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Informationen zum Dokument  BGE 120 II 237  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
4. a) Die Vorinstanz qualifiziert die zwischen den Parteien gesch ...
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44. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Juli 1994 i.S. Jost R. gegen X. Hotel AG (Berufung)
 
 
Regeste
 
Gastaufnahmevertrag; Auslegung (Art. 18 OR).  
 
Sachverhalt
 
BGE 120 II, 237 (237)Jost R., der über Weihnachten/Neujahr 1989/90 eine Suite der X. Hotel AG bewohnt hatte, bestellte im September 1990 für den Jahreswechsel 1990/91 wiederum eine Suite. Mit der Reservationsbestätigung für die Zeit vom 27. Dezember 1990 bis zum 10. Januar 1991 wurde der Preis der Suite mit Fr. 3'000.-- pro Tag angegeben und eine Anzahlung von Fr. 9'000.-- verlangt, welche Jost R. leistete.
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BGE 120 II, 237 (238)Bei seiner Ankunft am 27. Dezember 1990 wurde ihm nicht eine Suite im Hauptgebäude, sondern eine Apartwohnung im Nebentrakt zugewiesen. Diese lehnte er wegen des Standortes sowie wegen Art und Beschaffenheit der Einrichtung ab. Noch gleichentags reiste er ab.
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In der Folge klagte Jost R. gegen die X. Hotel AG auf Rückzahlung der Anzahlung. Die X. Hotel AG verlangte widerklageweise die Zusprechung des Entgelts für die vereinbarte Aufenthaltsdauer, nämlich Fr. 42'000.--, abzüglich der Anzahlung von Fr. 9'000.--. Das Bezirksgericht wies die Klage vollumfänglich ab und sprach die Widerklage im Betrage von Fr. 33'000.-- gut. Auf Berufung des Klägers hin änderte das Kantonsgericht das bezirksgerichtliche Urteil dahingehend, dass unter Berücksichtigung einer zugestandenen Reduktion der Kläger zur Zahlung von Fr. 32'000.-- verpflichtet wurde.
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In der eidgenössischen Berufung verlangt der Kläger die Aufhebung des Urteils des Kantonsgerichts, die Gutheissung der Klage und die Abweisung der Widerklage.
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Aus den Erwägungen:
 
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b) Es ist dem Kantonsgericht darin beizupflichten, dass für die Auslegung der Vereinbarung darauf abzustellen ist, wie die Beklagte die Reservation des Klägers verstehen durfte und musste. Richtigerweise hat es für die Beurteilung der Frage, ob die bestellte Suite gleichwertig oder schöner sein sollte, als Vergleichsobjekt jene betrachtet, die dem Kläger im Vorjahr zur Verfügung gestanden hatte. Zuzustimmen ist der Vorinstanz auch darin, dass der Begriff der Schönheit ein subjektiver ist, der für die allein massgebliche qualitative Bewertung kaum Hilfe bietet und folglich hinter den "objektiven Kriterien wie Komfort, Luxus, Platzangebot, Lage, BGE 120 II, 237 (239)Aussicht und Ähnlichem" zurückzustehen hat. Aus diesem Grund hätte es das Kantonsgericht nicht mit einem Verweis auf das Urteil des Bezirksgerichts Maloja bewenden lassen dürfen, welches die Suite einzig an ihrer begrifflichen Definition und ihrer Gebrauchstauglichkeit als Mietobjekt gemessen hatte. Nicht zu beanstanden ist hingegen, dass von einem konkreten Vergleich der Räume und ihrer Einrichtung abgesehen wurde, da nicht Gleichheit, sondern Gleichwertigkeit und Preiskonformität gefordert sind. Beide Kriterien sind gegeben, wenn die zugewiesenen Räume nach Massgabe der Erwartungen, die der Kläger in guten Treuen hegen durfte, der im Vorjahr bewohnten Suite insgesamt nicht nachstanden; von dieser Suite genügt zu wissen, dass sie unbestrittenermassen einen hohen Standard aufweist.
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c) Bietet ein Hotel ausser im Hotelgebäude auch Räume in anderen Bauten an, so darf der Gast entsprechende Offertstellung und einvernehmliche Zuteilung erwarten. Der Beherberger hat dem Umstand Rechnung zu tragen, dass bei Fehlen einer anderweitigen Abmachung auf seiten des Gastes häufig, wenn nicht mehrheitlich, die Vorstellung wie auch der objektiv oder subjektiv begründete Wunsch besteht, im Hauptgebäude, wo sich der Empfang und die Gemeinschaftsräume befinden, untergebracht zu sein. Hingegen werden gewisse Entfernungen zu Schwimmbad oder Fitnessräumen und auch umständliche Zugänge zu diesen Anlagen eher in Kauf genommen, wenn nicht gar bevorzugt.
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Vorliegend war der Kläger im Winter 1989/90 in einer Suite im Hauptgebäude untergebracht. Seiner Reservation für den kommenden Jahreswechsel lag als Vergleichsobjekt eben diese Suite zugrunde. Nach dem Vertrauensgrundsatz ergibt sich aus seiner telefonischen Bestellung und deren Bestätigung durch die Beklagte, dass der Kläger eine gleichwertige oder eine schönere Suite im ursprünglichen Hoteltrakt wünschte. Die Unterbringung in einem anderen Gebäudeteil als dem Hauptgebäude hätte die Beklagte zu einer entsprechenden Offenbarung verpflichtet. Des weiteren durfte der Kläger aufgrund des verlangten Preises an die ihm zustehende Suite allerhöchste Ansprüche stellen. Mit der Gebrauchstauglichkeit allein musste er sich entgegen der Auffassung der kantonalen Instanzen nicht zufrieden geben. Entstand die Suite durch Abtrennung der ihr zugeordneten Wohnräume von den für die hotelmässige Nutzung nicht benötigten Teilen einer Apart- oder Mietwohnung, so war die Abgrenzung derart vorzunehmen und die dadurch entstandene Suite so einzurichten, dass sie anderen Suiten der gehobenen Klasse in BGE 120 II, 237 (240)nichts nachstand. Das traf hier offensichtlich nicht zu. Die unverkleideten Bohrlöcher für Schlüssel und Türfallen, die teilweise verschlossenen Schränke und der von acht Stühlen umgebene Esstisch in einer für zwei Personen bestimmten Suite vermitteln allzu sehr den Eindruck einer mit mässiger Sorgfalt kaschierten Notlösung, als dass Gäste mit berechtigten hohen Ansprüchen sich darin in gleichem Masse hätten wohlfühlen können wie in der gemäss Reservation zum Vergleichsobjekt erhobenen Suite im Hauptgebäude.
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Da die angebotenen Räume nicht vertragskonform waren und ein akzeptabler Ersatz nicht angeboten werden konnte, war der Kläger zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt. Daraus folgt, dass die von ihm entrichtete Anzahlung zurückzuerstatten ist und die Widerklage auf Bezahlung des Pensionspreises abgewiesen wird.
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