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Informationen zum Dokument  BGE 123 II 577  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
aus folgenden Erwägungen:
2. Das Verfahren beschränkt sich auf die Grundsatzfrage, ob  ...
3. a) Nach Ansicht des Departements richtet sich die Haftung des  ...
4. a) Die Rekurskommission hat zunächst untersucht, ob eine  ...
5. Ergibt sich eine Haftung bereits aus Art. 22 MO, erübrigt ...
6. Die Haftung des Bundes nach Art. 22 oder 23 MO kann durch Selb ...
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60. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. September 1997 i.S. S. gegen Eidgenössisches Militärdepartement und Rekurskommission des Eidgenössischen Militärdepartements (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 22 MO; Art. 106 LFG; Haftung des Bundes für Zusammenstoss zwischen Militär- und Zivilflugzeug in der Luft.  
Begriff der Widerrechtlichkeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 MO; bei Personenschäden ergibt sich die Widerrechtlichkeit, auch ohne dass spezifische Vorschriften verletzt wurden, bereits aus der Verletzung eines absoluten Rechts, sofern kein Rechtfertigungsgrund vorliegt (E. 4).  
Selbstverschulden des Geschädigten; in casu verneint (E. 6).  
 
Sachverhalt
 
BGE 123 II, 577 (578)Der Fluglehrer C. führte am 5. Mai 1989 mit seinem Flugschüler S. (geboren 1968) auf dem militärischen, aber unter bestimmten Voraussetzungen dem zivilen Flugverkehr offenstehenden Flugplatz Kägiswil mit einem zivilen Schulungsflugzeug Start- und Landeübungen durch. Gleichzeitig näherte sich Kpl M., Angehöriger der Pilotenschule 55-I/89, mit einem militärisch immatrikulierten Trainingsflugzeug PC-7 auf dem Landeanflug dem nahe beim Flugplatz Kägiswil gelegenen Militärflugplatz Alpnach. Die beiden Flugzeuge kollidierten in der Luft. Das zivile Flugzeug stürzte ab, wobei S. und C. den Tod fanden. Kpl M. konnte unverletzt auf dem Flugplatz Alpnach landen.
1
Ein militärisches Strafverfahren gegen Kpl M. wurde eingestellt. Ein gegen den vertretungsweise eingesetzten Flugverkehrsleiter des Flugplatzes Alpnach, F., eingeleitetes Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung endete mit rechtskräftigem Freispruch.
2
Die Eltern und Brüder von S. machten beim Generalsekretariat des Eidgenössischen Militärdepartements (im folgenden: Departement) gestützt auf Art. 22 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 12. April 1907 über die Militärorganisation der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Militärorganisation, MO; BS 5 3) eine Genugtuung geltend. Das Generalsekretariat lehnte das Begehren ab; es erwog, die Haftung des Bundes für Schäden durch schweizerische Militärflugzeuge richte sich gemäss Art. 106 des Luftfahrtgesetzes vom 21. Dezember 1948 (LFG; SR 748.0) nicht nach der Militärorganisation, sondern nach dem Luftfahrtgesetz, wobei für Zusammenstösse von Flugzeugen in der Luft Art. 79 LFG auf das Obligationenrecht verweise. Für die Beurteilung einer Haftung aus Obligationenrecht sei indessen nicht das Generalsekretariat des Militärdepartements zuständig, sondern das Finanzdepartement.
3
BGE 123 II, 577 (579)Die Hinterbliebenen von S. erhoben Beschwerde bei der Rekurskommission des Eidgenössischen Militärdepartements. Der Präsident der Rekurskommission schränkte das Verfahren auf die Grundsatzfrage ein, ob eine Haftung der Eidgenossenschaft aus dem Bundesgesetz über die Militärorganisation vorliege oder nicht. In ihrem Entscheid vom 7. November 1996 kam die Rekurskommission zum Schluss, dass sich die Haftung des Bundes entgegen der Ansicht des Generalsekretariats nach Art. 22 Abs. 1 oder Art. 23 MO richte, doch seien die Haftungsvoraussetzungen gemäss diesen Bestimmungen nicht erfüllt. Demnach stellte die Rekurskommission fest, dass die Eidgenossenschaft für den geltend gemachten Anspruch nicht haftbar sei.
