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Informationen zum Dokument  BGE 118 IV 363  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. a) Die Vorinstanz nimmt an, die Beschwerdeführerin habe s ...
2. a) Im Gegensatz zur Urkundenfälschung durch Herstellen ei ...
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63. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Dezember 1992 i.S. E. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 251 Ziff. 1 StGB; Falschbeurkundung.  
 
Sachverhalt
 
BGE 118 IV, 363 (363)A.- E. stellte als verantwortliche Geschäftsführerin der Firma E.-Reinigung Mitte April 1989 den italienischen Staatsangehörigen P. als Hilfskraft ein. Am 19. September 1989 stellte die Firma ein Gesuch für eine Arbeitsbewilligung. Das kantonale Arbeitsamt Solothurn wies dieses am 3. Oktober 1989 ab. Dennoch wurde P. bis zum 27. November 1989 weiterbeschäftigt. Im weiteren führte E. bei sechs Lohnabrechnungen nicht den richtigen Namen des P. auf, sondern in Absprache mit dessen Schwiegervater M.R. dessen Gemahlin A.R. Das Gehalt nahm jeweils M.R. für seinen Schwiegersohn P. entgegen. Die Sozialleistungen wurden abgezogen und sollten ebenfalls unter dem Namen A.R. abgerechnet werden.
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B.- Am 31. Mai 1990 verurteilte der Amtsgerichtspräsident von Olten-Gösgen E. wegen Beschäftigung eines Ausländers, der nicht berechtigt ist, in der Schweiz zu arbeiten (Art. 23 Abs. 4 ANAG), und wegen fortgesetzter Urkundenfälschung zu 14 Tagen Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren.
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C.- Das Obergericht des Kantons Solothurn wies eine von E. gegen dieses Urteil erhobene, auf die Frage der Urkundenfälschung beschränkte Appellation am 5. September 1991 ab.
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BGE 118 IV, 363 (364)D.- E. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen:
 
