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Informationen zum Dokument  BGE 119 IV 326  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
7. a) Gegen Zwangsmassnahmen (Art. 45 ff. VStrR) und damit zusamm ...
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61. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 29. November 1993 i.S. S. gegen Bundesamt für Kommunikation
 
 
Regeste
 
Art. 26, Art. 45 ff. VStrR. Beschlagnahme von Modems.  
2. Die Anklagekammer hat nur zu prüfen, ob die Beschlagnahme als solche zulässig ist (E. 7c und d).  
3. Verhältnismässigkeit der Beschlagnahme (E. 7e).  
4. Umschreibung der mit Beschlag zu belegenden Gegenstände im Durchsuchungsbefehl (E. 7g).  
 
Sachverhalt
 
BGE 119 IV, 326 (327)A.- Am 8. Januar 1993 eröffnete das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM; im folgenden: Bundesamt) gegen die Firma S. in Meilen eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts auf eine Widerhandlung im Sinne von Art. 57 des Fernmeldegesetzes vom 21. Juni 1991 (FMG). Der Firma wird zur Last gelegt, mit Modems zu handeln, welche mit einer BAKOM-Zulassungsnummer versehen sind, im Innern aber nicht den technischen Anforderungen des BAKOM entsprechen. Am 23. Februar 1993 wurden in den Geschäftsräumlichkeiten der Firma S. fünf Modems beschlagnahmt, welche zu diesem Zeitpunkt nicht zugelassen waren. Gegen diese Beschlagnahme wurde keine Beschwerde erhoben.
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B.- Da insbesondere aufgrund einer an Kundengeräten durchgeführten technischen Prüfung der konkrete Verdacht bestand, dass die Firma S. weitere abgeänderte (und damit nicht mehr der Zulassung entsprechende) sowie nicht zugelassene Modems anpries und in Verkehr brachte, wurden am 21. Oktober in den Räumlichkeiten der Firma S. in Meilen und an deren Stand an der Fernmeldefachmesse "WinWorld" im Kongresshaus Zürich zahlreiche Modems sowie verschiedene Ordner mit Lieferscheinen und Rechnungen beschlagnahmt. Die Papiere wurden auf Einsprache hin versiegelt.
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C.- Mit Beschwerde vom 25. Oktober 1993 beantragt F. S. der Anklagekammer des Bundesgerichts, die beschlagnahmten Geräte seien vom Beschlag zu befreien und, soweit erforderlich, ihm zurückzugeben; weiter seien die beschlagnahmten Dokumente vom Beschlag zu befreien und ihm versiegelt zurückzugeben mit der Erlaubnis, die Versiegelung entfernen zu dürfen.
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Das Bundesamt beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.
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Aus den Erwägungen:
 
