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Informationen zum Dokument  BGE 137 II 366  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
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31. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Landwirtschaftsamt und Departement für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
2C_560/2010 vom 18. Juni 2011
 
 
Regeste
 
Art. 70 Abs. 3 lit. b und Abs. 4, Art. 72, 73 Abs. 1, Art. 76 und 76a LwG; Art. 4, 5, 27, 28 Abs. 1, Art. 40 ff., 59 Abs. 1 und Art. 70 Abs. 1 lit. e DZV; Art. 2 ff. ÖQV; Kürzung oder Verweigerung von Direktzahlungen wegen Verletzung von Tierschutzvorschriften.  
 
Sachverhalt
 
BGE 137 II, 366 (367)A. X. führt einen Landwirtschaftsbetrieb im Weiler W. Am 2. Mai 2008 stellte er ein Gesuch für Direktzahlungen für das Jahr 2008. Ein Gesuch um Auszahlung von Akontozahlungen per Mitte Jahr wurde vom Landwirtschaftsamt des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 18. August 2008 abgewiesen. Am 24. November 2008 verfügte das Landwirtschaftsamt, es erfolge keine Auszahlung von Direktzahlungen für das Jahr 2008 an X. Dieser erhob dagegen Rekurs an BGE 137 II, 366 (368)das Departement für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons Thurgau (DIV), welches das Rechtsmittel mit Entscheid vom 16. April 2009 abwies.
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B. X. erhob dagegen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, worin er die Ausrichtung der landwirtschaftlichen Direktzahlungen für das Jahr 2008 und die Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung beantragte (...). Mit Urteil vom 14. Mai 2010 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab.
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C. X. erhebt mit Eingabe vom 28. Juni 2010 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (...). Er beantragt, es sei unter Aufhebung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass er zum Bezug von Direktzahlungen für das Jahr 2008 berechtigt sei, und es seien ihm sämtliche für das Jahr 2008 zustehenden Direktzahlungen zuzüglich Verzugszins zu 5 % seit 31. Dezember 2008 auszurichten. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 3
 
