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Informationen zum Dokument  BGE 84 III 89  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Der Ansicht der Vorinstanz, das Betreibungsamt sei gar nicht z ...
2. Der Streit über einen in das Lastenverzeichnis aufgenomme ...
3. Ein Verschiebungsgrund könnte nach der nämlichen Vor ...
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23. Entscheid vom 28. Juli 1958 i.S. J.
 
 
Regeste
 
Lastenbereinigung (Art. 140/156 SchKG). Zuständigkeit und Grunde zur Verschiebung der Steigerung.  
2. Verschiebungsgründe nach Art. 411/102 VZG:  
a) Für die Festsetzung des minimalen Zuschlagspreises ist es ohne Bedeutung, ob neben der Forderung des betreibenden Gläubigers im gleichen Range noch eine andere Pfandforderung besteht (Erw. 2). Berücksichtigung der streitigen Forderung im Verteilungsstadium (Erw. 3).  
b) Verletzt die Versteigerung vor Austrag der Streitsache berechtigte Interessen? (Erw. 3).  
 
Sachverhalt
 
BGE 84 III, 89 (89)A.- Auf dem Grundstück ... in Mitlödi lastet im 1. Rang ein auf den Namen des H. ausgestellter Schuldbrief von Fr. 150'000.--. Für diesen Betrag nebst Zins hat H. Betreibung auf Grundpfandverwertung angehoben. Zu der entsprechenden Position des Lastenverzeichnisses gab J. eine Ansprache des Inhaltes ein, dass ein Teilbetrag von Fr. 80'000.-- der Schuldbriefforderung ihm zustehe, nebst Zins zu 4 1/2% seit 1. Juni 1954. Im Lastenverzeichnis wurde vermerkt, diese Forderung sei im gleichen Rang wie diejenige des H. pfandgesichert, somit werde der auf BGE 84 III, 89 (90)diesen Rang entfallende Erlös verhältnismässig auf die beiden Teilforderungen zu verlegen sein.
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B.- Infolge Fristansetzung gemäss Art. 107 SchKG klagte J. (zunächst im Vermittlungsverfahren) auf Anerkennung seiner von H. bestrittenen Ansprache. Mit Rücksicht hierauf verschob das Betreibungsamt die Steigerung bis nach Austrag der Streitsache.
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C.- Auf Beschwerde des betreibenden Gläubigers H. hob die untere Aufsichtsbehörde die Verfügung des Betreibungsamtes auf und wies dieses an, die Grundstücksverwertung "so rasch als möglich" durchzuführen. Ein Rekurs des Ansprechers J. an die obere Aufsichtsbehörde hatte keinen Erfolg. Deren Entscheid vom 8. Mai 1958 ist in folgender Weise begründet: Zur Einstellung einer Betreibung infolge einer Widerspruchsklage ist nach Art. 107 Abs. 2 SchKG und § 21 lit. c des kantonalen EG zum SchKG der mit der Klage befasste Richter zuständig. J. hätte somit beim Richter ein dahingehendes Begehren stellen können, was jedoch unterblieben ist. Das Betreibungsamt war zur Verschiebung der Steigerung nicht zuständig; seine Verfügung ist schon aus diesem Grund aufzuheben. Übrigens ist J. zu der von ihm anbegehrten Vermittlung zweimal nicht erschienen; er wird daher vermutlich keinen Leitschein erhalten und seine Klage nicht weiter verfolgen können. Aber auch wenn dem anders sein sollte, würde dieser Prozess die Einstellung der Versteigerung nicht rechtfertigen; denn der Ausgang des Prozesses hat keinen Einfluss auf die Festsetzung des Zuschlagspreises (Art. 41 VZG). Den allfälligen Ansprüchen J's wird einfach durch Hinterlegung des auf den Schuldbrief im 1. Rang entfallenden Erlöses Rechnung zu tragen sein.
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D.- Mit vorliegendem Rekurs hält J. daran fest, dass das Betreibungsamt die Versteigerung vor Beendigung des Widerspruchsprozesses nicht durchführen dürfe. Die Einstellung der Betreibung sei bei Hängigkeit eines solchen Prozesses geboten, und das Betreibungsamt habe sie von BGE 84 III, 89 (91)sich aus verfügen dürfen. Die Annahme der Vorinstanz, die Klage sei obsolet geworden, beruhe auf Irrtum; tatsächlich habe er den (6 Monate in Kraft bleibenden) Leitschein erhalten (er legt ihn vor). Er habe ein erhebliches Interesse, vor Durchführung einer Versteigerung zu wissen, auf wieviel sich seine Hypothekarforderungen belaufen; diese stünden nicht etwa in nachgehendem Rang, sondern seien denjenigen des H. "koordiniert".
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
 
