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Informationen zum Dokument  BGE 104 IV 6  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Unbestritten ist, dass dem Beschwerdegegner die gesamte Dauer  ...
2. Der Vorinstanz ist zuzugestehen, dass Art. 69 StGB nicht ausdr ...
3. Verletzt demnach der angefochtene Entscheid Art. 69 StGB, so i ...
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3. Urteil des Kassationshofes vom 11. April 1978 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gegen H.
 
 
Regeste
 
Art. 69 StGB.  
 
Sachverhalt
 
BGE 104 IV, 6 (7)A.- H. war am 19. Mai 1976 vom Korrektionsgericht Vevey wegen wiederholten Diebstahls und Hausfriedensbruchs zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von drei Monaten abzüglich 14 Tage Untersuchungshaft verurteilt worden. Im Jahre 1977 wurde gegen ihn ein Strafverfahren wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz eröffnet, in dessen Verlauf er sich vom 5. bis 13. Mai und vom 1. Juni bis 15. August in Sicherheitshaft befand. Am 11. Oktober 1977 bestrafte ihn das Strafgericht Basel-Stadt wegen wiederholter und fortgesetzter Widerhandlung gegen das BetmG zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von acht Monaten. Gleichzeitig widerrief es den H. vom Korrektionsgericht Vevey gewährten bedingten Vollzug der Strafe, erklärte diese aber als getilgt durch die vom Korrektionsgericht angerechneten 14 Tage Untersuchungshaft und die im neuen Strafverfahren vom 1. Juni bis 15. August 1977 erstandene Sicherheitshaft. Die vom 5. bis 13. Mai 1977 erstandene Haft wurde auf die neue Strafe angerechnet.
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B.- Auf Rekurs der Staatsanwaltschaft bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 8. Februar 1978 den erstinstanzlichen Entscheid bezüglich der Anrechnung der im neuen Strafverfahren erstandenen Sicherheitshaft.
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C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichtes sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die von H. vom 1. Juni bis 15. August 1977 erstandene Untersuchungshaft ebenfalls an die neu ausgefällte Strafe von acht Monaten Gefängnis anrechne und nicht an die Vorstrafe des Korrektionsgerichtes Vevey. H. hat sich innert der ihm gesetzten Frist nicht vernehmen lassen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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Die Vorinstanz anerkennt, dass die Freiheitsstrafe, von welcher das Gesetz spricht, in der Regel die Strafe ist, zu der der Angeklagte im hängigen Verfahren verurteilt wird. Ständen in diesem Verfahren aber zwei Freiheitsstrafen zur Diskussion, so lasse sich dem Wortlaut des Gesetzes nicht ohne weiteres entnehmen, auf welche von ihnen die Haft anzurechnen sei. Auch in diesem Fall werde es regelmässig die neue Strafe sein, sofern sie vollzogen werde. Treffe das nicht zu, müsse die Haft vernünftigerweise auf die Strafe angerechnet werden, die der Angeklagte nach dem Urteil tatsächlich zu verbüssen habe, hier also - da die neue Strafe bedingt aufgeschoben worden sei - auf die nunmehr vollziehbare frühere Strafe. Zwar hänge die Haft hier ausschliesslich mit der neuen Straftat zusammen. Wo jedoch die Voraussetzungen für die Anrechnung erfüllt seien, gehe es nicht mehr um Sinn und Zweck der Sicherheitshaft, die sich von denen der Strafverbüssung in verschiedener Hinsicht unterschieden (BGE 102 IV 157), sondern um jene der Anrechnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sei diese eine Billigkeitsmassnahme, durch welche vermieden werden solle, dass sich der Angeklagte vor dem Urteil der Haft und nachher überdies der Strafe, also einem doppelten Freiheitsentzug unterziehen müsse. Dem entspreche, dass nach der Praxis der Anrechnung die rechtliche Wirkung der Strafvollstreckung zukomme (BGE 102 IV 157, BGE 101 IV 387). Unter diesen Umständen aber könne es nicht mehr entscheidend auf den ursprünglichen Zusammenhang zwischen Tat und Haft ankommen, sondern vielmehr darauf, ob in ein und demselben Verfahren der anrechenbaren Haft eine zu verbüssende Freiheitsstrafe gegenüberstehe. Es erschiene als unbillig, wenn dem Angeklagten, der sich während längerer Zeit in Haft befunden habe, einerseits der bedingte Strafvollzug gewährt würde, er aber anderseits ungeachtet der erstandenen Haft einen gleichzeitig beurteilten Vorstrafenrest verbüssen müsste. Ähnliche Überlegungen lägen BGE 87 IV 1 zugrunde.
