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Informationen zum Dokument  BGE 124 IV 219  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. (Eintretensfrage) ...
2. a) Das Bezirksgericht hatte angenommen, die gemäss Art. 2 ...
3. a) Nach Art. 35 Abs. 1 SVG ist rechts zu kreuzen und links zu  ...
4. (Kostenfolgen) ...
5. (Gegenstandslosigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde) ...
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37. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. Juni 1998 i.S. J. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 35 Abs. 1 SVG, Art. 8 Abs. 3 VRV und Art. 36 Abs. 5 VRV. Wird auf einer Autobahn die Aufhebung des rechten Fahrstreifens angezeigt, beginnt die Phase des Eingliederns der Fahrzeuge in die weitergeführte Fahrspur.  
 
Sachverhalt
 
BGE 124 IV, 219 (219)Am 14. Januar 1997 ereignete sich auf der Autobahn A 1 bei Safenwil ein Unfall. Aus diesem Grund musste der rechte Fahrstreifen mittels Triopan-Signalisation gesperrt werden. Bei der Autobahneinfahrt Aarau West wurde ein festes Signal mit dem Hinweis «Stau» aufgestellt, und etwa einen Kilometer vor der Unfallstelle wurde der Spurabbau mit dem Signal «Anzeige der Fahrstreifen, BGE 124 IV, 219 (220)1000 Meter Spurabbau rechts» angekündigt. Der Verkehr bewegte sich in einer zähfliessenden Kolonne auf der Überholspur. Trotz der Hinweissignale auf den Spurabbau setzte J. seine Fahrt auf der Normalspur fort und fuhr rechts an der Kolonne vorbei.Aufgrund dieses Sachverhalts verurteilte das Bezirksamt Zofingen J. mit Strafbefehl vom 6. März 1997 wegen Nichtbeachtens des Signals «Anzeige der Fahrstreifen» und verbotenen Rechtsvorbeifahrens auf der Autobahn zu einer Busse von Fr. 300.--. Auf Einsprache von J. hin, erklärte das Bezirksgericht Zofingen diesen am 18. September 1997 der Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Ziff. 1 des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr (SVG; SR 741.01) i.V.m. Art. 35 Abs. 1 SVG und 36 Abs. 5 der Verordnung über die Strassenverkehrsregeln (VRV; SR 741.11) (verbotenes Rechtsvorbeifahren auf Autobahnen) schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 300.--, bei Nichtbezahlung umwandelbar in Haft. Eine gegen diesen Entscheid erhobene Berufung des Verurteilten wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 14. Januar 1998 kostenfällig ab.
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Gegen diesen Entscheid führt J. sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde je mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung (Freispruch von Schuld und Strafe) an die Vorinstanz zurückzuweisen.Das Obergericht des Kantons Aargau hat auf Gegenbemerkungen, die Staatsanwaltschaft auf Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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2. a) Das Bezirksgericht hatte angenommen, die gemäss Art. 27 SVG zu beachtenden Signale und Markierungen seien nur dann verbindlich, wenn sie den Vorschriften der Signalisationsverordnung (SSV; SR 741.21) entsprächen (Art. 101 Abs. 1 SSV). Das Triopan-Signal «Spurabbau rechts in 1000 Metern» sei in der SSV nicht vorgesehen und entfalte daher keine rechtlich bindende Wirkung. Es künde lediglich eine zukünftige Gefahr an. Die Missachtung dieses Signals sei für sich allein nicht strafbar. Hingegen sei das Verhalten des Beschwerdeführers als verbotenes Rechtsvorbeifahren zu qualifizieren.Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, im zu beurteilenden Fall könne nicht von parallelem Kolonnenverkehr ausgegangen werden, BGE 124 IV, 219 (221)so dass die Ausnahmebestimmung von Art. 8 Abs. 3 VRV und die Sonderregel für den Verkehr auf Autobahnen von Art. 36 Abs. 5 lit. a VRV ausser Betracht fielen. Der Beschwerdeführer habe die sich auf der linken Fahrspur bewegende Fahrzeugkolonne über mehrere hundert Meter rechts passiert, so dass kein Einreihemanöver angenommen werden könne. Es könne auch nicht gesagt werden, das nicht von vornherein ungefährliche Fahrverhalten des Beschwerdeführers habe zur Verhinderung einer stärkeren Staubildung beigetragen, da erfahrungsgemäss das spätere Sicheinfügen in eine vor einem Verkehrshindernis zurückstauende Fahrzeugkolonne diese zum Abbremsen veranlasse und den Verkehrsfluss daher eher beeinträchtige, sicher aber nicht erhöhe.
