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Informationen zum Dokument  BGE 90 IV 236  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1. Auf die Einrede der abgeurteilten Sache kann sich Boss nicht b ...
2. Die Behörden des Kantons Aargau gehen gestützt auf d ...
3. Vom gemeinsamen aargauischen Gerichtsstand abzuweichen, besteh ...
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49. Entscheid der Anklagekammer vom 18. November 1964 i.S. Boss gegen Staatsanwaltschaften der Kantone Aargau und Luzern.
 
 
Regeste
 
Art. 349 StGB, Art. 96 Ziff. 3, 100 Ziff. 2 Abs. 1 SVG.  
 
Sachverhalt
 
BGE 90 IV, 236 (236)A.- Am Abend des 18. Juli 1964 stellte die Polizei bei einer Strassenkontrolle in Dietwil AG fest, dass Josef Pfrunder ein Motorfahrzeug führte, für das keine Haftpflichtversicherung bestand und das die Kontrollschilder seines früheren Wagens trug. Nach den polizeilichen Ermittlungen gehörte das angehaltene Fahrzeug dem Autohändler Willy Boss in Ebikon, der es Pfrunder in Kenntnis der fehlenden Haftpflichtversicherung für die Fahrt nach Dietwil überlassen haben soll. Am 28. August klagte die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau Pfrunder der Widerhandlung gegen Art. 96 Ziff. 2 und 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG, Boss der Übertretung von Art. 96 Ziff. 2 in Verbindung mit Ziff. 3 SVG an.
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Auf Grund einer Aktenüberweisung des Bezirksamtes Muri vom 27. Juli 1964 führten auch die Luzerner Behörden eine Strafuntersuchung gegen Boss, ohne dass sie von dessen Verfolgung im Kanton Aargau erfuhren. Am 26. Oktober 1964 wurde das beim Statthalteramt LuzernLand gegen ihn hängige Verfahren eingestellt.
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B.- Boss ersucht mit Eingabe vom 19. Oktober 1964 BGE 90 IV, 236 (237)die Anklagekammer des Bundesgerichts um Feststellung, dass die Behörden des Kantons Aargau ihm gegenüber zur Strafverfolgung nicht zuständig seien.
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C.- Die Staatsanwaltschaften der Kantone Aargau und Luzern enthalten sich in ihren Vernehmlassungen bestimmter Anträge.
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Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
 
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Dass das Strassenverkehrsgesetz den Fahrzeughalter, der von der Widerhandlung des Führers Kenntnis hatte oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit haben konnte, nicht als Teilnehmer an der Tat des Fahrzeugführers, sondern nach Art. 96 Ziff. 3 SVG als Täter behandelt, schliesst die Anwendung des Art. 349 StGB nicht aus. Nach dieser Bestimmung sollen Straftaten, die so eng zusammenhangen wie jene des Täters, Anstifters, Gehilfen und Mittäters, im Interesse der Prozessökonomie und vor allem um zu verhindern, BGE 90 IV, 236 (238)dass sie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von mehreren Gerichten verschieden gewürdigt werden, am gleichen Ort verfolgt und beurteilt werden. Dies gilt, wie die Anklagekammer schon früher entschieden hat, auch dann, wenn das Gesetz für die Tat des Anstifters, Gehilfen oder Mittäters eine besondere Strafnorm aufstellt (BGE 73 IV 204). Die Überlegungen, die dieser Rechtsprechung zugrundeliegen, treffen auch in den Fällen des Art. 96 Ziff. 3 SVG zu, ebenso in jenen des Art. 100 Ziff. 2 Abs. 1 SVG. Der Halter, Arbeitgeber oder Vorgesetzte, der sich im Sinne dieser Bestimmungen vergeht, wird wegen seiner Mitwirkung an der Widerhandlung des Fahrzeugführers, die er nicht verhindert oder veranlasst hat, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Seine Beteiligung ist eine Art Mittäterschaft, weshalb er der gleichen Strafdrohung untersteht wie der Führer. Dieser enge Zusammenhang zwischen der Tat des einen und jener des andern begründet den Gerichtsstand des Art. 349 StGB (ebenso SCHULTZ, Strafbestimmungen des SVG, S. 59, 288).
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Demnach erkennt die Anklagekammer:
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Die Behörden des Kantons Aargau werden berechtigt und verpflichtet erklärt, Josef Pfrunder und Willy Boss für die ihnen zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.
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