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b) Soweit sich die Beschwerde gegen die Beschlagnahme von Dokumenten richtet, ist darauf nicht einzutreten, denn die Papiere wurden auf Einsprache hin versiegelt; damit liegt diesbezüglich keine mit Beschwerde anfechtbare Zwangsmassnahme vor (vgl. BGE 109 IV 153 E. 1).
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c) Die Anklagekammer hat nur zu entscheiden, ob die Beschlagnahme zulässig ist. Ob sich der Beschwerdeführer einer strafbaren BGE 119 IV, 326 (328)Handlung schuldig gemacht hat, kann hier nicht geprüft werden (vgl. BGE 104 IV 125 E. 4). Ob die in Frage stehenden Modems nicht zugelassen sind und ob der Beschwerdeführer mit dem Erstellen, Betreiben, Anpreisen oder Inverkehrbringen der allenfalls nicht zugelassenen Modems tatsächlich eine Widerhandlung im Sinne von Art. 57 FMG begangen hat, wird das Bundesamt im gegen ihn eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren zu prüfen und zu beweisen haben. In diesem Verfahren wird insbesondere auch zu prüfen sein, inwieweit der Beschwerdeführer die durch den Beschwerdegegner als Zulassungsbehörde verlangten Änderungen an den Geräten vorgenommen habe und er sich nach Treu und Glauben auf den angeblichen Befund des Mitarbeiters des Beschwerdegegners, wonach die meisten der beschlagnahmten Geräte nach wie vor zugelassen seien, verlassen durfte; dasselbe gilt für die Vermutung des Beschwerdeführers, der Beschwerdegegner habe das Modem X. stillschweigend als zugelassen erachtet. Das Bundesamt wird ebenso abzuklären haben, ob der Beschwerdeführer schuldhaft handelte. Auf die entsprechenden Vorbringen in der Beschwerde, die sich zur Hauptsache gegen die nach dem Gesagten nicht zu prüfende materielle Begründetheit des gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens richtet, ist im vorliegenden Verfahren daher nicht einzutreten.
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d) Der Beschwerdegegner als Fachinstanz legt in seiner Vernehmlassung dar, dass abgesehen von den drei GVC-Modems alle beschlagnahmten Geräte nicht zugelassen sind. Damit ist die Voraussetzung des hinreichenden Anfangsverdachts einer Widerhandlung im Sinne von Art. 57 FMG aber ohne weiteres erfüllt, weshalb zu Recht ein Verwaltungsstrafverfahren eröffnet wurde. Dass die Untersuchungsbeamten nicht aus eigenem Antrieb tätig geworden sind, sondern erst auf Anzeige eines Konkurrenten hin, spielt dabei keine Rolle, denn die Beamten haben die Untersuchung von Amtes wegen durchzuführen, wenn sich - allenfalls aufgrund einer Anzeige von Dritten - ein begründeter Verdacht einer Widerhandlung ergibt.
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Die beschlagnahmten Geräte sind offensichtlich geeignet, der Verwaltung den Beweis der allenfalls begangenen Widerhandlung im Sinne von Art. 57 FMG zu ermöglichen.
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e) Weniger einschneidende Massnahmen sind in der Regel nicht geeignet, den durch das Fernmeldegesetz angestrebten wirksamen Schutz der gutfunktionierenden Fernmeldeordnung des Landes (vgl. BBl 1988 I 1328, 1333; vgl. bereits zum früheren TVG: BGE 103 IV 115 E. 3c) zu sichern. Hinzu kommt, dass die Beschlagnahme BGE 119 IV, 326 (329)lediglich eine provisorische prozessuale Massnahme zur vorläufigen Beweissicherung darstellt, die nicht ausführlich begründet werden muss und die aufgehoben wird, wenn sich der bestehende Verdacht im Laufe der Untersuchung als unbegründet erweist und die Geräte nicht eingezogen werden müssen. Ein anderes, ebenso geeignetes und zuverlässiges Beweismittel, das sich die Verwaltung ohne Beschlagnahme hätte beschaffen können, ist nicht ersichtlich. Insbesondere vermag die Beschlagnahme nur einzelner Geräte der verschiedenen Typen entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine ausreichende Gewähr dafür zu bieten, dass die fraglichen Geräte nicht noch vor Abschluss des Strafverfahrens verwertet werden.
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Die Beschlagnahme ist daher auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit nicht zu beanstanden. Dies gilt auch in bezug auf die Beschlagnahme anlässlich der Fernmeldefachmesse "WinWorld"; denn an solchen Messen dürfen nicht zugelassene Geräte ohne Bewilligung nur ausgestellt werden. Da der Beschwerdeführer eines der nicht zugelassenen Geräte indessen ohne die dafür erforderliche Bewilligung an das öffentliche Netz angeschlossen und betrieben hat - was er nicht bestreitet -, waren auch dieses sowie das mit einer falschen Zulassungsnummer versehene ausgestellte Gerät als Beweismittel zu beschlagnahmen.
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f) Da Gegenstände, die als Beweismittel geeignet sein könnten, beim jeweiligen Inhaber beschlagnahmt werden können (vgl. Art. 47 Abs. 1 VStrR), spielt es keine Rolle, dass der Beschwerdeführer in bezug auf die in den Rechtsbegehren Ziff. I. und II. erwähnten Geräte nicht auch "Zulassungsverfügungsbegünstigter" ist.
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Dasselbe gilt für das ebenfalls beschlagnahmte Funktelefon eines Mitarbeiters.
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g) Wie der Beschwerdegegner zu Recht ausführt, steht der Wortlaut des Durchsuchungsbefehls einer Beschlagnahme von nicht ausdrücklich erwähnten Geräten nicht entgegen, denn es wird ausdrücklich verfügt, dass insbesondere diese Geräte zu ermitteln und sicherzustellen seien. Die Formulierung erfasst damit sinngemäss ohne weiteres auch weitere ähnliche, möglicherweise nicht zugelassene Geräte, die bei der Durchsuchung vorgefunden werden.
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