VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGE 126 III 449  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Ein erstes Scheidungsurteil der Vorinstanz hat das Bundesgeric ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
77. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Oktober 2000 i.S. K.H. gegen M.H. (Berufung)
 
 
Regeste
 
Art. 7b Abs. 1 und 3 SchlTZGB; anwendbares Recht bei Aufhebung eines Scheidungsurteils durch das Bundesgericht.  
 
Sachverhalt
 
BGE 126 III, 449 (449)Am 14. Mai 1994 klagte K.H. (Klägerin) gegen M.H. (Beklagter) auf Trennung der Ehe, worauf der Beklagte widerklageweise die Scheidung verlangte. Mit Urteil vom 13. Februar 1995 sprach das Bezirksgericht St. Gallen die Trennung der Ehe auf unbestimmte Zeit aus, wies die Scheidungsklage ab und regelte die Nebenfolgen der Trennung. Dagegen führte der Beklagte Berufung ans Kantonsgericht St. Gallen, worauf das Kantonsgericht mit Urteil vom 5. November 1996 die Ehe der Parteien schied und die Nebenfolgen BGE 126 III, 449 (450)der Scheidung regelte. Eine von der Klägerin dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil vom 4. August 1997 gut, soweit es darauf eintrat.
1
Mit Entscheid vom 29. Mai 2000 hiess das Kantonsgericht die Scheidungsklage des Beklagten erneut gut. Mit Berufung vom 6. Juli 2000 beantragt die Klägerin dem Bundesgericht, das Scheidungsurteil aufzuheben und die Ehe gemäss aArt. 147 Abs. 1 ZGB auf unbestimmte Zeit zu trennen.
2
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
3
 
Aus den Erwägungen:
 
2. Ein erstes Scheidungsurteil der Vorinstanz hat das Bundesgericht mit Urteil vom 4. August 1997 aufgehoben. In der Folge hat das Kantonsgericht die Scheidung mit Urteil vom 29. Mai 2000 erneut ausgesprochen und zur Begründung ausgeführt, dass die Scheidungsklage sowohl nach bisherigem als auch nach neuem Scheidungsrecht gutzuheissen sei. Nach bisherigem Recht sei davon auszugehen, dass die Ehe der Parteien tief zerrüttet und das klägerische Verschulden nicht überwiegend sei, so dass die Scheidungsklage des Beklagten nach Art. 142 aZGB gutzuheissen sei. Auch nach neuem Scheidungsrecht sei die Klage gestützt auf Art. 114 nZGB gutzuheissen, weil die Parteien schon mehr als vier Jahre getrennt gelebt hätten. Für unzutreffend hält das Kantonsgericht den Einwand der Klägerin, dass das neue Scheidungsrecht übergangsrechtlich gar nicht anwendbar sei. Im Verfahren vor Bundesgericht macht die Klägerin unter anderem wiederum geltend, dass das neue Scheidungsrecht nicht anwendbar sei.
4
a) Gemäss Art. 7b Abs. 1 SchlTZGB findet das neue Recht auf Scheidungsprozesse Anwendung, die bei dessen Inkrafttreten rechtshängig und von einer kantonalen Instanz zu beurteilen sind. Da das angefochtene Scheidungsurteil am 29. Mai 2000 gefällt wurde und das Scheidungsverfahren beim Inkrafttreten des neuen Rechtes am 1. Januar 2000 somit bei einer kantonalen Instanz hängig war, hat die Vorinstanz insoweit zutreffend das neue Scheidungsrecht angewendet. Umstritten ist indessen, ob an der grundsätzlichen Anwendbarkeit des neuen Scheidungsrechtes der Umstand etwas ändert, dass das erste Scheidungsurteil des Kantonsgerichtes vom 5. November 1996 durch das Bundesgericht mit Urteil vom 4. August 1997 aufgehoben und die Sache zur Neuentscheidung zurückgewiesen wurde.
5
BGE 126 III, 449 (451)b) Art. 7 Abs. 3 SchlTZGB bestimmt, dass das Bundesgericht nach bisherigem Recht entscheidet, wenn das angefochtene Urteil vor dem Inkrafttreten des neuen Scheidungsrechtes ergangen ist (erste Satzhälfte), welche Regelung ausdrücklich auch bei einer allfälligen Rückweisung an die kantonale Instanz gilt (zweite Satzhälfte). Bezüglich dieser Bestimmung sind zwei Fälle zu unterscheiden.
6
aa) Entscheidet das Bundesgericht nach bisherigem Recht, weil der angefochtene Entscheid unter altem Recht ergangen ist, urteilt bei einer allfälligen Rückweisung auch die kantonale Instanz wiederum nach bisherigem Recht - dessen ungeachtet, dass der Entscheid nach dem Inkrafttreten des neuen Rechtes gefällt wird (SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999, N. 24 zu Art. 7b SchlTZGB; AUDREY LEUBA, Loi sur le divorce: Les dispositions transitoires, Plädoyer 1999 4 S. 61 f.). Eine andere Lösung liefe darauf hinaus, dass ein Scheidungsprozess bisherigem Recht unterstünde, wenn das Bundesgericht ein Rechtsmittel abweist bzw. eine Berufung gutheisst und in der Sache selbst entscheidet, neuem Recht jedoch, wenn ein kantonales Urteil aufgehoben wird und von der Vorinstanz neu zu beurteilen ist.
7
bb) Hat hingegen das Bundesgericht - wie vorliegend in seinem Rückweisungsurteil vom 4. August 1997 - nach "bisherigem" Recht entschieden, und zwar nicht weil dies übergangsrechtlich geboten gewesen wäre, sondern weil das Urteil vor Inkrafttreten des neuen Rechts erging, stand das Verfahren nach der Rückweisung wie jedes andere Verfahren unter der allgemeinen übergangsrechtlichen Regel von Art. 7b Abs. 1 SchlTZGB. Da der Scheidungsprozess bei Inkrafttreten des neuen Rechtes noch rechtshängig und von einer kantonalen Instanz zu beurteilen war, fand auf ihn das neue Recht Anwendung. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus Art. 7b Abs. 3 zweite Satzhälfte SchlTZGB nicht abgeleitet werden, dass das Kantonsgericht St. Gallen zufolge der Rückweisung durch das Urteil des Bundesgerichtes vom 4. August 1997 nach bisherigem Recht hätte entscheiden müssen. Aus diesen Gründen hat die Vorinstanz zutreffend das neue Scheidungsrecht angewendet.
8
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).