1. Der Ansicht der Vorinstanz, das Betreibungsamt sei gar nicht zuständig gewesen, darüber zu befinden, ob die Steigerung mit Rücksicht auf die Klage des Rekurrenten gegen H. zu verschieben sei, kann nicht beigetreten werden. Freilich ist die Einstellung der Betreibung nach Art. 107 Abs. 2 SchKG Sache des mit der Widerspruchsklage befassten Gerichts. Und bei der im Verwertungsstadium bei gepfändeten Liegenschaften durchzuführenden Lastenbereinigung verweist Art. 140 Abs. 2 SchKG und ebenso für die Betreibung auf Grundpfandverwertung Art. 155 SchKG eben auf die Art. 106 und 107 bezw. 106-109 SchKG. Es ist jedoch längst entschieden worden, dass einerseits dem Grundsatze nach jeder Widerspruchsstreit die Einstellung der Betreibung in Bezug auf den betreffenden Gegenstand auch ohne gerichtliche Verfügung, von Amtes wegen, nach sich zieht, und dass anderseits eine solche Einstellung unter besondern Umständen nicht gerechtfertigt ist und daher in Ausnahmefällen die Fortsetzung der Betreibung ungeachtet des Widerspruchsprozesses verfügt werden darf (BGE 42 III 219, BGE 48 III 16und 203). Freilich wurde vorerst angenommen, dem Betreibungsamt stehe es nicht zu, in solcher Weise von der Regel des Art. 107 Abs. 2 SchKG abzuweichen, es habe die Entscheidung darüber vielmehr dem Gericht anheimzugeben (siehe die erwähnten Urteile; so auch JAEGER, N. 12 a.E. zu Art. 140 SchKG). Indessen hat Art. 41 VZG BGE 84 III, 89 (92)(der nach Art. 102 daselbst auch in der Betreibung auf Grundpfandverwertung gilt) für die im Verwertungsstadium stattfindende Lastenbereinigung eine besondere, das Prinzip der Verschiebung der Steigerung in sachgemässer Weise einschränkende Ordnung getroffen und deren Handhabung den Betreibungsbehörden aufgetragen, die somit (anders als bei eigentlichen Widerspruchsklagen im Pfändungsstadium, BGE 66 III 68) nunmehr über die Wirkung eines Lastenbereinigungsprozesses auf die Versteigerung zu entscheiden haben (vgl. BGE 67 III 44; so verhält es sich auch mit der für das Konkursverfahren geltenden Vorschrift von Art. 128 VZG, vgl. BGE 68 III 111, BGE 72 III 27, BGE 75 III 101).
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2. Der Streit über einen in das Lastenverzeichnis aufgenommenen Anspruch gibt nach Art. 41 Abs. 1 VZG Anlass zur Verschiebung der Steigerung, wenn er "die Festsetzung des Zuschlagspreises becinflusst". Damit wird auf den Minimalpreis angespielt, bei dessen Festsetzung das sogenannte Deckungsprinzip der Art. 126/141/156 SchKG zu berücksichtigen ist. Nach diesen Bestimmungen darf der Zuschlag nur erfolgen, wenn "das Angebot den Betrag allfälliger dem betreibenden Gläubiger im Range vorgehender pfandversicherten Forderungen übersteigt". Somit ist die Versteigerung bis zum Austrag der Sache aufzuschieben, wenn eine solche dem betreibenden Gläubiger im Range vorgehende Pfandforderung streitig ist. Das trifft hier nicht zu; der Rekurrent macht zwar keine der Schuldbriefforderung des betreibenden Gläubigers nachgehende, aber auch keine ihr vorgehende, sondern eine ihr im Range gleichstehende Pfandforderung geltend. Diese Ansprache berührt den minimalen Zuschlagspreis ebensowenig wie der Streit um eine nachgehende Pfandforderung (BGE 42 III 221/2, BGE 67 III 45); denn sobald das Höchstangebot die allfälligen dem betreibenden Gläubiger vorgehenden Pfandforderungen übersteigt (das vorliegende Lastenverzeichnis führt Assekuranzforderungen der Gemeinde mit gesetzlichem Pfandrecht in allererstem Rang BGE 84 III, 89 (93)an), ist zuzuschlagen. Ob alsdann der nach Deckung der Vorgänge erzielte Mehrpreis dem betreibenden Gläubiger allein bis zu seiner Deckung zufalle oder zwischen ihm und einem Pfandansprecher in gleichem Rang zu verteilen sei, ist eine andere, den Minimalpreis nicht betreffende Frage.
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3. Ein Verschiebungsgrund könnte nach der nämlichen Vorschrift ferner darin liegen, dass "durch eine vorherige Steigerung sonst berechtigte Interessen verletzt würden". Der Rekurrent vermag nicht genügend darzutun, dass er in solchen Interessen betroffen wird. Dass nur der betreibende Gläubiger, nicht auch er selbst ein Interesse an der Verwertung habe, ist kein Grund, jenem die Verwertung zu verwehren. Und dass J., wie er weiter sagt, ein Interesse daran habe, zu wissen, wie hoch seine Forderung sei und wie kolloziert werde, ist eben die Frage des Rechtsstreites und hat mit der Verwertung nichts zu tun. Die Rechtsprechung hat es immer wieder abgelehnt, als berechtigtes Interesse den Wunsch eines Pfandansprechers gelten zu lassen, über den Bestand des streitigen Rechtes orientiert zu sein, um sein Verhalten an der Steigerung als Gantliebhaber danach richten zu können (BGE 42 III 222, BGE 67 III 46, BGE 68 III 113). Ebenso sind die Bemerkunden des Rekurrenten über den "kläglichen Zustand" der Pfandliegenschaft in diesem Zusammenhang belanglos; dieser Zustand bildet höchstens einen Grund mehr zu ungesäumter Verwertung. Keineswegs wird durch die bevorstehende Versteigerung der Liegenschaft der streitige Anspruch selbst gefährdet. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, wird einfach der auf den Schuldbrief im 1. Rang entfallende Erlös ebenfalls in entsprechendem Teilbetrag als streitig zu betrachten und bis zur rechtskräftigen Feststellung des darauf Berechtigten zurückzubehalten sein.
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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Der Rekurs wird abgewiesen.
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