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Informationen zum Dokument  BGE 90 III 90  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Gegenstand des Streites sind Forderungen, die durch den Tod de ...
2. Sollten die umstrittenen Forderungen teilweise schon an die Ko ...
3. Der Entscheid der Vorinstanz, die angefochtene Verfügung  ...
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21. Entscheid vom 21. Oktober 1964 i.S. Konkursamt Bern.
 
 
Regeste
 
1. Sachliche Zuständigkeit der Konkursverwaltung. Forderungen, welche die Konkursmasse und Dritte gleichzeitig beanspruchen, können von der Konkursverwaltung nicht durch eine Verfügung als Massagut "erkannt" werden. Eine solche Massnahme ist nichtig.  
 
Sachverhalt
 
BGE 90 III, 90 (90)A.- Am 13. Juni 1964 starb Simon Eduard Dieboldswyler, Angestellter des statistischen Amtes des Kantons Bern. In der Folge schlugen die gesetzlichen Erben des Verstorbenen, der mehrjährige Sohn Eduard aus erster Ehe sowie die minderjährige Tochter Marianne aus zweiter Ehe, die Erbschaft aus. Über den Nachlass wurde der Konkurs eröffnet.
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Dieboldswyler war Mitglied der Sparkasse gewesen, die der Versicherungskasse des bernischen Staatspersonals angeschlossen ist. Am 23. Juni 1964 stellte die Verwaltungskommission der Versicherungskasse fest: Vom gesamten Sparkapital des Verstorbenen von Fr. 34'851.95, Wert 13. September 1964, seien die Einlagen des Staates einschliesslich Zins von Fr. 19'502.35 an die Tochter Marianne allein und die eigenen Einlagen des Versicherten einschliesslich Zins von Fr. 15'349.60 an die Tochter Marianne und den Sohn Eduard je zur Hälfte auszuzahlen.
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BGE 90 III, 90 (91)B.- Am 4. September 1964 verfügte das Konkursamt Bern als Verwaltung im Konkursnachlass Dieboldswyler gegenüber den beiden gesetzlichen Erben des Verstorbenen:
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"a) Die eigenen Einlagen des verstorbenen Herrn S. E. Dieboldswyler in die Sparkasse der Versicherungskasse des bernischen Staatspersonalverbandes inkl. daherige Zinsen werden im Betrage von Fr. 15'349.60 als Massa gut erkannt. Die Staatseinlagen. unseres Wissens ausmachend Fr. 19'502.35, werden gemäss Entscheid der Versicherungskasse der minderjährigen Tochter Marianne Dieboldswyler zukommen.
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b) Der Besoldungsnachgenuss gemäss Versicherungsdekret dient einerseits als Übergang von der bisherigen Lohnzahlung zur Rentenzahlung bezw. Auszahlung des Ver icherungsanspruches, sowie anderseits zur Tilgung normaler Kosten, wie sie ein Todesfall mit sich bringt. Es rechtfertigt sich deshalb diesen Nachgenuss im Rahmen des betreibungsrechtlichen Existenzminimums der versicherten Marianne Dieboldswyler auszubezahlen, während die Restanz gemäss nachstehender Berechnung ebenfalls als Massa gut bezeichnet wird:
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Total Besoldungsnachgenuss Fr. 3'873.60
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Existenzminimum Tochter Marianne
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Fr. 307.-- x 3 Fr. 921.--
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Massagut Fr. 2'952.60"
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C.- Gegen die Verfügung des Konkursamtes erhoben Marianne und Eduard Dieboldswyler am 16. September 1964 mit Erfolg Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde für den Kanton Bern. Die angefochtene Verfügung des Konkursamtes Bern wurde aufgehoben. Nach materieller Prüfung der Streitsache kommt die Aufsichtsbehörde zum Schluss, weder die von Dieboldswyler an die Sparkasse geleisteten Beiträge noch der Besoldungsnachgenuss stellten Erbschaftsaktiven dar, welche die Konkursverwaltung zur Masse ziehen könne.
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D.- Das Konkursamt Bern hat Rekurs an das Bundesgericht ergriffen.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
 
1. Gegenstand des Streites sind Forderungen, die durch den Tod des Simon Eduard Dieboldswyler gegenüber der Versicherungskasse des bernischen Staatspersonals und BGE 90 III, 90 (92)gegenüber dem Kanton Bern als ehemaligem Arbeitgeber Dieboldswylers entstanden sind. Die Konkursmasse Nachlass Dieboldswyler und die gesetzlichen Erben des Verstorbenen beanspruchen nämlich einen Teil der Forderungen gleichzeitig, und zwar Einlagen an die Versicherungskasse von Fr. 15'349.60 und Fr. 2952.60 Besoldungsnachgenuss; beide Parteien berufen sich auf ihre Eigenschaft als Gläubiger. Das rekurrierende Konkursamt hat zu Unrecht versucht, diesen Streit mit der Verfügung vom 4. September 1964 zu beenden. Denn es ist alleine Sache des Richters zu entscheiden, wer von den Prätendenten Gläubiger der Forderungen ist. Das Konkursamt hat, wenn es auf seinen Ansprüchen beharrt, entweder gegen die Versicherungskasse und den Kanton Bern einen Prozess zu eröffnen oder - falls diese Schuldner den streitigen Betrag gemäss Art. 168 Abs. 1 OR hinterlegen - gegen die andern Prätendenten gerichtlich vorzugehen (vgl. BGE 70 III 36ff., BGE 76 III 10/11 und BGE 87 III 16). Die Verfügung vom 4. September 1964, mit der die umstrittenen Forderungen als Massagut "erkannt" werden, ist als eine ausserhalb des Bereiches der Amtsbefugnisse getroffene Massnahme nichtig und von Amtes wegen aufzuheben (vgl. BGE 50 III 3/4, BGE 52 III 11 und BGE 76 III 49/50).
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BGE 90 III, 90 (93)3. Der Entscheid der Vorinstanz, die angefochtene Verfügung des Konkursamtes sei aufzuheben, ist im Ergebnis richtig. Somit ist der Rekurs abzuweisen. Nur hätte sich die Aufsichtsbehörde auf den Streit um die Zugehörigkeit der Ansprüche gegen die Versicherungskasse und den Kanton Bern nicht einlassen sollen. Ihre Erwägungen sind - obwohl sie zutreffend erscheinen - auch nicht als Weisungen an das rekurrierende Amt aufrechtzuerhalten (vgl. BGE 87 III 19 -22). Die Gläubiger der Konkursmasse Nachlass Dieboldswyler müssen über das weitere Schicksal der Ansprüche frei beschliessen können.
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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Der Rekurs wird abgewiesen.
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