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Informationen zum Dokument  BGE 113 IV 13  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 159 Abs. 2 StGB ist der ungetreue Geschä ...
2. Art. 65 StGB ("Strafsätze") ist in verschiedener Hinsicht ...
3. Der Kassationshof hatte sich noch nie ausdrücklich mit de ...
4. Freiheitsstrafe und Busse sind Hauptstrafen. Sie sind auch dan ...
5. Die Sache ist demnach in Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerd ...
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5. Urteil des Kassationshofes vom 24. April 1987 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen c. H. (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 65 StGB. Strafmilderung bei auf Gefängnis und Busse lautender Strafdrohung.  
 
Sachverhalt
 
BGE 113 IV, 13 (14)A.- Das Obergericht des Kantons Schaffhausen verurteilte H. am 19. September 1986 im Berufungsverfahren wegen fortgesetzter Gehilfenschaft zu ungetreuer Geschäftsführung und fortgesetzter Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung in Anwendung von Art. 159 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 25 StGB, Art. 87 Abs. 2 AHVG, Art. 68 Ziff. 1, 69 und 41 Ziff. 1 StGB zu einer Gefängnisstrafe von zehn Monaten, abzüglich neun Tage Untersuchungshaft, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren.
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B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts des Kantons Schaffhausen sei aufzuheben und die Sache sei zur Ausfällung einer angemessenen Busse an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Verurteilte beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft darf in Fällen, in denen das Gesetz kumulativ Gefängnis (ohne Mindestdauer) und Busse (ohne Angabe eines Mindestbetrages) androht, bei einer Strafmilderung gemäss Art. 65 StGB, auf den Art. 25 StGB verweist, auf die Ausfällung einer Busse nicht verzichtet werden.
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BGE 113 IV, 13 (15)2. Art. 65 StGB ("Strafsätze") ist in verschiedener Hinsicht unvollständig. Er regelt nicht das Vorgehen in Fällen, in denen das Gesetz alternativ Zuchthaus oder Gefängnis androht. Eine in verschiedenen Vorentwürfen enthaltene diesbezügliche Vorschrift ist im Verlauf der weiteren Vorarbeiten aus nicht mehr erkennbaren Gründen fallengelassen worden (s. dazu GUSTAV MAURER, Die Strafzumessung im schweizerischen Strafgesetzbuch, Diss. ZH 1945, S. 98 ff. mit Hinweisen; vgl. auch BGE 71 IV 79, SJZ 39/1942/3 S. 97). Art. 65 StGB regelt auch nicht die Strafmilderung in Fällen, in denen das Gesetz eine Busse in einem bestimmten Mindestbetrag androht. Der Grund hiefür liegt darin, dass die Tatbestände des StGB im Unterschied zu verschiedenen Tatbeständen in Nebenstrafgesetzen keine solche Strafdrohung enthalten (s. dazu BGE 90 IV 3, BJM 1963 S. 28). Art. 65 StGB regelt sodann nicht den vorliegend zur Diskussion stehenden Fall, in dem in einem Straftatbestand kumulativ Freiheitsstrafe und Busse angedroht sind.
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3. Der Kassationshof hatte sich noch nie ausdrücklich mit der Frage zu befassen, ob es im Falle der kumulativen Androhung von Freiheitsstrafe und Busse bei Vorliegen eines nach Art. 65 StGB zu berücksichtigenden Strafmilderungsgrundes zulässig sei, gänzlich auf die Busse oder auf die Freiheitsstrafe zu verzichten. In BGE 90 IV 1, welcher den Tatbestand des Führens eines Motorfahrzeuges ohne die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung (Art. 96 Ziff. 2 SVG) und den Strafmilderungsgrund des jugendlichen Alters gemäss Art. 100 aStGB betraf, musste die Frage nicht entschieden werden, da die damalige Beschwerdeführerin (Staatsanwaltschaft) den Verzicht auf die Ausfällung einer Freiheitsstrafe nicht beanstandet, sondern lediglich gerügt hatte, dass die in Art. 96 Ziff. 2 SVG vorgeschriebene Mindesthöhe der Busse unterschritten worden war.
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Zur Frage der Strafmilderung bei kumulativer Androhung von Freiheitsstrafe und Busse in einem Straftatbestand gibt es, soweit überblickbar, weder kantonale Gerichtsentscheide noch Stellungnahmen in der Literatur.
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Die verschiedenen Vorentwürfe zu einem Strafgesetzbuch enthielten keine Regel betreffend den Strafsatz im Falle einer Strafmilderung bei kumulativer Androhung von Freiheitsstrafe und Busse. Den Materialien kann nicht entnommen werden, weshalb der Gesetzgeber auf eine diesbezügliche Bestimmung verzichtet hat.
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BGE 113 IV, 13 (16)4. Freiheitsstrafe und Busse sind Hauptstrafen. Sie sind auch dann eigenständige Strafen, wenn sie in einem bestimmten Straftatbestand kumulativ angedroht werden. Das Vorgehen bei der Milderung einer Busse kann daher nicht davon abhängen, ob diese in einem bestimmten Straftatbestand als einzige Strafe oder kumulativ neben einer Freiheitsstrafe angedroht wird. In beiden Fällen kann eine Busse lediglich auf 1 Franken gemildert werden. Der Verzicht auf die in einem bestimmten Tatbestand kumulativ neben Gefängnis angedrohte Busse geht über eine blosse Strafmilderung hinaus.
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Daran vermag auch nichts zu ändern, dass gemäss Art. 65 in fine StGB statt auf Gefängnis auf Busse erkannt werden kann. Dadurch wird nicht auf die Ausfällung einer selbständigen Hauptstrafe verzichtet, sondern diese Strafe gemäss einer klaren gesetzlichen Bestimmung durch Umwandlung der Strafart gemildert. Das Argument des Beschwerdegegners, dass der Richter statt auf die Ausfällung der Gefängnisstrafe (durch Umwandlung derselben in eine Busse) "in maiore minus" auf die Ausfällung der in einem bestimmten Straftatbestand kumulativ neben Gefängnis angedrohten Busse müsse verzichten können, ist daher unbehelflich. Der Richter könnte auf die Ausfällung einer Busse selbst dann nicht verzichten, wenn er statt dessen die ohnehin auszusprechende Gefängnisstrafe erhöhte, was der Betroffene unter Umständen als eine Milderung empfinden mag; ein solches Vorgehen bei der Strafmilderung ist, anders als die Umwandlung der Gefängnisstrafe in Busse, im Gesetz nicht vorgesehen und daher unzulässig.
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Der Verzicht auf die Ausfällung einer Busse widerspricht im vorliegenden Fall zudem der ratio legis. Die Busse wird beim Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung gerade wegen der Gewinnsucht des Täters oder Teilnehmers kumulativ neben der Gefängnisstrafe angedroht. Es kann daher vernünftigerweise auf die Busse nicht wegen eines Strafmilderungsgrundes (blosse Gehilfenschaft, Art. 25 StGB) verzichtet werden, der die Gewinnsucht nicht berührt.
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Da der Beschwerdegegner unterliegt, hat er die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 278 BStP).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, und die Sache wird im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie den Beschwerdegegner auch mit einer Busse bestrafe.
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