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b) Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 35 Abs. 1 SVG sowie der Art. 8 Abs. 3 und 36 Abs. 5 VRV. Die Vorinstanz habe ihr Urteil allein auf den Wortlaut der genannten VRV-Bestimmungen abgestützt, ohne die Besonderheit der konkreten Situation zu berücksichtigen. Indem er auf einer offenen Fahrspur aufschloss, nachdem die vor ihm fahrenden Fahrzeuglenker die Fahrspur gewechselt hatten, und sich schliesslich vor dem effektiven Spurabbau in die linke Kolonne einreihte, habe er sich vollkommen verkehrsadäquat verhalten. Werde eine zweispurige Fahrbahn auf die linke Fahrspur verlegt, müsse es möglich und gestattet sein, auf der rechten Fahrspur aufzuschliessen, auch wenn dabei die formellen Anforderungen an eine Kolonne gemäss VRV (noch) nicht erfüllt seien.
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3. a) Nach Art. 35 Abs. 1 SVG ist rechts zu kreuzen und links zu überholen, woraus sich ein Verbot des Rechtsüberholens ergibt. Ein Überholen liegt vor, wenn ein schnelleres Fahrzeug ein in gleicher Richtung langsamer vorausfahrendes einholt, an ihm vorbeifährt und vor ihm die Fahrt fortsetzt, wobei weder das Ausschwenken noch das Wiedereinbiegen eine notwendige Voraussetzung des Überholens bilden (BGE 114 IV 55 E. 1 mit Hinweisen). Auf Autobahnen und Autostrassen darf der Fahrzeuglenker gemäss Art. 36 Abs. 5 VRV beim Verkehr in parallelen Kolonnen rechts an anderen Fahrzeugen vorbeifahren (vgl. auch Art. 8 Abs. 3 VRV). Dabei ist jedoch nur das Rechtsvorbeifahren an anderen Fahrzeugen gestattet; das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen ist gemäss Art. 8 Abs. 3 Satz 2 VRV ausdrücklich untersagt (BGE 115 IV 244 E. 2). Nach der Rechtsprechung darf der Fahrzeuglenker, der zum Zweck des Rechtsabbiegens rechts einspurt, rechts an geradeausfahrenden Verkehrsteilnehmern vorbeifahren BGE 124 IV, 219 (222)(BGE 114 IV 55 E. 1 mit Hinweis auf BGE 104 IV 198 E. 3c). Hingegen macht sich des unerlaubten Rechtsüberholens schuldig, wer auf dem Pannenstreifen einer Autobahn über eine Strecke von 400 bis 500 Meter Länge an einer stockenden Fahrzeugkolonne rechts vorbeifährt, um auf diesem Wege die Autobahn über die nächste Ausfahrt zu verlassen (BGE 114 IV 55).