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Die Angehörigen von S. erheben gemeinsam Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid der Rekurskommission aufzuheben, die Haftung aufgrund von Art. 22 Abs. 1 bzw. Art. 23 Abs. 1 MO festzustellen und die Angelegenheit an das Eidgenössische Militärdepartement, eventuell an die Vorinstanz, zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
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aus folgenden Erwägungen:
 
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3. a) Nach Ansicht des Departements richtet sich die Haftung des Bundes für Militärflugzeuge aufgrund von Art. 106 LFG nicht nach der Militärorganisation, sondern nach dem Luftfahrtgesetz. Indessen gilt Art. 106 Abs. 1 LFG nach seinem klaren Wortlaut nur für Schäden, die von einem schweizerischen Militärflugzeug einer Person oder einer Sache auf der Erde zugefügt werden (so in BGE 112 II 118 E. 1 S. 121). Es ist kein Grund ersichtlich, von diesem klaren Wortlaut abzuweichen und Art. 106 LFG auch auf Zusammenstösse von Flugzeugen in der Luft anzuwenden. Art. 106 LFG ist vielmehr im Zusammenhang mit Art. 64 LFG zu sehen: die spezialgesetzliche Kausalhaftung des Luftfahrtgesetzes gilt nur für Schäden, welche ein Flugzeug am Boden verursacht, während sich BGE 123 II, 577 (580)die Haftung für den Zusammenstoss von Flugzeugen in der Luft nicht nach dem Luftfahrtgesetz richtet (Art. 79 LFG; Men Duri Werro, Die Haftung aus Zusammenstoss von Flugzeugen, Diss. Zürich 1978, S. 39 f.). Dementsprechend ist es sachgerecht, auch die Haftung des Bundes für Militärflugzeuge nur dann nach dem Luftfahrtgesetz zu beurteilen, wenn es um Schäden auf der Erde geht.
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b) Für Schäden aus der Kollision zwischen einem Militärflugzeug und einem Zivilflugzeug in der Luft ist folglich die in Art. 106 LFG enthaltene Verweisung auf die Art. 64-74 und 77-79 LFG nicht anwendbar. Demnach gilt dafür auch die in Art. 79 LFG enthaltene Weiterverweisung auf das Obligationenrecht nicht.
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c) Das Luftfahrtgesetz ist daher, wie im angefochtenen Entscheid zutreffend festgestellt, vorliegend nicht anwendbar. Es ist auch keine andere spezialgesetzliche Haftungsnorm ersichtlich, unter welche der Sachverhalt fallen könnte. Die Haftung des Bundes ist somit nach den Art. 22 bzw. 23 MO zu beurteilen (ebenso BINSWANGER, die Haftungsverhältnisse bei Militärschäden, Diss. Zürich 1969, S. 143; a.A. WERRO, a.a.O., S. 144, welcher offensichtlich übersieht, dass Art. 106 LFG nur für Schäden auf der Erde gilt).
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d) Was das Departement dagegen unter Hinweis auf das Strassenverkehrsgesetz vorbringt, ist unerheblich, da Art. 61 Abs. 1 SVG gemäss Art. 73 Abs. 1 SVG für jeden Unfall, an welchem Bundesfahrzeuge beteiligt sind, anwendbar ist und diese Regelung insoweit von derjenigen von Art. 106 LFG abweicht. Es trifft zu, dass damit der mit einem Militärflugzeug kollidierende Geschädigte besser gestellt ist als derjenige, der mit einem Zivilflugzeug zusammenstösst; das ist jedoch kein Grund, das Gesetz nicht anzuwenden.
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e) Es ist somit zu prüfen, ob die Haftungsvoraussetzungen nach Art. 22 oder 23 MO erfüllt sind.
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BGE 123 II, 577 (581)b) Nach Art. 22 Abs. 1 MO haftet der Bund für den Schaden, den ein Wehrmann in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit "widerrechtlich" zufügt. Das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit wird vom Gesetz nicht ausdrücklich verlangt. Fragen kann sich einzig, ob sich dieses Erfordernis aus dem Begriff der "Widerrechtlichkeit" ergibt. Da Art. 22 Abs. 1 MO insoweit gleich lautet wie Art. 3 VG, kann dafür auch die diesbezügliche Lehre und Praxis herangezogen werden (vgl. BINSWANGER, a.a.O., S. 314 und 316).
