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Informationen zum Dokument  BGE 129 III 476  Materielle Begründung
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Regeste
Aus den Erwägungen:
1. Strittig ist unter den Parteien das Konkursprivileg für " ...
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75. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. Personalfürsorgestiftung der Firma X. AG Strassen- & Tiefbau gegen Konkursmasse der K. AG (Berufung)
 
 
5C.269/2002 vom 6. Juni 2003
 
 
Regeste
 
Konkursprivileg für die Forderungen von Personalvorsorgeeinrichtungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern (Art. 219 Abs. 4 Erste Klasse lit. b SchKG).  
 
BGE 129 III, 476 (476)Aus den Erwägungen:
 
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1.2 Das Konkursprivileg ist mit der SchKG-Revision von 1994/1997 neu gefasst worden. Bereits der frühere Art. 219 Abs. 4 SchKG privilegierte die "Forderungen von Fonds zur Gründung und Unterstützung von Wohlfahrtseinrichtungen für Angestellte und Arbeiter BGE 129 III, 476 (477)gegenüber dem Arbeitgeber sowie für Genossenschafter, soweit diese Fonds mit dem Rechte der Persönlichkeit ausgestattet sind" (Zweite Klasse lit. e). In seiner Rechtsprechung hat das Bundesgericht festgehalten, dass das Privileg den Forderungen von Wohlfahrtsfonds ganz allgemein zukommt, ungeachtet ihres Rechtsgrunds oder ihrer Herkunft. Die Privilegierung aller Forderungen von Wohlfahrtsfonds gegen den Arbeitgeber hat das Bundesgericht mit der besonderen Schutzbedürftigkeit des Vermögens gerechtfertigt, dessen Verwaltung dem Arbeitgeber anvertraut sei oder auf dessen Verwaltung er mindestens einen massgebenden Einfluss ausübe. Das Schutzbedürfnis sei besonders stark bei Geldmangel des Arbeitgebers, weil diesfalls nicht bloss die Forderungen gegen den Arbeitgeber gefährdet seien, sondern der Arbeitgeber versucht sein könnte, Mittel des Wohlfahrtsfonds für sein Unternehmen zu verwenden. Entscheidend sei die tatsächliche Verfügungsmacht des Arbeitgebers über das Vermögen des Wohlfahrtsfonds und nicht so sehr das Verfügungsrecht, das der Arbeitgeber als Organ des Wohlfahrtsfonds besitzen könne (zuletzt: BGE 97 III 83 E. 5 S. 85 f.).
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1.3 Die Privilegierung der "Forderungen von Personalvorsorgeeinrichtungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern" lässt sich inhaltlich auf das bisherige Konkursprivileg zu Gunsten der Forderungen von Wohlfahrtsfonds zurückführen. Der Bundesrat schlug zwar vor, das Privileg auf die Beitragsforderungen der Vorsorgeeinrichtungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern, soweit sie nicht durch den Sicherheitsfonds gemäss dem Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40) gedeckt sind, zu beschränken (Botschaft, BBl 1991 III 1, S. 129 und 254). In der Kommission des Nationalrats wurde jedoch beantragt, am geltenden Recht festzuhalten und - aus den erwähnten Gründen (E. 1.2 soeben) - weiterhin sämtliche Forderungen der Vorsorgeeinrichtungen zu privilegieren. Das Konkursprivileg erhielt dabei seine heutige Fassung (Sitzungen vom 22./23. April 1992, S. 22 f., und vom 16./17. November 1992, S. 57 f.). Der Nationalrat stimmte dem Antrag seiner Kommission in diesem Punkt vorbehaltlos zu. Der Ständerat folgte darin dem Beschluss des Nationalrats. Zu Diskussionen Anlass gaben hingegen andere Fragen der Privilegienordnung (AB 1993 N 36 f. und AB 1993 S 651 ff.).
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1.4 Die Entstehungsgeschichte verdeutlicht, dass der Gesetzgeber von beruflicher Vorsorge in einem umfassenden Sinn und dabei von einem Anschlussverhältnis ausgegangen ist, wie es in Art. 11 BGE 129 III, 476 (478)Abs. 1 BVG für die obligatorische Versicherung der Arbeitnehmer geregelt wird. Danach muss der Arbeitgeber, der obligatorisch zu versichernde Arbeitnehmer beschäftigt, eine in das Register für die berufliche Vorsorge eingetragene Vorsorgeeinrichtung errichten oder sich einer solchen anschliessen. Als Grundsatz kann deshalb gelten, dass ein Arbeitgeber dann "angeschlossen" im Sinne des Konkursprivilegs ist, wenn seine Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung obligatorisch oder überobligatorisch versichert sind, die er selber errichtet hat oder mit der er einen Anschlussvertrag geschlossen hat. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung handelt es sich beim Anschlussvertrag um einen Vertrag sui generis im engeren Sinne (BGE 120 V 299 E. 4a S. 304), für dessen Abschluss die Regeln des Obligationenrechts gelten (z.B. Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 5/87 vom 30. Mai 1989, E. 4, publ. in: SZS 1990 S. 204; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 84/00 vom 3. Oktober 2001, E. 4a nicht publ. in BGE 127 V 377). Ein "Anschluss" kann daher auch stillschweigend, insbesondere konkludent erfolgen, d.h. durch ein Verhalten, das nicht bloss passiv ist, sondern eindeutig und zweifelsfrei einen Anschlusswillen zeigt (BGE 123 III 53 E. 5a S. 59).
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