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Vereinigen sich zwei auf gleicher Fahrbahn nebeneinander bestehende Geradeausspuren zu einer sich in gleicher Richtung fortsetzenden Spur, sind die Fahrzeuge in beiden Streifen gleichberechtigt (BGE 96 IV 124 E. 1, S. 128 f.). Das Einfügen in die weitergeführte Fahrspur ist weder ein Wechsel des Fahrstreifens im Sinne von Art. 34 Abs. 3 oder 44 Abs. 1 SVG noch ein Einspuren gemäss Art. 36 Abs. 1 SVG und 13 Abs. 1 VRV.Auf Autobahnen ist somit beim Fahren in parallelen Kolonnen das blosse Rechtsvorbeifahren an anderen Fahrzeugen sowie der Wechsel des Fahrstreifens, wenn dies ohne Behinderung des übrigen Verkehrs möglich ist, gestattet (BGE 115 IV 244 E. 3). Paralleler Kolonnenverkehr setzt nach der Rechtsprechung dichten Verkehr auf den Fahrspuren der entsprechenden Fahrtrichtung, mithin ein längeres Nebeneinanderfahren von mehreren sich in gleicher Richtung bewegenden Fahrzeugreihen, voraus (BGE a.a.O., E. 3a).
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b) Wie bei der Aufhebung eines Fahrstreifens im einzelnen zu verfahren ist, wird vom Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Nach den verbindlichen und von der Vorinstanz willkürfrei festgestellten Tatsachen herrschte im zu beurteilenden Fall auf der rechten Fahrspur der Autobahn kein Kolonnenverkehr und fuhr der Beschwerdeführer als Einzelfahrer an der stockenden Fahrzeugkolonne auf dem linken Fahrstreifen vorbei. Er kann sich daher, wie die Vorinstanz zu Recht erkannt hat, nicht auf die Bestimmungen von Art. 8 Abs. 3 und 36 Abs. 5 VRV berufen. Dennoch verstösst sein Verhalten entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht gegen das Verbot des Rechtsüberholens gemäss Art. 35 Abs. 1 SVG. Dies ergibt sich aus der Berücksichtigung der dem Fall zugrundeliegenden konkreten Situation.Auf dem fraglichen Autobahnstück wurde wegen eines Unfalls bei der Unfallstelle die rechte Fahrspur aufgehoben. Dies wurde mittels Triopan-Signalen frühzeitig angezeigt. Nachdem mit ersten Tafeln die Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit signalisiert wurde, machte ein folgendes Faltsignal «Anzeige der Fahrstreifen» (Art. 59 SSV; Signal 4.77) auf einen Spurabbau «in 1000 Metern» aufmerksam. Wie das Bezirksgericht zu Recht BGE 124 IV, 219 (223)erkannte, war die rechte Fahrspur durch das Signal nicht gesperrt und die Fahrt auf derselben bis zu deren eigentlichen Aufhebung grundsätzlich erlaubt. Wird die Aufhebung des rechten Fahrstreifens angezeigt, gilt das Gebot des Rechtsfahrens gemäss Art. 34 Abs. 1 SVG und Art. 8 Abs. 1 VRV nicht mehr. Mit der Anzeige wird jedoch die freie Fahrt auf der betreffenden Spur beschränkt und beginnt die Phase des Eingliederns der Fahrzeuge in die weitergeführte Fahrspur. Die Fahrt auf dem rechten Fahrstreifen entspricht dann einem eigentlichen Aufschliessen bis zum Verkehrshindernis bzw. zur Aufhebung der Spur. Das Signal «Anzeige der Fahrstreifen» schafft für die sich weiterhin auf diesem Fahrstreifen bewegenden Fahrzeuglenker keine Verpflichtung, sich sogleich in die linke Fahrspur einzureihen. Dies muss grundsätzlich auch dann gelten, wenn sich schon vor dem Ende der rechten Fahrspur so viele Verkehrsteilnehmer in den linken Fahrstreifen eingeordnet haben, dass sich auf diesem eine Kolonne gebildet hat, und auf dem rechten Streifen nurmehr wenige Fahrzeuge verbleiben. Die gegenteilige Auffassung würde zu unangemessenen Lösungen führen, da für die auf der rechten Spur verkehrenden Automobilisten im einzelnen ungewiss sein kann, von welchem Zeitpunkt an sich eine Kolonne auf der rechten Spur auflöst und somit das zunächst zulässige Rechtsvorbeifahren in parallelen Kolonnen zu einem verbotenen Rechtsüberholen wird.
