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Informationen zum Dokument  BGE 147 II 144  Materielle Begründung
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Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 4
5. Mit der Feststellung, dass die WEKO B. zu Recht als Zeugen ...
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12. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung gegen A. AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
2C_383/2020 vom 8. März 2021
 
 
Art. 42 Abs. 1 KG; Art. 6 VwVG; Unterscheidung zwischen den "von der Untersuchung Betroffenen" und "Dritten" mit Blick auf die Befragung aktueller und ehemaliger Organe eines untersuchungsbetroffenen Unternehmens.
 
 
Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Aussageverweigerungsrecht eines ehemaligen Organs eines untersuchungsbetroffenen Unternehmens aufgrund von "nemo tenetur".
 
 
Sachverhalt
 
BGE 147 II 144 (146)A. Am 13. November 2018 eröffnete das Sekretariat der Wettbewerbskommission (WEKO) im Einvernehmen mit dem Präsidenten gegen mehrere Unternehmen, darunter die A. AG und ihre konzernmässig verbundenen Gesellschaften, eine Untersuchung gemäss Art. 27 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251). Die WEKO hegte den Verdacht, dass die Untersuchungsadressaten unzulässige Wettbewerbsabreden getroffen hätten, um mobile Bezahllösungen internationaler Anbieter wie Apple Pay und Samsung Pay zu boykottieren ("Verfahren 22-0492: Boykott Apple Pay").
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B. Mit Verfügung vom 27. November 2018 luden die Wettbewerbsbehörden B. in seiner Rolle als ehemaliger CEO der C. AG für den 5. Dezember 2018 zu einer Zeugeneinvernahme vor. Einer allfälligen Beschwerde gegen die Vorladung wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. Gegen diese Anordnung gelangte die A. AG mit Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht.
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Mit Urteil vom 6. März 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat; in der Urteilsbegründung hielt es jedoch fest, dass die Zeugenbefragung mit Blick auf den nemo-tenetur-Grundsatz nur zulässig sei, solange sie sich auf Angaben rein tatsächlicher Art beschränke, welche sich für die A. AG im Hinblick auf eine allfällige Sanktionierung nicht direkt belastend auswirken könnten.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 15. Mai 2020 gelangt das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) an das Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. März 2020, soweit damit die Einvernahme von B. für die Zeit vor dem 27. September 2016 eingeschränkt worden sei; es sei den Wettbewerbsbehörden die uneingeschränkte Einvernahme B.s als Zeuge und ohne Einräumung aussergesetzlicher Zeugnisverweigerungsrechte zu gestatten. Eventualiter sei festzustellen, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. März 2020 die Zeugeneinvernahme von B. in der Untersuchung 22-0492 (Boykott Apple Pay) in keiner Weise verbindlich einschränke.
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Die A. AG beantragt Nichteintreten; eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf inhaltliche Stellungnahme. Im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels halten die Verfahrensbeteiligten an ihren Anträgen fest.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. BGE 147 II 144 (146)
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BGE 147 II 144 (147)Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 4
 
4.1 Die A. AG kann im vorliegenden Verfahren innerhalb des Streitgegenstands sämtliche rechtlichen Argumente vortragen, die geeignet sind, zu einer Abweisung der Beschwerde zu führen (vgl. Urteil 2C_1071/2018 vom 12. November 2019 E. 4). Dazu gehört - entgegen der Auffassung des WBF - auch der Einwand, eine Zeugenbefragung B.s sei per se unzulässig, weil ehemalige Organe einer juristischen Person immer als Parteivertreter bzw. Auskunftspersonen zu befragen seien, soweit sie Auskünfte zu Begebenheiten geben müssten, die sich während der Zeit ihrer Organstellung zugetragen hätten. Würde die A. AG damit durchdringen, könnte eine Befragung B.s in Zeugenstellung aufgrund des insoweit hier nicht angefochtenen Urteils der Vorinstanz zwar nicht mehr aufgehoben werden; allerdings könnte B. sich in einer solchen Befragung - a maiore ad minus - zumindest auf das Aussageverweigerungsrecht berufen, das die Vorinstanz ihm zugestanden hat. Zu klären ist mithin nachfolgend zunächst die Frage, ob die Vorinstanz zu Recht davon ausging, ehemalige Organe eines untersuchungsbetroffenen Unternehmens seien in einem Kartellsanktionsverfahren grundsätzlich als Zeugen zu befragen.
