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Informationen zum Dokument  BGE 143 III 177  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
6. Zu klären bleibt, ob die Stadt Chur im Prozess um die Auf ...
Erwägung 6.3
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29. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen C. und vice versa (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
5A_399/2016 / 5A_400/2016 vom 6. März 2017
 
 
Regeste
 
Art. 286 Abs. 2, Art. 289 Abs. 2 und Art. 293 Abs. 2 ZGB; Bevorschussung von Kindesunterhaltsbeiträgen durch das Gemeinwesen nach kantonalem öffentlichem Recht; Legalzession; Passivlegitimation im Abänderungsprozess.  
 
Sachverhalt
 
BGE 143 III, 177 (177)A.A. ist 2006 als Tochter von B.A. und C. geboren. Am 3. Juni 2008 verpflichtete das Bezirksgericht Plessur C. dazu, an den Unterhalt von Tochter A.A. rückwirkend ab 5. November 2006 monatlich BGE 143 III, 177 (178)einen Beitrag von Fr. 850.- zu bezahlen. Da der Kindsvater seiner Unterhaltspflicht nicht nachkam, bevorschussten die Sozialen Dienste der Stadt Chur die Unterhaltsbeiträge mit monatlich Fr. 737.-.
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Mit Schlichtungsgesuch vom 27. August 2013 resp. Abänderungsklage vom 29. Januar 2014 verlangte C., der an den Unterhalt von A.A. zu bezahlende monatliche Beitrag von Fr. 850.- sei ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage aufzuheben. Die Klage richtete sich ausschliesslich gegen A.A. Das Bezirksgericht Plessur setzte den Unterhaltsbeitrag mit Wirkung ab 1. November 2014 auf Fr. 650.- herab (Urteil vom 30. September 2014). Das Kantonsgericht von Graubünden hiess die Berufung des C. teilweise gut. Es reduzierte den an den Unterhalt von A.A. monatlich zu bezahlenden Beitrag mit Wirkung ab 27. August 2013 von Fr. 850.- auf Fr. 737.-, somit auf den von der Stadt Chur monatlich bevorschussten Betrag. Mit Wirkung ab dem 1. Mai 2016 hob es die Verpflichtung zur Leistung eines Unterhaltsbeitrages ganz auf.
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C. verlangt vor Bundesgericht, seine Verpflichtung zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen sei bereits mit Wirkung ab Beginn der Rechtshängigkeit der Klage aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen:
 
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6.1 Das Kantonsgericht erwog, die Sozialen Dienste der Stadt Chur hätten den Kindesunterhalt bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens mit Fr. 737.- monatlich bevorschusst, entsprechend dem Maximalbetrag gemäss Art. 3 der kantonalen Verordnung vom 31. Mai 1986 über die Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen für unterhaltsberechtigte Kinder (BR 215.050). Insoweit gehe der Anspruch von Gesetzes wegen mit allen Rechten auf das Gemeinwesen über (Art. 289 Abs. 2 ZGB). Nur hinsichtlich des Differenzbetrages von Fr. 113.- zum bisherigen Unterhaltsbeitrag von Fr. 850.- bleibe die Tochter als Unterhaltsgläubigerin passivlegitimiert. In einem solchen Fall habe der Unterhaltspflichtige die Herabsetzungsklage sowohl gegen das Kind wie auch gegen das Gemeinwesen zu richten (Urteil 5A_634/2013 vom 12. März 2014 E. 4.1). Die Stadt Chur sei BGE 143 III, 177 (179)indessen nicht beklagt und daher nicht Prozesspartei. Weiter gebe es keine prozessrechtliche Grundlage, um das bevorschussende Gemeinwesen zum Verfahren beizuladen. Dessen Ausgang könne ihm somit nicht entgegengehalten werden. Daher hob die Vorinstanz die Unterhaltsverpflichtung nur mit Bezug auf den Betrag, welcher die Bevorschussung überstieg, rückwirkend ab dem 27. August 2013 auf, im Übrigen aber erst auf den der Zustellung des Berufungsentscheids folgenden Monatsersten (1. Mai 2016) hin.