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c) Nach der im privaten Haftpflichtrecht herrschenden Lehre und Praxis ergibt sich gemäss der objektiven Widerrechtlichkeitstheorie die Widerrechtlichkeit einer schädigenden Handlung daraus, dass entweder ein absolutes Recht des Geschädigten beeinträchtigt wird, ohne dass ein Rechtfertigungsgrund vorliegt (Erfolgsunrecht), oder eine reine Vermögensschädigung durch Verstoss gegen eine Norm bewirkt wird, die nach ihrem Zweck vor derartigen Schäden schützen soll (Handlungsunrecht) (BGE 122 III 176 E. 7b S. 192; BGE 119 II 127 E. 3 S. 128; 115 II 15 E. 3a S. 18; vgl. BGE 112 II 118 E. 5e S. 128; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. I, 5. Aufl. Zürich 1995, S. 174 ff.).
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d) aa) Im Bereich der Staatshaftung gilt eine Schadenszufügung dann als widerrechtlich, wenn die amtliche Tätigkeit des Beamten gegen Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dienen (BGE 118 Ib 473 E. 2b S. 476; BGE 116 Ib 193 E. 2a S. 195; BGE 107 Ib 160 E. 3a 164). Die Lehre vertritt dazu teilweise die Ansicht, dass die Staatshaftung immer ein Handlungsunrecht voraussetze, die blosse Rechtsgutverletzung somit noch nicht widerrechtlich sei (THOMAS FLEINER, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen Verwaltungsrechts, 2. Aufl. Zürich 1980, S. 350; ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, Vol. II, Neuchâtel 1984, S. 797 f.; DIETER ANDREAS GRÜNINGER, Der Begriff der Rechtswidrigkeit im Staatshaftungsrecht, Diss. Basel 1987, S. 35 f., 48 f.; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl. Zürich 1993, S. 408; OTTO K. KAUFMANN, Die Verantwortlichkeit der Beamten und die Schadenersatzpflicht des Staates in Bund und Kantonen, ZSR 72/1953 S. 201a-380a, 327a; PETER UELI ROSENSTOCK, Die Haftung des Staates als Unternehmer im Bereiche der Hoheitsverwaltung, Diss. Zürich 1965, S. 159; HANS-RUDOLF SCHWARZENBACH, Die Staats- und Beamtenhaftung in der Schweiz, 2. Aufl. Zürich 1985, S. 46 ff.).
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bb) Das Bundesgericht hat indessen schon in BGE 91 I 449 E. 3 S. 452 f. festgehalten, dass der Begriff der Widerrechtlichkeit im BGE 123 II, 577 (582)Sinne von Art. 3 Abs. 1 VG mit demjenigen gemäss Art. 41 OR übereinstimme. In BGE 113 Ib 420 E. 2 S. 423 hat es sich ausdrücklich auf den Standpunkt gestellt, auch im Staatshaftungsrecht gelte gleichermassen wie im Privatrecht die Verletzung eines absoluten Rechts grundsätzlich als rechtswidrig, ohne dass ein Handlungsunrecht erforderlich sei. Diese Ansicht wurde seither wiederholt bestätigt (BGE 118 Ib 473 E. 2b S. 476; BGE 116 Ib 367 E. 4b S. 373 f.; vgl. auch für den Fall der subsidiären Ersatzpflicht des Bundes nach Art. 16 des Kernenergiehaftpflichtgesetzes vom 18. März 1983 [KHG; SR 732.44] BGE 116 II 480 E. 5 S. 492, wonach bei Sachschäden die Widerrechtlichkeit bereits aus der Eigentumsverletzung folgt). Soweit es um eine Verletzung absoluter Rechte geht, ergibt sich demnach die Rechtswidrigkeit grundsätzlich auch ohne dass eine Ordnungswidrigkeit oder eine Amts- oder Dienstpflichtverletzung vorliegt.
