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Informationen zum Dokument  BGE 111 IV 167  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Schuldspruch wegen Teilnahme an einer nichtbewilligten Dem ...
2. Art. 90 SVG erfasst in Ziff. 1 als Übertretung jeden Vers ...
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41. Urteil des Kassationshofes vom 13. Dezember 1985 i.S. L. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 90 Ziff. 2 SVG; organisierte "Bummelfahrt" auf der Autobahn zu Protestzwecken.  
 
Sachverhalt
 
BGE 111 IV, 167 (167)Am Freitagnachmittag, 30. November 1984, führten das Trucker-Team-Schweiz und der westschweizerische Fahrlehrerverband auf den Autobahnen rund um Bern Bummelfahrten durch als Protest gegen die neuen Vorschriften des Bundesrates über Geschwindigkeitsbeschränkungen und Verkehrsabgaben. An dieser nicht bewilligten Demonstration nahm auch L. teil. Er fuhr während der zwei Runden, die er mitmachte, grösstenteils an der Spitze der Gruppe demonstrierender Fahrzeuge, die durch langsames Fahren auf beiden Spuren der Autobahn den normalen Verkehr verunmöglichen und Staus verursachen wollten. Dieses Ziel wurde erreicht. Durch langsames Fahren auf der ganzen Breite der Autobahn (mit einer Geschwindigkeit von höchstens 50-60 km/h an der BGE 111 IV, 167 (168)Spitze) kam es zu Staus, Verkehrsunfällen und einer zeitweiligen Blockierung des Autobahnnetzes.
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L. wurde vom Obergericht des Kantons Bern (I. Strafkammer) am 19. September 1985 wegen Teilnahme an einer nichtbewilligten Demonstration und wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 4 Abs. 5 VRV/Art. 90 Ziff. 2 SVG) zu einer Busse von Fr. 500.-- verurteilt. Der Gebüsste führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung "im Sinne der Erwägungen des Bundesgerichtes" an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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Die Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich ausschliesslich gegen die Bestrafung gemäss Art. 90 Ziff. 2 SVG. Dass L. durch seine Fahrweise im Rahmen der Protestveranstaltung gegen Art. 4 Abs. 5 VRV verstiess, indem er ohne zwingende Gründe vorsätzlich durch zu langsame Fahrt den gleichmässigen Verkehrsfluss hinderte, ist unbestritten. Die Strafbarkeit der Widerhandlung gegen eine klare Regel der VRV wird in der Beschwerdeschrift nicht in Zweifel gezogen. L. macht jedoch geltend, sein Verhalten sei zu Unrecht unter Ziff. 2 von Art. 90 SVG subsumiert und als Vergehen geahndet worden, obschon die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht erfüllt seien.
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a) Eine unbedachte fahrlässige Bummelfahrt, die andere behindert, aber nicht gefährdet, dürfte kaum je als grobe Verkehrsregelverletzung einzustufen sein. Dagegen verstösst das vorsätzliche Langsamfahren einer Gruppe von Automobilisten zwecks BGE 111 IV, 167 (169)planmässiger Behinderung des Verkehrsflusses auf einer Autobahn subjektiv und objektiv in grober Weise gegen die Vorschrift von Art. 4 Abs. 5 VRV. Es geht hier um ein bewusst rechtswidriges Verhalten, das sich deutlich abhebt von der grossen Zahl der SVG-Übertretungen, welche auf ein momentanes Versagen, eine kurze Unaufmerksamkeit oder eine ungeschickte Reaktion zurückzuführen sind. Das in Frage stehende Verhalten des Beschwerdeführers beruht auf einem Entschluss, der ruhig überlegt werden konnte. Ungewöhnlich und gravierend ist auch die Dauer der Verfehlung (im Vergleich zur Dauer einer durchschnittlichen SVG-Übertretung). Ein solches auf Behinderung des Verkehrs abzielendes Verletzen von Art. 4 Abs. 5 VRV in planmässigem Zusammenwirken mit andern überschreitet das Mass an Schuld und Rechtswidrigkeit, das üblicherweise bei SVG-Widerhandlungen festzustellen ist, bei weitem und muss in jeder Beziehung als grober Verstoss bezeichnet werden.
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b) Die Organisatoren und Teilnehmer der Demonstration wollten durch ihre Langsamfahrt auf Autobahnen Staus verursachen. Sie nahmen damit die Gefahr von Auffahr-Kollisionen in Kauf. Diese Folgen des Unternehmens, an dem er mitwirkte, musste auch der Beschwerdeführer erkennen. Jeder Automobilist weiss zur Genüge, welche unangenehmen Auswirkungen Staus auf Autobahnen haben. Wer durch organisierte Langsamfahrt Stauungen hervorruft, nimmt eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer in Kauf.
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Die Vorinstanz hat daher das Verhalten des Beschwerdeführers zu Recht unter Art. 90 Ziff. 2 SVG subsumiert. Ob der Beschwerdeführer vorwiegend 60 km/h fuhr, wie er behauptet, ist für die strafrechtliche Beurteilung nicht massgebend. Auch die planmässige Beschränkung der Geschwindigkeit auf 60 km/h auf allen Spuren der Autobahn hindert den gleichmässigen Verkehrsfluss und verletzt Art. 4 Abs. 5 VRV in grober Weise.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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