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6.2 Der Kindsvater hält dafür, die Unterhaltsansprecherin sei allein passivlegitimiert. Eine Subrogation nach Art. 289 Abs. 2 ZGB trete nur hinsichtlich bereits bevorschusster Unterhaltsleistungen ein. Das Aufhebungsbegehren beziehe sich nur auf Unterhaltsbeiträge, die nach Eintritt der Rechtshängigkeit fällig wurden. Ob, in welchem Umfang und wie lange die Bevorschussung andauern werde, sei bei Beginn der Rechtshängigkeit ungewiss. Die klagende Partei könne unmöglich vorhersehen, wie sich die massgebenden Parameter bis zum Berufungsentscheid entwickeln würden. Die Aufhebung des Unterhaltsanspruchs betreffe zudem das Dauerschuldverhältnis zwischen Unterhaltsverpflichtetem und Unterhaltsansprecherin. Auflösende Gestaltungsrechte, die nicht mit der einzelnen periodischen Forderung verknüpft seien, sondern sich gegen das zugrundeliegende Schuldverhältnis richteten, gehörten nicht zu den Nebenrechten, welche von einer Legalzession erfasst würden.
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Erwägung 6.3
 
6.3.1 Der Anspruch auf Unterhaltsbeiträge steht dem Kind zu und wird, solange es minderjährig ist, durch Leistung an dessen gesetzlichen Vertreter oder an den Inhaber der Obhut erfüllt (Art. 289 Abs. 1 ZGB [in der bis Ende 2016 gültigen Fassung]). Kommt jedoch das Gemeinwesen für den Unterhalt auf, so geht der Unterhaltsanspruch mit allen Rechten auf das Gemeinwesen über (Abs. 2). Die Bevorschussung erfolgt nach kantonalem öffentlichem Recht (Art. 293 Abs. 2 ZGB). Beim Rechtsübergang nach Art. 289 Abs. 2 ZGB handelt es sich um eine Legalzession (Subrogation; BGE 137 III 193 E. 2.1 S. 197). Ex lege zedierte Ansprüche und der darauf bezogene Rechtsstreit sind weiterhin privatrechtlicher Natur (Urteile 8D_4/2013 vom 19. März 2014 E. 5.3 und 8C_501/2009 vom 23. September 2009 E. 4).
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6.3.2 Gegenstand der Legalzession sind auch künftige Unterhaltsforderungen, von denen feststeht, dass sie zu bevorschussen sein BGE 143 III, 177 (180) werden (BGE 137 III 193 E. 3.6 ff., insbesondere E. 3.8 S. 202 f.; Urteil 5A_634/2013 vom 12. März 2014 E. 4.1; BREITSCHMID/KAMP, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2014, N. 11 zu Art. 289 ZGB). Die Passivlegitimation des Gemeinwesens scheitert daher nicht schon an der Tatsache, dass die Herabsetzungsklage des Unterhaltspflichtigen nur Beitragsforderungen erfasst, die nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens fällig wurden.