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4.3 Art. 42 Abs. 1 KG sieht - über das VwVG hinausgehend (vgl. Art. 12 lit. b VwVG) - vor, dass die Wettbewerbsbehörden die "von einer Untersuchung Betroffenen" zur Beweisaussage verpflichten können, wobei mit Blick auf den "nemo-tenetur-Grundsatz" (Art. 6 Ziff. 1 EMRK; vgl. dazu E. 5.2.1 hiernach) im Kartellsanktionsverfahren regelmässig nur das vorgelagerte "einfache Parteiverhör" (Art. 42 Abs. 1 KG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 Halbsatz 2 BZP [SR 273]) stattfindet (vgl. BICKEL/WYSSLING, in: KG, Kommentar zum Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen, Roger Zäch und andere [Hrsg.], 2018, N. 161 zu Art. 42 KG). Dritte sind nach Art. 42 Abs. 1 KG demgegenüber als Zeugen zu befragen (vgl. auch Art. 12 lit. c VwVG). Die in Art. 42 Abs. 1 KG getroffene BGE 147 II 144 (147) BGE 147 II 144 (148) Unterscheidung zwischen den "von der Untersuchung Betroffenen" und "Dritten" ist praktisch von grosser Bedeutung: Während Dritte als Zeugen im Rahmen ihrer Einvernahme grundsätzlich zur wahrheitsgemässen Aussage verpflichtet sind (Art. 15 VwVG, Art. 307 StGB), können die "von der Untersuchung Betroffenen" im Rahmen des "einfachen Parteiverhörs" aufgrund von Art. 6 Ziff. 1 EMRK die Aussage verweigern (vgl. BICKEL/WYSSLING, a.a.O., N. 35 zu Art. 42 KG).
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4.4 Zu klären ist, was unter dem Begriff der "von der Untersuchung Betroffenen" zu verstehen ist. Aufschlussreich ist insoweit der Blick in die französische und die italienische Sprachfassung von Art. 42 Abs. 1 KG: Der Gesetzgeber benützt hier die Wendungen der "parties à l'enquête" bzw. der "parti all'inchiesta". Daraus geht deutlich hervor, dass der Begriff der "von der Untersuchung Betroffenen" einzig die Verfahrensparteien umschliesst (vgl. auch SIMON BANGERTER, in: Basler Kommentar, Kartellgesetz, Amstutz/Reinert [Hrsg.], 2010, N. 13 zu Art. 42 KG; BOVET/SABRY, in: Commentaire romand, Droit de la concurrence, Martenet/Bovet/Tercier [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 19 zu Art. 42 KG; BICKEL/WYSSLING, a.a.O., N. 25 zu Art. 42 KG). Diese Sichtweise konvergiert überdies mit Art. 64 BZP, auf den Art. 42 Abs. 1 KG Bezug nimmt: Systematisch im Gesetzesabschnitt zum "Parteiverhör" verortet, sind in diesem Artikel die spezifischen Voraussetzungen der Beweisaussage geregelt, die nach der Konzeption des BZP nur gegenüber einer Partei angeordnet werden kann.
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4.5 Ob eine Person als Zeugin zu befragen ist, oder aber ein Parteiverhör bzw. eine Beweisaussage anzuordnen ist, bestimmt sich damit (vgl. E. 4.4 hiervor) danach, ob die betreffende Person als Verfahrenspartei einzustufen ist. Diese Frage ist mangels anderslautender Bestimmung im KG nach Art. 6 VwVG zu beantworten: Als Parteien gelten demnach jene Personen, deren Rechte oder Pflichten die Verfügung berühren soll, und andere Personen, Organisationen oder Behörden, denen ein Rechtsmittel gegen die Verfügung zusteht (vgl. in diesem Zusammenhang Art. 48 VwVG). Eine Sanktionsverfügung nach Art. 49a KG berührt in erster Linie die Rechte und Pflichten jener Unternehmen (vgl. zum Unternehmensbegriff Art. 2 Abs. 1bis KG), die von der allfällig auszusprechenden Sanktion betroffen wären. Parteien sein können aber auch Dritte, die in einem besonders engen, spezifischen Verhältnis zum Verfügungsgegenstand stehen und deren Situation durch den Ausgang des BGE 147 II 144 (148) BGE 147 II 144 (149) Verfahrens in relevanter Weise beeinflusst werden kann ( BGE 139 II 328 E. 4.1 S. 335). Dabei kann es sich je nach Einzelfall beispielsweise um Lieferanten, Abnehmer oder Konkurrenten von Untersuchungsadressaten handeln (WYSSLING/BICKEL, a.a.O., N. 3 zu Art. 43 KG; vgl. zum Ganzen BGE 139 II 328 E. 4.2-4.6 S. 335 ff.; BGE 124 II 499 E. 3a S. 502 f.).