1. a) Die Vorinstanz nimmt an, die Beschwerdeführerin habe sich der Falschbeurkundung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB schuldig gemacht. Die von ihr erstellten sechs Lohnabrechnungen seien insofern unwahr, als sie mit A.R. eine Arbeitnehmerin auswiesen, die die Arbeiten, für die der in den Abrechnungen aufgeführte Lohn bezahlt worden sei, nicht selber erbracht habe. Es gebe keinen Anlass, die Bezeichnung der Person des Arbeitnehmers vom Urkundencharakter von Lohnabrechnungen auszunehmen, sei doch gerade die Arbeitnehmerbezeichnung von einer Bedeutung, die ihr Urkundencharakter zukommen lasse. Die Lohnabrechnung spiele eine Rolle sowohl in sozialversicherungs- als auch in steuerrechtlicher Hinsicht. Zudem sei aufgrund der Bezeichnung der Person des Arbeitnehmers in der Lohnabrechnung für die Fremdenpolizei ersichtlich, ob eine Arbeitsbewilligung vorliege. Hier liege auch der Grund für das Vorgehen der Beschwerdeführerin. Sie habe vertuschen wollen, dass sie einen Ausländer ohne Arbeitsbewilligung beschäftigte. Die Lohnabrechnung erweise sich als Grundlage für eine Reihe von Behörden, welche nicht nur auf die wahrheitsgetreue Angabe des Lohnes, sondern auch darauf angewiesen seien, dass der als Arbeitnehmer Bezeichnete mit demjenigen identisch sei, der die Arbeit tatsächlich ausgeführt habe.
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b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Lohnabrechnung sei nicht zum Beweis dafür geeignet, dass die Arbeit von jener Person geleistet worden sei, die darin als Arbeitnehmer genannt sei.
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2. a) Im Gegensatz zur Urkundenfälschung durch Herstellen einer unechten Urkunde, wo die Täuschung durch das Verfälschen des Inhalts der Urkunde oder das Vorspiegeln eines anderen Ausstellers bewirkt wird, geht es bei der Falschbeurkundung allein darum, dass die in der Urkunde enthaltene Erklärung nicht mit der Wahrheit übereinstimmt. Das Vertrauen darin, dass eine Urkunde nicht verfälscht wird, ist und darf grösser sein als das Vertrauen darauf, dass jemand in schriftlicher Form nicht lügt. Deshalb sind an die Beweisbestimmung und Beweiseignung einer Urkunde bei der Falschbeurkundung hohe Anforderungen zu stellen. Art. 251 StGB BGE 118 IV, 363 (365)ist restriktiv anzuwenden, soweit es um die Falschbeurkundung geht (BGE 117 IV 39 und 167). Die Lehre fordert, dass die im Verhältnis zur schriftlichen Lüge erhöhte Überzeugungskraft der unwahren Urkunde einzig und allein dann angenommen wird, wenn allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gewährleisten, wie sie unter anderem in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson und in gesetzlichen Vorschriften gefunden werden können, die, wie etwa die Bilanzvorschriften der Art. 958 ff. OR, gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen. Blosse Erfahrungsregeln hinsichtlich der Glaubwürdigkeit irgendwelcher schriftlicher Äusserungen (z.B. solcher, die dem Erklärenden ungünstig sind) genügen dagegen nicht, mögen sie auch zur Folge haben, dass sich der Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf die entsprechenden Angaben verlässt (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, § 38 N 45 mit Hinweis auf LOTTNER, Der Begriff der Urkunde und die Abgrenzung zwischen Falschbeurkundung und strafloser schriftlicher Lüge, Diss. Basel 1969, S. 70 ff.). In der neueren Praxis nahm deshalb das Bundesgericht in teilweiser Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung an, ein Garagist, der für nicht ausgeführte Arbeiten eine Rechnung erstelle, begehe keine Falschbeurkundung (BGE 117 IV 35 ff.). In einem anderen Fall verneinte das Bundesgericht eine Falschbeurkundung bei einer zuhanden einer Anlegerin ausgestellten fingierten Bestätigung, wonach der Aussteller einen von der Anlegerin einem Dritten übergebenen Geldbetrag auf treuhänderischer Basis verwalte und einen bestimmten Jahreszins entrichten werde (BGE 117 IV 168 mit Hinweis). Schliesslich verneinte das Bundesgericht eine Falschbeurkundung bei Erstellen von inhaltlich unwahren Regierapporten (BGE 117 IV 165 ff.; grundsätzlich zustimmend FRANZ RIKLIN, Baurecht 2/92, S. 32 ff.).
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b) Im Lichte dieser Praxis ist die Annahme einer Falschbeurkundung im vorliegenden Fall bundesrechtswidrig. Es ist nicht ersichtlich, dass und weshalb Lohnabrechnungen, soweit nicht besondere gesetzliche Vorschriften bestehen, eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommen soll. Die Vorinstanz beruft sich nicht auf solche Vorschriften. Ob die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt des Sozialversicherungsrechts und gegebenenfalls des Steuerrechts unkorrekt gehandelt hat, ist für die Frage der Falschbeurkundung unerheblich. Soweit sie Sozialversicherungsbeiträge nicht ordnungsgemäss abgerechnet und entrichtet hat, beurteilt sich eine allfällige Strafbarkeit nach den Strafbestimmungen der Sozialversicherungsgesetze BGE 118 IV, 363 (366)(Art. 87 Abs. 2 AHVG; Art. 70 IVG; Art. 76 Abs. 2 BVG; Art. 112 Abs. 1 UVG). Entsprechendes gilt, sofern sie steuerrechtliche Vorschriften, etwa in bezug auf die Quellensteuer, verletzt haben sollte. Ebenso betrifft es die Auslegung des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG), ob die Beschwerdeführerin durch ihr Verhalten über den Tatbestand der unberechtigten Beschäftigung von Ausländern gemäss Art. 23 Abs. 4 ANAG hinaus gegen weitere Bestimmungen des Fremdenrechts verstossen hat.
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