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6.3.3 Soweit ein Gemeinwesen gerichtlich zugesprochene Unterhaltszahlungen bevorschusst, wird es zum Gläubiger der betreffenden Forderungen. Dies gilt nach dem Gesagten auch für inskünftig fällig werdende Unterhaltsbeiträge, hinsichtlich derer die Bevorschussung bereits bewilligt ist. Nach allgemeiner Regel muss der Unterhaltspflichtige daher (auch) das Gemeinwesen ins Recht fassen, wenn er den Umfang seiner Beitragsverpflichtung reduzieren lassen will. Insoweit sind im Falle einer teilweisen Subrogation sowohl das Kind (resp. dessen Vertreter) wie auch das Gemeinwesen nebeneinander passivlegitimiert (Urteil 5A_634/2013 E. 4.1 a.E. und E. 4.2). Es besteht allerdings die Besonderheit, dass der Gegenstand der Herabsetzungsklage - nämlich das Dauerschuldverhältnis zwischen dem unterhaltsansprechenden Kind und dem unterhaltspflichtigen Elternteil - nicht identisch ist mit der konkreten, periodischen Unterhaltsforderung, die das Gemeinwesen (teilweise) bevorschusst hat resp. bevorschussen wird. Die Passivlegitimation des Gemeinwesens durchbricht den Grundsatz, wonach allein der Zedent Adressat von Willenserklärungen des Schuldners bleibt, welche das Schuldverhältnis als Ganzes betreffen (vgl. GIRSBERGER/HERMANN, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 6. Aufl. 2015, N. 8 und 10 zu Art. 170 OR). Diese Regel kommt im Bereich des Art. 289 Abs. 2 ZGB auch insoweit nicht zum Tragen, als das Gemeinwesen, welches für den Kindesunterhalt aufkommt, zur Unterhaltsklage oder zur Klage auf Abänderung des Unterhaltsbetrags befugt ist (BGE 137 III 193 E. 3.3 S. 199 und E. 3.8 S. 203; BGE 123 III 161; Urteil 5A_634/2013 E. 4.1; Botschaft vom 5. Juni 1974 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Kindesverhältnis], BBl 1974 II 64 Ziff. 322.6).
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Das Gemeinwesen subrogiert zunächst in die konkrete Unterhaltsforderung, zumal deren Bevorschussung massgebender Rechtsgrund - und Rechtfertigung - für den Eintritt des Gemeinwesens in die Rechtsstellung des Unterhaltsgläubigers ist. Mit der Legalzession BGE 143 III, 177 (181) gehen abtretungsfähige (BGE 106 III 18 E. 2 S. 20) Nebenrechte dieser periodischen Unterhaltsforderung auf den Zessionar über (vgl. Art. 170 OR), darunter das Recht, die Schuldneranweisung zu verlangen (Art. 291 ZGB; BGE 137 III 193 E. 3.4 und 3.5 S. 200 ff.), weiter gewisse betreibungsrechtliche Privilegien (BGE 138 III 145) und der Anspruch auf Sicherstellung (Art. 292 ZGB; vgl. BGE 138 III 145 E. 3.3.1 S. 148). Im Falle einer Herabsetzungsklage verschafft die Passivlegitimation dem Gemeinwesen darüber hinaus auch prozessuale Befugnisse, durch welche es auf das Dauerschuldverhältnis zwischen dem unterhaltsberechtigten Kind und dem unterhaltsverpflichteten Elternteil einwirken kann. Diese Befugnisse haben gleichsam eine überschiessende Wirkung, weil sie nicht auf tatsächlich bevorschusste (oder noch zu bevorschussende) Unterhaltsansprüche beschränkt sind. Während das von der Herabsetzungsklage betroffene Kind die mit der einzelnen Forderung verbundenen Nebenrechte im Umfang der Legalzession verliert, tangiert die Subrogation seine Gestaltungsrechte und prozessualen Befugnisse hinsichtlich des Dauerschuldverhältnisses nicht. Mithin bleibt das Kind selbst dann neben dem Gemeinwesen passivlegitimiert, wenn dieses in zeitlicher und quantitativer Hinsicht vollständig in den Unterhaltsanspruch subrogiert.
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6.3.4 Es stellt sich die Frage, wie es sich mit der Interessenlage des Gemeinwesens verhält, welches anstelle des Unterhaltspflichtigen für den Kindesunterhalt aufkommt. Sofern das betreffende Interesse nicht mit demjenigen des Kindes übereinstimmt, verunmöglichte eine geteilte Passivlegitimation gegebenenfalls eine koordinierte Prozessführung und eine gemeinsame Rechtsvertretung von Kind und Gemeinwesen (dazu das erwähnte Urteil 5A_634/2013 E. 4.1). Indessen dürfte in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge - und damit auch der Vorschussleistungen - zu einer entsprechenden Erhöhung der Sozialhilfe führen, damit der Barbedarf des Kindes gedeckt ist. Somit besteht nicht a priori ein Konflikt zwischen den Interessen des Kindes und denjenigen des Gemeinwesens.