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4.6 Personen, die in einem untersuchungsbetroffenen Unternehmen eine Organfunktion bekleiden, verfügen im Kartellsanktionsverfahren nicht aus eigenem Recht über die Parteistellung. Wie die Vorinstanz allerdings zutreffend erwogen hat, handeln juristische Personen im Kartellverwaltungsverfahren durch ihre aktuellen formellen und faktischen Organe (Art. 55 ZGB; BGE 141 III 80 E. 1.3 S. 81 ff.; Urteil 4A_93/2015 vom 22. September 2015 E. 1.2.1, nicht publ. in: BGE 141 III 426 ; vgl. auch BANGERTER, a.a.O., N. 19 zu Art. 42 KG); die entsprechenden natürlichen Personen sind daher grundsätzlich als Partei und nicht als Dritte zu behandeln. Anderen Angehörigen juristischer Personen fehlt es hingegen an der Parteistellung; sie sind deshalb entgegen der Auffassung der A. AG als Zeugen zu befragen (vgl. E. 4.5 hiervor).
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4.7.2 Die Rechtsauffassung der Vorinstanz ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die unterschiedliche Behandlung von Parteien und Dritten im Rahmen des Beweisverfahrens soll - ungeachtet der Frage allfälliger Aussageverweigerungsrechte (vgl. dazu E. 5 hiernach) - insbesondere verhindern, dass die befragte Person zur Zeugin in eigener Sache wird. Hat eine Person ihre Organstellung in einem Unternehmen verloren, verfügt sie entgegen den Andeutungen in der Beschwerdeantwort betreffend die allfällige Sanktionierung des BGE 147 II 144 (149) BGE 147 II 144 (150) Unternehmens nicht mehr über ein unmittelbares Interesse am Verfahrensausgang; dies gilt auch dann, wenn sie Aussagen zu Begebenheiten machen muss, die sich im Zeitraum ihrer Organstellung zugetragen haben und aus denen ihr im Verhältnis zu ihrer ehemaligen Arbeitgeberin gegebenenfalls zivilrechtliche Nachteile entstehen können. Die betreffende Person ist daher ungeachtet ihrer früheren Organstellung nicht als Partei zu befragen, sondern als Zeugin (siehe für das Zivilprozessrecht Art. 169 ZPO und Urteil 5A_127/ 2013 vom 1. Juli 2013 E. 3.1; ferner Art. 63 Abs. 2 BZP; im Strafprozessrecht gilt eine differenzierte Regelung: Weil die Strafbarkeit des Unternehmens nach Art. 102 StGB voraussetzt, dass im Unternehmen eine Straftat begangen worden ist [vgl. BGE 142 IV 333 E. 4.1 S. 336 ff.], werden Vertreter dieses Unternehmens im Allgemeinen als Auskunftspersonen einvernommen [Art. 178 lit. g StPO]). Eine Befragung als "Auskunftsperson" fällt schon deshalb ausser Betracht, weil dies in der insofern einschlägigen Spezialbestimmung von Art. 42 Abs. 1 KG nicht vorgesehen ist.
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Mit dem von der Vorinstanz angerufenen Novenrecht hat all dies allerdings nichts zu tun: Zwar trifft zu, dass sich die Zulässigkeit einer erst noch ausstehenden Zeugenbefragung danach beurteilt, ob die einzuvernehmende Person zum Zeitpunkt des anzunehmenden Befragungszeitpunkts voraussichtlich Organstellung haben wird; ebenfalls zutreffend ist, dass zur Beurteilung dieser Frage im bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren Noven berücksichtigt werden können (vgl. Art. 12 und Art. 32 Abs. 2 VwVG). Dies gilt jedoch auch dann, wenn die Einvernahme bereits stattgefunden hat, ihre Rechtmässigkeit vom Gericht mit anderen Worten ex post zu beurteilen ist; ein allfälliges Wiederaufleben der Organfunktion während des Beschwerdeverfahrens führt in diesem Sinne nicht zur Unzulässigkeit der Zeugeneinvernahme. Das Novenrecht verhält sich zur hier interessierenden Frage mit anderen Worten indifferent und kann nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass ehemalige Organe als Zeugen zu befragen seien.