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cc) Wenn in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Staatshaftung das Kriterium der Amtspflichtverletzung wiederholt erwähnt und geprüft wurde, handelte es sich in der Regel um Fälle, in denen ein reiner Vermögensschaden zur Diskussion stand (BGE 118 Ib 163 E. 2, 473 E. 7 S. 482 f.; BGE 116 Ib 193 E. 2 S. 195 ff., 367 E. 5 S. 374 ff.; BGE 107 Ib 5 E. 2a S. 7 f., 160 E. 3 S. 163 ff.; BGE 106 Ib 357 E. 2c S. 362; BGE 100 Ib 8 E. 3b S. 12; BGE 94 I 628 E. 4/5 S. 639 ff.; ebenso wurde in einem Anwendungsfall von Art. 22 MO [BGE 101 Ib 252 ] die Normverletzung im Hinblick auf einen indirekt am Vermögen Geschädigten geprüft), oder aber um Fälle, in denen aufgrund des anwendbaren kantonalen Staatshaftungsrechts zusätzlich zur Widerrechtlichkeit ein Verschulden Haftungsvoraussetzung war (BGE 92 I 516 E. 4/5 S. 523 ff.).
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dd) Eine wesentliche Amtspflichtverletzung ist ferner Voraussetzung für das Vorliegen einer Staatshaftung für Schäden infolge eines Rechtsaktes, der sich später als unrichtig erweist (BGE 120 Ib 248 E. 2b S. 249; BGE 119 Ib 208 E. 5a S. 215; BGE 118 Ib 163 E. 2 S. 164, mit Hinweisen). Diese Praxis steht im Zusammenhang mit dem Rechtskraftprinzip, welches vermeiden will, dass die Frage der Richtigkeit eines formell rechtskräftigen Rechtsaktes nachträglich auf dem Weg über einen Schadenersatzprozess wieder aufgerollt werden kann (Art. 12 VG; MICHAEL FAJNOR, Staatliche Haftung für rechtmässig verursachten Schaden, Diss. Zürich 1987, S. 33 f.; PIERRE MOOR, Droit administratif, vol. II, Bern 1991, S. 470 f.; EMIL W. STARK, Die Haftungsvoraussetzung der Rechtswidrigkeit in der Kausalhaftung des Staates für seine Beamten, Festschrift Häfelin, Zürich 1989, BGE 123 II, 577 (583)S. 569-582, 581). Zudem geht es in diesen Fällen meistens um reine Vermögensschäden. Die Frage des ungerechtfertigten Eingriffs in absolute Rechte stellt sich am ehesten bei der rechtswidrigen Haft, wo aber besondere Grundsätze gelten (Art. 5 Ziff. 5 EMRK; vgl. BGE 119 Ia 221 E. 6a S. 230).
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ee) Auch im Rahmen einer Staatshaftung für medizinische Behandlung in einem staatlichen Spital ist im Ergebnis die Verletzung einer objektiv gebotenen Sorgfaltspflicht zu prüfen (BGE 120 Ib 411 E. 4a S. 414; BGE 115 Ib 175 E. 2a S. 180; BGE 112 Ib 322 E. 2-4 S. 326 ff.). Zwar ist auch der ärztliche Eingriff in die körperliche Integrität grundsätzlich widerrechtlich, doch liegt in der Regel ein Rechtfertigungsgrund (Einwilligung des aufgeklärten Patienten, Geschäftsführung ohne Auftrag, allenfalls Amtspflicht) vor (vgl. BGE 117 Ib 197 E. 2a S. 200; BGE 113 Ib 420 E. 4 S. 424). Indessen deckt die tatsächliche oder hypothetische Einwilligung des Patienten bloss den nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommenen Eingriff ab, nicht aber den unsorgfältigen. Insofern erlangt das Verhaltensunrecht auch bei der Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter Bedeutung, wenn das Erfolgsunrecht in einer Sonderbeziehung durch einen Rechtfertigungsgrund nur teilweise gedeckt ist. Eine Haftung des Staates kann sich insoweit nur dann ergeben, wenn die Behandlung sorgfaltswidrig erfolgte (WOLFGANG PORTMANN, Erfolgsunrecht oder Verhaltensunrecht? SJZ 93/1997 S. 273-279, 276; STARK, a.a.O., S. 576 ff.). Diese Situation ist jedoch nicht vergleichbar mit dem vorliegenden Fall, in welchem keine Sonderbeziehung vorliegt, sondern durch staatliches Handeln ein unbeteiligter Dritter geschädigt wird.