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Freilich ist die Alimentenbevorschussung, abhängig von den anwendbaren kantonalen Bestimmungen, nicht zwingend an eine Sozialhilfeabhängigkeit des Haushaltes gebunden, in welchem das Kind wohnt. Wenn eine Herabsetzung oder Aufhebung von Unterhaltsbeiträgen nicht zu einer entsprechenden Aufstockung der vom gleichen Gemeinwesen aufzubringenden Sozialhilfe führt, entspricht das BGE 143 III, 177 (182)fiskalische Interesse eines (formal beklagten) subrogierenden Gemeinwesens theoretisch demjenigen des klagenden Leistungspflichtigen (vgl. DANIEL SUMMERMATTER, Zur Abänderung von Kinderalimenten, FamPra.ch 2012 S. 40 Fn. 16). In einem solchen Fall wäre aber zu beachten, dass das Gemeinwesen im Rahmen der Alimentenbevorschussung deswegen in die Stellung des Kindes eingetreten ist, weil das kantonale Recht es zu dieser Form der Wahrung von Kindesinteressen verpflichtet. In diesem Kontext darf die zuständige Behörde keinen Abänderungsprozess mit dem fiskalisch motivierten Ziel führen, die Stellung des Kindes zu verschlechtern (vgl. BGE 137 III 193 E. 3.4 S. 200 f.). Insoweit ist das Gemeinwesen nicht legitimiert, selber auf Herabsetzung des Unterhaltsbeitrages zu klagen (vgl. Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 28. Juni 2005, in: FamPra.ch 2005 S. 987 ff.; vgl. auch STEPHAN WULLSCHLEGER, in: FamKomm Scheidung, 2. Aufl. 2011, N. 14 zu Art. 286 ZGB). Vorbehalten bleibt eine Aktivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens allenfalls, wenn der Unterhaltspflichtige trotz offensichtlich veränderter Verhältnisse in rechtsmissbräuchlicher Absicht nichts unternimmt. Bei einer Herabsetzungsklage des Unterhaltspflichtigen ist das Gemeinwesen als (mit-)beklagte Partei prinzipiell ebensowenig befugt, sich den Rechtsstandpunkt des Klägers zu eigen zu machen. Erscheint dem Gemeinwesen der zu bevorschussende Betrag zu hoch, hat es seine Leistung gestützt auf das einschlägige kantonale Recht zu korrigieren. Schliesslich ist das Gemeinwesen selbstredend nicht gehalten, den Standpunkt des Kindes zu unterstützen, wenn sich dieses einem offensichtlich begründeten Herabsetzungsbegehren des Unterhaltspflichtigen widersetzt.
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6.3.5 Eigenständige Bedeutung erlangt die konkurrierende Passivlegitimation des Gemeinwesens, wenn sich das Kind einem Herabsetzungsbegehren des Unterhaltsschuldners nicht widersetzt, weil es ihm nicht darauf ankommt, ob sein Barbedarf durch die Alimentenbevorschussung oder durch die Sozialhilfe gedeckt wird. Hier muss das Gemeinwesen Herabsetzungsbegehren, die seiner Auffassung nach unbegründet sind, bestreiten können, was auch im wohlverstandenen Interesse des Kindes liegt. Ohne - durch die Passivlegitimation vermittelte - Parteistellung wäre dies nicht möglich, weil das Gemeinwesen mangels entsprechender Rechtsgrundlage nicht zum Verfahren beigeladen werden kann (Urteil 5A_634/2013 E. 4.2). Überdies hat es ein eigenes Interesse daran, sich gegen eine Herabsetzung der während des Abänderungsverfahrens in BGE 143 III, 177 (183)ursprünglicher Höhe zu bevorschussenden Unterhaltsbeiträge zu wehren; denn soweit die Bevorschussung infolge einer Herabsetzung im Nachhinein ihren Rechtsgrund verliert, entfällt auch die Subrogation in einen Unterhaltsanspruch.
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