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Fahrzeuge, die sich noch nicht eingegliedert haben, dürfen ihre Fahrt jedoch nicht ungehindert fortsetzen, sondern müssen auf die übrigen Verkehrsteilnehmer Rücksicht nehmen und ihre Geschwindigkeit den veränderten Verhältnissen anpassen (Art. 32 Abs. 1 SVG) und gegebenenfalls erheblich herabsetzen. Dies ergibt sich daraus, dass die auf der aufzuhebenden Fahrspur verbleibenden Fahrzeuglenker bis zum Ende der Spur sich auf die Eingliederung in die andere Fahrspur konzentrieren müssen und dabei andere Fahrzeuge nicht behindern dürfen. Ein eigentliches Vorpreschen auf der rechten Spur mit dem Zweck, sich möglichst weit vorn in die Kolonne einzuordnen, ist daher nicht zulässig. Ebenso gilt hier das für den parallelen Kolonnenverkehr statuierte Verbot des Rechtsüberholens durch Ausschwenken und anschliessendes Wiedereinbiegen (Art. 8 Abs. 3 VRV) analog. Sofern ein Fahrzeuglenker, der sich nicht sogleich in die stockende Kolonne einfügt, sich jedoch als Einzelfahrer, in angemessener Geschwindigkeit und vorsichtig auf seiner Fahrspur weiterbewegt, bis er in den linken Fahrstreifen einbiegen kann, macht er sich nicht des Rechtsüberholens schuldig, BGE 124 IV, 219 (224)auch wenn er sich nicht in einer Kolonne befindet. Dieses Ergebnis entspricht auch der von der deutschen Rechtsprechung entwickelten und im Grundsatz in § 7 Abs. 2a dtStVO aufgenommenen Regelung, nach welcher eine auf der linken Fahrspur stehende oder stockende Fahrzeugkolonne mit geringfügig höherer Geschwindigkeit unter Übung äusserster Vorsicht rechts überholt werden darf (JAGUSCH/HENTSCHEL, Strassenverkehrsrecht, 34. Auflage, München 1997, § 7 StVO N. 2 und 12a). Dasselbe gilt bei der analogen Situation vor Rotlichtern. So wird nach Schaffhauser das Rechtsüberholen von der Praxis auch bei gleichgerichteten Fahrspuren vor Lichtsignalen, die Halt gebieten, zugelassen. Stehen auf der linken Geradeausspur vor dem Rotlicht Fahrzeuge, darf somit auf der rechten Geradeausspur auch ein einzelnes Fahrzeug bis zum Haltebalken fahren (RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I, Bern 1984, S. 202 N. 548).Durch dieses Ergebnis entsteht kein Widerspruch zu BGE 114 IV 55, nach welchem sich der Automobilist, der auf dem Pannenstreifen einer Autobahn über eine kurze Strecke rechts an einer stockenden Fahrzeugkolonne vorbeifährt, um auf diesem Wege die Autobahn über die nächste Ausfahrt zu verlassen, des unzulässigen Rechtsüberholens schuldig macht. Denn das Rechtsüberholen setzt grundsätzlich einen freien Fahrstreifen voraus und kann nur insoweit zulässig sein, als es nicht nur unter Verletzung anderer Verkehrsregeln möglich ist (JAGUSCH/HENTSCHEL, a.a.O., § 7 StVO N. 12a). Der Pannenstreifen darf jedoch, auch wenn er als Teil der Fahrbahn gilt (BGE 114 IV 55 E. 2c), grundsätzlich nicht befahren werden (Art. 36 Abs. 3 VRV).
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Da dem Beschwerdeführer eine der gegebenen Verkehrssituation angepasste Fahrweise attestiert wurde, hat er sich somit nicht des Rechtsüberholens strafbar gemacht. Das angefochtene Urteil verletzt daher Bundesrecht und die Beschwerde erweist sich als begründet.
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