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BGE 147 II 144 (151)5. Mit der Feststellung, dass die WEKO B. zu Recht als Zeugen vorgeladen hat (vgl. E. 4.8 hiervor), ist noch nicht beantwortet, ob ihm in dieser (erst noch durchzuführenden) Zeugeneinvernahme ein von der A. AG abgeleitetes Aussageverweigerungsrecht zusteht.
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5.2 Mit der Differenzierung zwischen Fragen, die zu einer impliziten Schuldanerkennung der A. AG führen können, und solchen, die nur auf Angaben rein tatsächlicher Art abzielen, knüpft die Vorinstanz an die Rechtsprechung an, die die Gerichte der Europäischen Union in Bezug auf die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes gegenüber Unternehmen im europäischen Kartellrecht im Allgemeinen verfolgen (vgl. Urteile des EuGH vom 25. Januar 2007 C-407/ 04 P Dalmine gegen Kommission, Slg. 2007 I-902 Randnr. 34; vom 18. Oktober 1989 C-374/87 Orkem gegen Kommission , Slg. 1989 S. 3283 ff.; vgl. auch Urteil des EuG vom 20. Februar 2001 T-112/98 Mannesmannröhren-Werke gegen Kommission , Slg. 2001 II-732, Randnr. 68 ff.). Unabhängig von der vorliegend umstrittenen praktischen Durchführbarkeit dieser Unterscheidung setzt die Anknüpfung der Vorinstanz voraus, dass der Anwendungsbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes (Art. 6 Ziff. 1 EMRK) in Bezug auf die Befragung von Personen mit ehemaliger Organfunktion überhaupt eröffnet ist.
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Von einem Strafverfahren betroffene natürliche Personen würden durch eine (strafbewehrte) Pflicht zur wahrheitsgemässen Aussage in das Dilemma geraten, sich entweder selbst einer Unrechtstat zu bezichtigen oder aber Zwangsmitteln ausgesetzt zu werden. Dies ist bei juristischen Personen nicht der Fall: Solange den für das Unternehmen handelnden Organen nicht auch persönlich eine (strafrechtliche oder strafrechtsähnliche) Sanktionierung droht, können sie nicht in die beschriebene Zwangslage geraten (vgl. FLORIAN HENN, Strafrechtliche Verfahrensgarantien im europäischen Kartellrecht, Berlin 2018, S. 179). Für das Kartellsanktionsverfahren, in dem natürliche Personen nach Art. 49a KG grundsätzlich nicht sanktioniert werden können, bedeutet dies, dass der nemo-tenetur-Grundsatz nicht den mit der Menschenwürde verknüpften Schutz der Willensfreiheit der handelnden Organe, sondern einzig und allein die Gewährleistung eines effektiven Verteidigungsrechts der Untersuchungsbetroffenen bezweckt.
