vorinstanz hat jedoch festgestellt, der Beklagte sei bereit gewesen, seine Bestätigung gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner der D.________ AG abzugeben.
 
Daraus hat die Vorinstanz den Schluss gezogen, es sei dem Beklagten im Sinne von Art. 32 Abs. 2 OR gleichgültig gewesen, mit wem er den Vertrag schliesse.
 
b) Der Beklagte bestreitet zu Recht nicht, dass ein Vertrag zwischen ihm und dem Kläger zustande gekommen ist, falls die Voraussetzungen von Art. 32 Abs. 2 OR gegeben waren. Er geht zutreffend davon aus, dass die Gleichgültigkeit im Sinne dieser Vorschrift als innerer Wille der betreffenden Person eine Tatfrage betrifft, welche das kantonale Gericht für das Bundesgericht verbindlich feststellt, dass dagegen als Rechtsfrage beurteilt werden kann, ob das kantonale Gericht den Begriff der Gleichgültigkeit und die rechtserheblichen Umstände zutreffend definiert sowie den mutmasslichen Willen nach dem Vertrauensgrundsatz richtig bestimmt hat (BGE 117 II 387 E. 2b).
 
Die Vorinstanz hat den inneren Willen des Beklagten aus dessen Aussage abgeleitet, er habe angenommen, dass die Bestätigung für mehrere Anleger benötigt würde, weshalb er auf Wunsch eines der Verantwortlichen der D.________ AG gleich mehrere derartige Bestätigungen mit seiner Originalunterschrift ausgestellt habe. Entgegen der Behauptung des Beklagten hat die Vorinstanz damit in Würdigung der konkreten Aussage des Beklagten auf dessen tatsächlichen Willen geschlossen. Sie hat eine Bindung des Beklagten gegenüber dem Kläger damit nicht bloss aus einem - normativ - zurechenbaren Verhalten abgeleitet (vgl. zur Bedeutung des Vertrauensgrundsatzes BGE 123 III 35 E. 2b). Dass das Bezirksgericht, auf dessen Urteil der Beklagte Bezug nimmt, aus den Umständen auf einen als hypothetisch bezeichneten Willen der D.________ AG geschlossen hat, bedeutet jedenfalls nicht, dass auch der Wille des Beklagten selbst als normativ zu gelten hätte und vom Obergericht als solcher ermittelt worden wäre. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Vorinstanz von einem unzutreffenden bundesrechtlichen Begriff der Gleichgültigkeit ausgegangen wäre und dementsprechend auf unerhebliche Umstände abgestellt oder erhebliche Umstände unbeachtet gelassen hätte. Der Beklagte behauptet dies denn auch nicht, sondern seine Vorbringen erschöpfen sich in unzulässiger Kritik an der Feststellung der Vorinstanz über seinen tatsächlichen Willen. Insoweit kann auf die Berufung nicht eingetreten werden.
 
4.- Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist, und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend ist die Gerichtsgebühr dem Beklagten aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Dieser hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) vom 31. Oktober 2000 wird bestätigt.
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'500.-- wird dem Beklagten auferlegt.
 
3.- Der Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 7'500.-- zu entschädigen.
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt.
 
_____________
 
Lausanne, 14. Januar 2002
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).