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ff) Schliesslich muss eine Amtspflichtverletzung vorliegen, damit eine Staatshaftung aus einer Unterlassung hergeleitet werden kann, wie beispielsweise aus einer ungenügend wahrgenommenen Aufsichtspflicht des Staates über gefährliche oder schädigende private Tätigkeiten. Für Schädigungen infolge einer Unterlassung kann sich eine Haftpflicht nicht aus einer natürlichen Kausalität ergeben, sondern nur dadurch, dass eine Garantenpflicht verletzt wurde. Eine solche kann nur durch rechtliche Vorschriften begründet werden; Verletzung der Garantenpflicht setzt somit voraus, dass die gesetzlichen Bestimmungen, welche Art und Umfang dieser Pflicht festlegen, verletzt wurden (BGE 89 I 483 E. 6 S. 491 ff.; FAJNOR, a.a.O., S. 52 f.; TOBIAS JAAG, Öffentliches Entschädigungsrecht, ZBl 98/1997 S. 145-174, 162; FRITZ GYGI, Die Widerrechtlichkeit in der Staatshaftung, Mél. Grisel, Neuchâtel 1983, S. 417-431, 424 f., 430; BGE 123 II, 577 (584)JOST GROSS, Schweizerisches Staatshaftungsrecht, Bern 1995, S. 154 f., 160 f.; MOOR, a.a.O., S. 469; PORTMANN, a.a.O., S. 276; STARK, a.a.O., S. 576).
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gg) Abgesehen von solchen besonderen Fällen liegt jedoch bei Verletzung eines absoluten Rechts auch dann Widerrechtlichkeit vor, wenn keine spezifischen Vorschriften verletzt wurden.
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e) Die Lehre vertritt mehrheitlich ebenfalls diese Auffassung (BALZ GROSS, Die Haftpflicht des Staates, Diss. Zürich 1996, S. 129 f.; JOST GROSS, a.a.O., S. 148 ff.; FRITZ GYGI, Staatshaftung und Verwaltungsrechtspflege, Mél. Bridel, Lausanne 1968, S. 221-236, 228 ff.; ders., a.a.O. [1983], S. 422 f.; ders., Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 257 f.; MAX IMBODEN/RENÉ A. RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. A., Basel 1976, S. 750; JAAG, a.a.O., S. 162; ders., Staats- und Beamtenhaftung, Basel 1996, S. 35 f.; BLAISE KNAPP, Précis de droit administratif, 4.A. Basel 1991, S. 505 Rz. 2431; MORITZ KUHN, Die vermögensrechtliche Verantwortung des Bundes, Diss. Zürich 1971, S. 223 ff.; MOOR, a.a.O., S. 466; BERNHARD MÜLLER, Die Haftung der Eidgenossenschaft nach dem Verantwortlichkeitsgesetz, ZBJV 105/1969 S. 341-367, 350 f.; OFTINGER/STARK, a.a.O., Bd. I, S. 186; RENÉ RHINOW/BEAT KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel 1990, S. 323, STARK, a.a.O., S. 575 f., 581; ders., Einige Gedanken zur Haftpflicht für staatliche Verrichtungen, SJZ 86/1990 S. 1-12, 11; ULRICH ZIMMERLI, Besprechung von BGE 113 Ib 420 in ZBJV 125/1989, S. 387 ff.).
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f) Dagegen wird teilweise vorgebracht, der privatrechtliche Widerrechtlichkeitsbegriff sei für den Bereich der Staatshaftung nicht passend, weil der Staat für die Erfüllung seiner Aufgaben zwangsläufig gelegentlich in die Rechtsgüter der Bürger eingreifen müsse, was nicht widerrechtlich sei. Eine haftungsbegründende Widerrechtlichkeit ergebe sich daher erst dann, wenn gegen eine gesetzliche Amtspflicht verstossen worden sei (FLEINER, a.a.O., S. 350; GRÜNINGER, a.a.O., S. 35 f.; KAUFMANN, a.a.O., S. 327a). Soweit der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben in die Rechte der Bürger eingreifen muss, liegt jedoch ein haftungsausschliessender Rechtfertigungsgrund vor (hinten E. 4i). Ein Argument gegen die Gleichstellung von privat- und staatshaftungsrechtlichem Widerrechtlichkeitsbegriff ergibt sich daraus nicht.