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5.2.3 Zutreffen mag, dass das je nach Anspruchsberechtigten divergierende telos des nemo-tenetur-Grundsatzes (vgl. E. 5.2.2 hiervor) die Geltung dieses Grundsatzes für juristische Personen nicht a priori ausschliesst oder einschränkt (vgl. CAROLE BECK, Enforcementverfahren der FINMA und Dissonanz zum nemo tenetur-Grundsatz, 2019, Rz. 700; CHRISTOPH DANNECKER, Der nemo tenetur-Grundsatz - prozessuale Fundierung und Geltung für juristische Personen, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft [ZStW] 127/2015 S. 371 ff., S. 379; FELLMANN/VETTERLI, "Nemo tenetur" light bei strafähnlichen Verwaltungssanktionen?, forumpoenale 1/2015 S. 43 ff., S. 45; ROMAN HUBER, Interne Untersuchungen und Anwaltsgeheimnis, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht [GesKR] 2019 S. 65 ff., BGE 147 II 144 (152) BGE 147 II 144 (153) S. 72; SIMON ROTH, Zum Zweiten: Die Geltung von nemo tenetur im Verwaltungsverfahren, Jusletter 24. November 2014 Rz. 45 ff.; MICHAEL TSCHUDIN, Mitwirkungspflicht an der eigenen Sanktionierung, AJP 2016 S. 323 ff., S. 326 ff.); für die Umreissung des Schutzbereichs ist er jedoch von entscheidender Bedeutung: Führt man sich den Schutzzweck des nemo-tenetur-Grundsatzes für Unternehmen vor Augen (vgl. E. 5.2.2 hiervor), ist nämlich kein Grund dafür ersichtlich, ehemalige Organe untersuchungsbetroffener Unternehmen in den Genuss eines Aussageverweigerungsrechts kommen zu lassen. Zwar trifft zu, dass sie aufgrund ihrer ehemaligen Organstellung unter Umständen ein besonderes Näheverhältnis zum untersuchungsbetroffenen Unternehmen aufweisen und möglicherweise gerade aufgrund dieses Näheverhältnisses belastende Aussagen machen können. Der nemo-tenetur-Grundsatz bezweckt jedoch nicht den Schutz vor belastenden Aussagen, ansonsten man jeder Person ein Aussageverweigerungsrecht zugestehen müsste, die aufgrund eines wie auch immer gearteten Näheverhältnisses potenziell belastende Aussagen zum inkriminierten Verhalten machen könnte; dies führte klarerweise zu weit und ist vom EGMR so auch nie postuliert worden.
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Im Vordergrund steht vielmehr die Sicherstellung der Möglichkeit einer wirksamen Verteidigung für das untersuchungsbetroffene Unternehmen. Inwiefern diese Möglichkeit zu einer wirksamen Verteidigung dadurch beschnitten würde, dass ehemalige Organe aufgrund ihrer Pflicht zu wahrheitsgemässer Aussage belastende Aussagen treffen könnten, ist nicht ersichtlich: Die Aussagen der ehemaligen Organe können der Untersuchungsbetroffenen nicht zugerechnet werden; insofern sind die im Kartellsanktionsverfahren handelnden Organe bzw. ihre Rechtsvertreter frei darin, deren Aussagen in Frage zu stellen und sie gegebenenfalls zu widerlegen, ohne hierdurch widersprüchlich zu handeln (vgl. die entsprechende Zweckbegründung des nemo-tenetur-Grundsatzes bei NADINE QUECK, Die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes zugunsten von Unternehmen, Berlin 2004, S. 218). Entgegen anderslautender Lehrmeinungen (vgl. u.a. THOMI/WOHLMANN, Der Täter als Zeuge im Kartellverfahren, Jusletter 13. Juni 2016 Rz. 14 ff.; DAVID MAMANE, Nemo Tenetur in kartellrechtlichen Sanktionsverfahren - Anmerkungen aus Sicht der Praxis, in: 8. Tagung zum Wettbewerbsrecht, Grundlegende Fragen, Hochreutener/Stoffel/Amstutz [Hrsg.], 2017, S. 71 ff., S. 82; ASTRID WASER, Verfahrensrechte der Parteien - neueste BGE 147 II 144 (153) BGE 147 II 144 (154) Entwicklungen, in: Wettbewerbsrecht: Entwicklung, Verfahrensrecht, Öffnung des schweizerischen Marktes, Hochreutener/Stoffel/Amstutz [Hrsg.], 2014, S. 82 und 91) berührt die (uneingeschränkte) Einvernahme ehemaliger Gesellschaftsorgane den nemo-tenetur-Grundsatz im Kartellsanktionsverfahren deshalb grundsätzlich nicht. Ein Zeugnisverweigerungsrecht kann sich aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK in einer Konstellation wie der vorliegenden nicht ergeben (vgl. BANGERTER, a.a.O., N. 19 und 29 zu Art. 42 KG; BICKEL/WYSSLING, a.a.O., N. 51 ff. zu Art. 42 KG), es sei denn, dem Zeugen drohte im Zusammenhang mit dem Verhalten seiner ehemaligen Arbeitgeberin persönlich eine Strafverfolgung (Art. 16 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 42 Abs. 1 lit. a BZP). Über ein solches - in der Person B.s begründetes - Zeugnisverweigerungsrecht ist vorliegend allerdings nicht zu befinden.
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