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Informationen zum Dokument  BGE 128 III 198  Materielle Begründung
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Regeste
Aus den Erwägungen:
3. Das Betreibungsamt hat die Verwertung der Grundstücke dur ...
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38. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer i.S. Kollektivgesellschaft Z. (Beschwerde)
 
 
7B.21/2002 vom 26. April 2002
 
 
Regeste
 
Schriftliches Steigerungsangebot (Art. 58 Abs. 4 VZG).  
 
BGE 128 III, 198 (199)Aus den Erwägungen:
 
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a) Art. 229 Abs. 1 OR bestimmt, dass bei der Zwangsversteigerung der Kaufvertrag dadurch zum Abschluss gelangt, dass der Versteigerungsbeamte den Gegenstand zuschlägt. Auch wenn hier von "Kaufvertrag" die Rede ist, wird die betreibungsrechtliche Versteigerung seit langem nicht mehr als privates Rechtsgeschäft betrachtet (dazu PIERRE CAVIN, Kauf, Tausch und Schenkung, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1, S. 163). Nach heutiger Auffassung stellt übrigens nicht nur die Verwertungsform der öffentlichen Steigerung, sondern ebenso diejenige des Freihandverkaufs (hierzu BGE 106 III 79 E. 4 S. 82) einen staatlichen Hoheitsakt dar. Der Zuschlag des Vollstreckungsbeamten ist somit eine betreibungsrechtliche Verfügung (BGE 38 I 312 S. 314; vgl. auch BGE 128 III 104 E. 3c). Die Rechtsnatur wie auch die Besonderheiten des - (im Abschlussstadium) öffentlich durchzuführenden - Steigerungsverfahrens lassen nicht zu, die allgemeinen Regeln über das Zustandekommen eines Vertrags, insbesondere die Bestimmungen über Antrag und Annahme (Art. 3 ff. OR) hier auch nur sinngemäss anzuwenden. Der Art. 231 OR, wonach der Bietende nach Massgabe der Versteigerungsbedingungen an sein Angebot gebunden ist (Abs. 1) und wonach der Bietende - unter dem Vorbehalt einer gegenteiligen Anordnung in den erwähnten Bedingungen - frei wird, wenn ein höheres Angebot erfolgt oder sein Angebot nicht sofort nach dem üblichen Aufruf angenommen wird (Abs. 2), verweist BGE 128 III, 198 (200)im Ergebnis seinerseits auf das Zwangsvollstreckungsrecht, namentlich auf die Bestimmungen über die Steigerungsbedingungen (Art. 134 ff. SchKG; vgl. auch ANTON PESTALOZZI, Der Steigerungskauf, Zürich 1997, Rz. 971).
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Im Schuldbetreibungsrecht werden schriftliche Steigerungsangebote einzig insofern erwähnt, als Art. 58 Abs. 4 VZG bestimmt, sie seien bei Beginn der Steigerung den Teilnehmern bekanntzugeben und unter den gleichen Bedingungen zu berücksichtigen wie mündliche Angebote. Es wird nirgends ausdrücklich bestimmt, der Widerruf einer schriftlichen Offerte sei grundsätzlich ausgeschlossen. Dass dies hier in den Steigerungsbedingungen angeordnet worden wäre, ist nicht dargetan.
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b) Die betreibungsrechtliche Steigerung ist ein öffentlich durchzuführender Verwertungsakt (KURT AMONN/DOMINIK GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl., § 27 Rz. 28). Charakteristisch ist der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Ausruf des Gantbeamten, dem Angebot aus der Reihe der anwesenden Interessenten und dem Zuschlag, die grundsätzlich Elemente einer einzigen in sich geschlossenen Veranstaltung bilden (dazu HANS GIGER, Berner Kommentar, N. 35 zu Art. 229 OR). Als Folge dieses Prinzips der Einheitlichkeit des Steigerungsverfahrens ist denn auch vom Gantbeamten zu verlangen, dass er schriftliche Angebote, die vor dem Steigerungstermin beim Betreibungsamt eingegangen sind, am Anfang bekanntgibt (Art. 58 Abs. 4 VZG). Erst mit dieser Bekanntgabe an die anwesenden Interessenten erlangt die schriftliche Offerte die steigerungsrechtliche Wirksamkeit, die sie als mit den (nachfolgenden) Angeboten von Steigerungsteilnehmern gleichwertig erscheinen lässt (vgl. PESTALOZZI, a.a.O., Rz. 203; dazu auch das Obergericht des Kantons Zürich in dem in ZR 63/1964 Nr. 48 veröffentlichten Entscheid vom 29. März 1963 [S. 105]). Gründe, die gebieten würden, einem schriftlichen Angebot beispielsweise schon mit seinem Eintreffen beim Betreibungsamt eine Wirkung beizumessen, die einen Widerruf ausschlösse, vermag die Beschwerdeführerin nicht namhaft zu machen und sind auch nicht ersichtlich. Es ist zu bedenken, dass das Betreibungsamt die Offerte lediglich zu Händen der Steigerungsteilnehmer entgegennimmt und ein Zuschlag vor der Steigerung von vornherein unzulässig ist. Solange die eigentliche Steigerungsverhandlung nicht eröffnet ist, ist niemandem vom Eingang eines schriftlichen Angebots Kenntnis zu geben und sind Dritte von einem solchen auch gar nicht betroffen. Unbehelflich ist der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die BGE 128 III, 198 (201)Unzulässigkeit von Offerten, die an Bedingungen oder Vorbehalte geknüpft sind (Art. 58 Abs. 1 VZG). Mit dieser Bestimmung soll verhindert werden, dass der Steigerungsgegenstand nicht vorbehaltlos zugeschlagen werden kann. Wo es vor der Eröffnung der Gant widerrufen wird, kann das schriftliche Angebot jedoch von vornherein nicht zu einem Zuschlag führen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin und der von ihr angerufenen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen des Kantons Tessin (vgl. den in Rep 1999 Nr. 89 veröffentlichten Entscheid vom 11. Januar 1999) führt die dargelegte Betrachtungsweise jedenfalls insofern nicht zu einer ungleichen Behandlung der schriftlich und der mündlich Bietenden, als vom Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung an beide Angebote gleichgestellt sind.
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