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g) Die geschilderten Überlegungen gelten gleichermassen für die Haftung nach Art. 22 MO (ebenso für die Regelung nach aArt. 27 MO auch BINSWANGER, a.a.O., S. 38 f.; anders freilich ders., a.a.O., BGE 123 II, 577 (585)S. 314 f. für den 1967 revidierten Art. 22 MO). Die Ansicht der Vorinstanz und des Departements, es sei zusätzlich zur Rechtswidrigkeit eine Ordnungswidrigkeit erforderlich, wurde zwar auch vom Bundesrat vertreten (Botschaft zum Militärgesetz vom 3. Februar 1995, BBl 1993 IV 110), der sich dabei auf OFTINGER/STARK, a.a.O., Bd. II/3, 4. Aufl. Zürich 1991, S. 468 beruft. OFTINGER/STARK sind jedoch widersprüchlich: während sie in Bd. I S. 50 f. sowie in Bd. II/3 S. 468 Rz. 78, S. 487 Rz. 155 und S. 510 Rz. 236 die Ansicht vertreten, eine Ordnungswidrigkeit sei erforderlich, betrachten sie in Bd. I S. 22 sowie in Bd. II/3 S. 463 ff. Rz. 57, 68, 69, 72, 75 und 77 die Haftung nach Art. 22 MO als eine der Gefährdungshaftung gleichzustellende scharfe Kausalhaftung. Ebenso stellen sie sich in Bd. II/3 S. 516 Rz. 261 im Zusammenhang mit Art. 22 MO auf den Boden des Erfolgsunrechts. Im übrigen wird das Erfordernis einer Ordnungswidrigkeit weder bei OFTINGER/ STARK noch bei BINSWANGER (a.a.O., S. 314 f.), auf den sich die Vorinstanz beruft, begründet. Dass es sich dabei um eine Freistellungshaftung handelt, wie die Vorinstanz unter Berufung auf REY (HEINZ REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, Zürich 1995, Rz. 98 ff.) ausführt, hat mit der Frage der Ordnungswidrigkeit bzw. des Handlungsunrechts nichts zu tun. Das Erfordernis einer Ordnungswidrigkeit ergibt sich auch nicht aus BGE 101 Ib 252. Zur Begründung ihrer Ansicht führt die Vorinstanz im Grunde - gestützt auf OFTINGER/STARK (a.a.O., Bd. I, S. 50) - lediglich aus, bei Verzicht auf das Erfordernis der Ordnungswidrigkeit würde die Beschwerdegegnerin auch immer dann haften, wenn ein mitwirkender Zufall massgebend zum Eintritt des Schadens beigetragen hat, was die Haftung des Staates ins Unendliche ausufern liesse. Dabei handelt es sich jedoch, wie die Beschwerdeführer richtig ausführen, um eine Frage der adäquaten Kausalität, welche durch aussergewöhnliche Zufälle unterbrochen wird. Dass für mitwirkenden Zufall bis zu einem gewissen Grad gehaftet wird, liegt in der Natur der Kausalhaftung und kann kein Argument sein, zusätzliche, vom Gesetz nicht vorgesehene Haftungsvoraussetzungen aufzustellen.
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h) Da vorliegend die adäquate Kausalität gegeben ist, erweist sich somit der Tod von S. als widerrechtliche Schädigung, auch wenn dem Militärpiloten keine Ordnungswidrigkeit vorzuwerfen ist.