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2. Der Vorinstanz ist zuzugestehen, dass Art. 69 StGB nicht ausdrücklich sagt, dass die Anrechnung auf die Freiheitsstrafe erfolgen muss, die in dem Verfahren ausgefällt wurde, in welchem der Angeschuldigte auch die Untersuchungshaft erstanden hat. Sinngemäss ist jedoch dem Gesetz nichts anderes BGE 104 IV, 6 (9)zu entnehmen. Wenn Art. 69 StGB vorschreibt, dass die Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe anzurechnen sei, soweit der Täter die Haft nicht durch sein Verhalten nach der Tat herbeigeführt hat, so wird damit unmittelbar auf die Beziehung hingewiesen, die nicht nur zwischen Tat und Sanktion einerseits, sondern auch zwischen Tat und Untersuchungshaft anderseits bestehen muss. Haft und Sanktion müssen aus Anlass des sich auf dieselbe Tat beziehenden Verfahrens angeordnet bzw. ausgefällt worden sein. Dass dies allein der ratio legis entspricht, folgt auch aus dem zweiten Satz des Art. 69 StGB, wo ausdrücklich auf die Sanktion Bezug genommen und gesagt wird, wenn das Urteil auf Busse laute, könne die Dauer der Untersuchungshaft in angemessener Weise berücksichtigt werden. Hier wird der Zusammenhang zwischen Tat, Untersuchungshaft und Sanktion zweifelsfrei herausgestellt. Lehre und Rechtsprechung haben denn auch bis anhin Art. 69 StGB stets dahin verstanden, dass der Richter, der die Strafe abschliessend ausmisst, die Anrechnung der Haft auf diese vorzunehmen hat, mit anderen Worten, dass für die Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe der Grundsatz der Identität der Tat besteht (SCHWANDER, Das schweiz. StGB, S. 238; HAFTER, Allg. Teil, S. 355; H. R. ENDERLI, Die Anrechnung der Untersuchungshaft, Diss. Zürich 1942, S. 74; F. NÜSSLI, Die Anrechnung der Untersuchungshaft im schweiz. Strafrecht, Diss. Freiburg i.Ü. 1954, S. 45; und insbesondere BGE 85 IV 12). Entsprechend verhält es sich auch im deutschen Recht (SCHÖNKE/SCHRÖDER, Strafgesetzbuch, Kommentar, 18. Aufl. N. 8 ff. zu § 51) und im französischen (ENCYCLOPEDIE DALLOZ, Pénal II, unter "Détention provisoire et contrôle judiciaire" N. 197).
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Nach dem Gesagten kann aber nicht eine in einem zweiten Strafverfahren erstandene Untersuchungshaft auf eine frühere Strafe, deren bedingter Strafvollzug vom zweiten Strafrichter widerrufen wird, angerechnet werden. Darüber hilft auch der Umstand nicht hinweg, dass seit der am 1. Juli 1971 in Kraft getretenen Fassung des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 StGB bei Verbrechen oder Vergehen während der Probezeit der dafür zuständige Richter auch über den Vollzug der bedingt aufgeschobenen früheren Strafe befinden und dabei das neue Strafurteil und den Widerruf gegebenenfalls redaktionell in einem Entscheid zusammenfassen kann. Es handelt sich dabei gleichwohl um BGE 104 IV, 6 (10)zwei Verfahrensgänge mit unterschiedlichem Verfahrensgegenstand (s. BGE 99 IV 194 oben).
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Zudem übersieht die Vorinstanz, dass die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht eine blosse Vollzugsmassnahme ist, sondern Inhalt eines sachrichterlichen Entscheides bildet, der nach Erschöpfung der Rechtsmittel in Rechtskraft erwächst (s. BGE 102 IV 160 E. 3). Wenn deshalb das Korrektionsgericht Vevey in seinem Urteil vom 19. Mai 1976 entschied, dass H. 14 Tage der im damaligen Verfahren erstandenen Untersuchungshaft auf die bedingt aufgeschobene Strafe anzurechnen seien, so ist damit auch die Frage der Anrechnung von Untersuchungshaft auf diese Strafe mangels Anfechtung auf dem Rechtsmittelweg rechtskräftig und endgültig entschieden worden, und es kann insoweit nicht vom zweiten Richter, der den Widerruf des bedingten Strafvollzuges ausspricht, die Rechtskraft durchbrochen werden, indem er auf die frühere Strafe zusätzlich eine im zweiten Strafverfahren erstandene Untersuchungshaft anrechnet. Ein solches Vorgehen wäre vor dem 1. Juli 1971, als in aller Regel der Richter den bedingten Strafvollzug widerrief, der ihn gewährt hatte, schon an sich unmöglich gewesen. Dafür aber, dass der Gesetzgeber mit der Änderung der Zuständigkeit in Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 StGB materiell in die Ordnung des Art. 69 StGB hätte eingreifen und den Grundsatz der Identität der Tat aufgeben wollen, ist den Materialien nichts zu entnehmen.
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Schliesslich ist auch nicht einzusehen, weswegen es unbillig sein sollte, einem Angeklagten einerseits für die neue Strafe den bedingten Strafvollzug zu gewähren und ihn anderseits ungeachtet der im neuen Strafverfahren erstandenen Untersuchungshaft die Vorstrafe verbüssen zu lassen. Die zuletzt erstandene Untersuchungshaft wird ihm auf die neue Strafe angerechnet, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind. Sie kommt ihm zugute, falls er während der neuen Probezeit wieder straffällig werden oder das richterliche Vertrauen sonstwie täuschen sollte. Unbillig wäre es vielmehr, beispielsweise einem Angeklagten, dem eine im früheren Verfahren erstandene Untersuchungshaft nicht angerechnet werden konnte, weil er sie schuldhaft veranlasst hatte, bei Anlass des Widerrufs des ihm damals gewährten bedingten Strafvollzugs auf die Strafe eine im zweiten Verfahren erlittenen Haft anzurechnen. Das aber wäre die Konsequenz der von der Vorinstanz vertretenen BGE 104 IV, 6 (11)Auffassung. Aus BGE 87 IV 1 kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden, zumal dort auch der Zusammenhang von Tat, Sicherheitshaft und Sanktion klar gegeben war.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationsgerichts-Ausschusses des Kantons Basel-Stadt vom 8. Februar 1978 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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