3.1 Der Beschwerdeführer wurde letztinstanzlich mit Urteil (des Bundesgerichts) 6B_711/2009 vom 26. Februar 2010 wegen mehrfacher Übertretung des Tierschutzgesetzes rechtskräftig verurteilt. Zwar trifft es zu, dass dieses Urteil Sachverhalte betrifft, die sich vor dem Jahre 2008 zugetragen haben, zuletzt das am 25. Juni 2007 erfolgte unsachgemässe Beschlagen eines Jungpferds, was mit dessen Tod endete, sowie verschiedene Mängel in der Pferde- und Rinderhaltung, die der Amtstierarzt anlässlich einer Kontrolle vom 9. Juli 2007 festgestellt hatte. Das macht aber die Verweigerung der Beiträge nicht rechtswidrig: Der Beitragsanspruch für die Beiträge für die Haltung Raufutter verzehrender Nutztiere (im Folgenden: RGVE-Beiträge) für Rinder richtet sich nach den Verhältnissen zwischen dem 1. Mai des Vorjahres und dem 30. April des Beitragsjahres (Art. 29 Abs. 1 lit. a der Direktzahlungsverordnung vom 7. Dezember 1998 [DZV; SR 910.13]). Dasselbe muss für die Ethobeiträge gelten (Urteil 2C_588/2010 vom 24. Februar 2011 E. 2.4). Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift müssen in dieser Periode die Voraussetzungen eingehalten sein. Die im Juni und Juli 2007 erfolgten Verstösse gegen die Tierschutzgesetzgebung können deshalb zur BGE 137 II, 366 (369)Verweigerung der Beiträge für das Jahr 2008 führen. Zwar spricht Art. 70 Abs. 1 lit. e DZV nur von Vorschriften des Gewässerschutz-, des Umweltschutz- oder des Natur- und Heimatschutzgesetzes; indessen ist nach Art. 70 Abs. 4 des Landwirtschaftsgesetzes vom 29. April 1998 (LwG; SR 910.1) und Art. 5 DZV auch die Einhaltung der Tierschutzvorschriften Voraussetzung für die Ausrichtung von Direktzahlungen.
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3.2 Mit der Missachtung der Tierschutzvorschriften kann jedoch nicht die Verweigerung sämtlicher Beiträge begründet werden: Der Sinn und Zweck der Direktzahlungen liegt darin, die ökologischen und gemeinwirtschaftlichen Leistungen bodenbewirtschaftender bäuerlicher Betriebe abzugelten, um damit namentlich die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten und die Kulturlandschaft zu pflegen (Art. 1 lit. b und c sowie Art. 2 Abs. 1 lit. b LwG). Voraussetzung der Beitragszahlung ist daher, dass diese ökologischen und gemeinwirtschaftlichen Leistungen tatsächlich erbracht werden. Ist dies nicht der Fall, sind die Beiträge zu verweigern. Die Verweigerung der Beiträge hat keinen pönalen Charakter; sie hat ihren Grund vielmehr darin, dass die Leistungen, welche mit den Zahlungen abgegolten werden sollen, nicht erbracht werden. Es muss mit anderen Worten ein Zusammenhang zwischen der Sanktion (Beitragskürzung oder -verweigerung) und der verletzten Bestimmung bestehen (PAUL RICHLI, in: Wirtschaftsstrukturrecht, SBVR Bd. XIII, 2005, S. 264 Rz. 729). Das ergibt sich auch aus Art. 70 Abs. 4 LwG, wonach nur die Einhaltung der für die landwirtschaftliche Produktion massgeblichen Vorschriften der (u.a.) Tierschutzgesetzgebung Voraussetzung für die Ausrichtung von Direktzahlungen ist; damit wollte der Gesetzgeber bewusst einen Zusammenhang zwischen Gesetzesverstoss und betrieblicher Tätigkeit statuieren (Urteil 2A.40/2005 vom 16. August 2005 E. 5.3). So wurde denn auch im Urteil 2A.365/2002 vom 1. Oktober 2002 E. 3.1 festgehalten, dass die Voraussetzungen für eine Streichung bzw. Kürzung der tierbezogenen Beiträge nach Art. 73 und 74 LwG grundsätzlich erfüllt sind, wenn die Anforderungen an eine tiergerechte Haltung nicht eingehalten sind.
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3.3.1 Die RGVE-Beiträge dienen der Förderung und Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Milch- und Fleischproduktion auf Raufutterbasis und einer flächendeckenden Nutzung (Art. 73 Abs. 1 BGE 137 II, 366 (370)LwG). Die Beitragsberechtigung setzt das Halten von Raufuttergrossvieheinheiten voraus (Art. 28 Abs. 1 DZV), worunter selbstverständlich nur ein rechtmässiges Halten gemeint sein kann. Werden die Tiere unter Missachtung von Tierschutzvorschriften gehalten, sind damit die Voraussetzungen für die RGVE-Beiträge nicht erfüllt. Dasselbe gilt umso mehr für die Ethobeiträge, welche für besonders tierfreundliche Produktionsformen ausgerichtet werden (Art. 70 Abs. 3 lit. b und Art. 76a LwG; Art. 59 Abs. 1 DZV); diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn Tierschutzvorschriften missachtet werden (Urteil 2A.365/2002 vom 1. Oktober 2002 E. 3.1). In Bezug auf diese Beiträge erweist sich die Beschwerde damit als unbegründet.
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3.3.2 Demgegenüber werden die Flächenbeiträge für die blosse Bewirtschaftung von Flächen ausgerichtet (Art. 72 LwG; Art. 4 und 27 DZV) und damit unabhängig von einer Tierhaltung (abgesehen von der Einhaltung der Höchstbestände, Art. 2 Abs. 2 lit. c DZV; vgl. Urteil 2A.40/2005 vom 16. August 2005). Wenn es für die Berechtigung unerheblich ist, ob überhaupt Tiere gehalten werden, kann es auch keine Rolle spielen, ob die Tiere vorschriftskonform gehalten werden. Es fehlt an einem sachlichen Zusammenhang zwischen der Verletzung von Tierschutzvorschriften und den Flächenbeiträgen, weshalb diese nicht mit der Begründung verweigert werden können, Tierschutzvorschriften seien verletzt worden. Dasselbe gilt für die Beiträge für den ökologischen Ausgleich und Öko-Qualitätsbeiträge : Diese werden unter Voraussetzungen gewährt, die keinen Zusammenhang mit der Nutztierhaltung aufweisen (Art. 40 ff. DZV; Art. 2 ff. der Öko-Qualitätsverordnung vom 4. April 2001[ÖQV;SR 910.14]). Sie können damit nicht mit der Begründung, Pferde undRinder seien unter Verletzung von Tierschutzvorschriften gehalten worden, verweigert werden.
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