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i) Die Rechtswidrigkeit wird aufgehoben, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Die rechtmässige Ausübung öffentlicher Gewalt ist ein Rechtfertigungsgrund, der eine Haftpflicht nach Art. 3 VG bzw. Art. 22 Abs. 1 MO ausschliesst (JAAG, a.a.O. [1996], S. 44; BGE 123 II, 577 (586)OFTINGER/STARK, a.a.O., Bd. II/3, S. 517 ff.; STARK, a.a.O. [1989], S. 576; BEATRICE WEBER-DÜRLER, Zur Entschädigungspflicht des Staates für rechtmässige Akte, Festschrift Kaufmann, Bern 1989, S. 339-353, 349). Indessen wird nicht jede Schädigung bereits dadurch gerechtfertigt, dass keine konkreten Dienstvorschriften oder Amtspflichten verletzt wurden. Vielmehr ist zu unterscheiden: Die Schädigung durch eine Amtshandlung ist dann gerechtfertigt, wenn sie der gesetzlich vorgesehene Sinn und Zweck der Handlung ist (wie zum Beispiel bei einer Verhaftung oder Freiheitsstrafe) oder wenn sie zwangsläufig mit der Durchführung des Gesetzes verbunden ist, wenn also der Staat schädigend handeln muss, um die gesetzlich vorgesehenen Aufgaben erfüllen zu können (OFTINGER/STARK, a.a.O., Bd. II/3, S. 517 f.). Erfolgt jedoch eine Schädigung als unbeabsichtigte, vom Gesetz nicht gewollte und zur Erreichung der gesetzlich festgelegten Ziele nicht notwendige Nebenfolge bei der Ausübung einer an sich rechtmässigen Tätigkeit, so ist sie nicht gerechtfertigt (FAJNOR, a.a.O., S. 49 ff.; BALZ GROSS, a.a.O., S. 140 f.; GYGI, a.a.O. [1968], S. 230; MOOR, a.a.O., S. 466 f.; OFTINGER/STARK, a.a.O., Bd. II/3, S. 518 ff.; FRANZ SCHÖN, Staatshaftung als Verwaltungsrechtsschutz, Diss. Basel 1979, S. 167 f.). Das staatliche Handeln kann sich nicht im reinen Vollzug von Vorschriften erschöpfen. Das gilt insbesondere für die Tätigkeit der Armee, welche zur Erfüllung ihrer Aufgaben einen gewissen Handlungsspielraum haben muss, der nicht abschliessend durch Vorschriften geregelt ist. Trotzdem darf der Staat auch in diesem relativ unbestimmt normierten Bereich nicht in die Rechte der Bürger eingreifen. Der blosse Umstand, dass keine spezifischen Vorschriften verletzt bzw. Ordnungswidrigkeiten begangen wurden, kann daher noch keinen Rechtfertigungsgrund darstellen.
27
k) Vorliegend war die Schädigung von S. nicht notwendig mit der Durchführung des militärischen Fluges verbunden. Der blosse Umstand, dass die beteiligten Beamten bzw. Armeeangehörigen keine Ordnungswidrigkeit begangen haben, stellt somit keinen Rechtfertigungsgrund dar. Die weitere Voraussetzung, dass der Schaden in Ausübung einer dienstlichen Tätigkeit zugefügt wurde, ist offensichtlich erfüllt. Die Schweizerische Eidgenossenschaft haftet demnach aufgrund von Art. 22 Abs. 1 MO.
28
5. Ergibt sich eine Haftung bereits aus Art. 22 MO, erübrigt sich eine Prüfung der Frage, ob auch die Haftungsvoraussetzungen nach Art. 23 MO erfüllt wären. Das rechtfertigt sich um so mehr, als das neue Militärgesetz vom 3. Februar 1995 (SR 510.10) in Art. 135 BGE 123 II, 577 (587)eine einheitliche Haftungsnorm kennt, welche die alten Art. 22 und 23 MO zusammenfasst und - jedenfalls in der Tatbestandsvariante von Abs. 1 lit. b - inhaltlich mit dem alten Art. 22 MO übereinstimmt.
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Vorliegend ergibt sich aus der Sachverhaltsdarstellung der Rekurskommission, die für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich ist (Art. 105 Abs. 2 OG), dass der Fluglehrer C. sich vor dem Flug vorschriftsgemäss beim Flugverkehrsleiter des Flugplatzes Alpnach gemeldet hatte, dass der im Zivilflugzeug sitzende Pilot das durch den Flügel verdeckte Militärflugzeug nicht sehen konnte, dass C. mit dem Flugverkehrsleiter von Alpnach in ständigem Funkkontakt stand, diesem auch seine Position mitteilte, von ihm aber nicht über das Herannahen des Militärflugzeuges unterrichtet wurde. Zudem fehlte in der von C. verwendeten Flugkarte jeglicher Hinweis auf die Kreuzung der zivilen mit der militärischen Flugvolte. Unter diesen Umständen kann von einem die Haftung ausschliessenden überwiegenden Verschulden der Insassen des Zivilflugzeuges nicht die Rede sein.
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