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Informationen zum Dokument  BGE 118 II 172  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Gegen Kaufverträge über landwirtschaftliche Liegensc ...
2. Daraus erhellt, dass mit BGE 115 II 378 f. keine "Wende" in de ...
3. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hat, zumal die Beschwe ...
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35. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Februar 1992 i.S. G. & Cie. AG und 1 Mitbeteiligter gegen Landwirtschaftsdirektion des Kantons Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Einspruch gegen den Kaufvertrag über landwirtschaftliche Liegenschaften (Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG).  
Güteraufkauf liegt im vorliegenden Fall vor, wo ein Grundeigentümer, der bereits über 3 ha in der Landwirtschaftszone gelegenes Land verfügt, für verlorengehende Bewirtschaftungsfläche weitere 2 ha landwirtschaftliches Land zugekauft hat (E. 3).  
 
Sachverhalt
 
BGE 118 II, 172 (173)Die G. & Cie. AG hatte durch Kaufvertrag vom 27. Oktober 1989 von Sch. vier landwirtschaftliche Liegenschaften im Halte von 225,5 a zum Preis von Fr. 600'000.-- erworben. Hiegegen erhob das Kantonale Bodenamt Einspruch, der vom Direktor der Landwirtschaft des Kantons Bern bestätigt wurde.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die von der Käuferin und vom Verkäufer erhobene Beschwerde ab; und auch das Bundesgericht wies die in der Folge bei ihm eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
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Aus den Erwägungen:
 
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Der Bedarf ist nicht erst in diesem jüngsten veröffentlichten Entscheid des Bundesgerichts, sondern in der Rechtsprechung seit jeher als ein bestimmendes Merkmal dafür betrachtet worden, ob Güteraufkauf (accaparement, accaparramento) vorliege oder nicht; und er ist denn auch in der Begriffsumschreibung des Güteraufkaufs stets besonders erwähnt worden (BGE 95 I 187 E. 3, BGE 92 I 322 E. 3, BGE 83 I 316). Selbst wenn der Hauptakzent - einleitend auch noch in BGE 115 II 378 E. 8a - auf die den romanischen Gesetzestexten entnommene Absicht des Käufers gelegt worden sein mag und daher zusätzlich gesagt worden ist, der Käufer müsse über seinen Bedarf hinaus "möglichst viele" landwirtschaftliche Güter zusammenkaufen wollen, so ist doch das Kriterium des Bedarfes auschlaggebend geblieben. Der Gedanke des Bedarfes findet seinen Ausdruck überdies in Art. 19 Abs. 1 lit. b EGG, wonach Einspruch erhoben werden kann, wenn der Käufer bereits Eigentümer so vieler landwirtschaftlicher Liegenschaften ist, dass sie ihm und seiner Familie eine auskömmliche Existenz bieten. Wenn in BGE 115 II 379 E. 8c als wesentliches Merkmal des Güteraufkaufs allein die Tatsache bezeichnet worden ist, dass über den ausgewiesenen Bedarf hinaus landwirtschaftliches Land erworben werde, so ist dadurch der Begriff des Güteraufkaufs nicht neu oder anders umschrieben worden. Vielmehr ist nur klarer als früher herausgearbeitet worden, worauf es bereits nach der bisherigen Rechtsprechung entscheidend angekommen ist: Schon wer über den ausgewiesenen Bedarf hinaus landwirtschaftliches Land erwirbt, handelt - unabhängig davon, welche Absicht (vgl. den französischen und den italienischen Gesetzestext) diesem Erwerb zugrunde liegt oder welchem Zweck (vgl. den deutschen Gesetzestext) er dient - den in Art. 1 umschriebenen Zielen des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes zuwider, das den bäuerlichen Grundbesitz als Träger eines gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes schützen will.
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2. Daraus erhellt, dass mit BGE 115 II 378 f. keine "Wende" in der Rechtsprechung des Bundesgerichts eingetreten ist, wie dies die Beschwerdeführer darzustellen versuchen, die den Entscheid zudem als nicht verständlich bezeichnen und sagen, er sei mit dem Gesetz nicht mehr in Einklang zu bringen. Die Rechtsprechung braucht deshalb nicht überdacht zu werden, und es muss auch nicht auf die Vorbringen der Beschwerdeführer weiter eingegangen werden, die auf der Prämisse fussen, dass an dem erwähnten Bundesgerichtsentscheid BGE 118 II, 172 (175)nicht festgehalten werden könne. Davon, dass der Güteraufkauf - wie es das Gesetz verlangt - offensichtlich sein müsse, ist das Bundesgericht nie abgegangen. Indessen ist die Offensichtlichkeit regelmässig gegeben, wenn in einem Umfang landwirtschaftliches Land erworben wird, der deutlich über den Richtschnur bildenden Bedarf des Käufers hinausgeht.
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Der Auffassung des Bundesamtes für Justiz, es müsse bei der Gesetzesauslegung dem enormen Wandel in den landwirtschaftlichen Strukturen seit Erlass des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes im Jahr 1952 wie auch der hängigen Revision des bäuerlichen Bodenrechts Rechnung getragen werden, wonach für den Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke das Arrondierungsprinzip gelte, kann nicht gefolgt werden. Neues Recht wird erst mit seinem Inkrafttreten wirksam, so dass es grundsätzlich ausgeschlossen ist, schon vorher direkt oder indirekt darauf abzustellen. Zwischen dem geltenden Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes und dem Entwurf eines Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht (BBl 1988 III, S. 1108 ff.) bestehen in der Umschreibung der Gründe und der Voraussetzungen des Einspruchs ausserdem grundlegende Unterschiede, die auch materiell das vom Bundesamt für Justiz angeregte Vorgehen als unzulässig erscheinen lassen. So ist im Entwurf namentlich der Einsprachegrund des Güteraufkaufs fallengelassen worden; und für die Zulässigkeit der Aufstockung landwirtschaftlichen Grundeigentums wird nicht mehr, wie in Art. 19 Abs. 1 lit. b EGG, die "auskömmliche Existenz" einer bäuerlichen Familie massgeblich sein, sondern - wesentlich weiter gehend - deren "überdurchschnittlich gute Existenz".
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Daraus ergibt sich, dass der Zukauf von landwirtschaftlichem Land durch den Kaufvertrag, gegen welchen vom Kantonalen Bodenamt Einspruch erhoben worden ist, den ausgewiesenen Bedarf der G. & BGE 118 II, 172 (176)Cie. AG eindeutig übersteigt. Nach der von der Rechtsprechung gegebenen Begriffsumschreibung (oben E. 1) liegt daher ein offensichtlicher Fall von Güteraufkauf vor. Da es - wie dargelegt - auf die Motive des Grundstückerwerbs nicht ankommt, ist das, was die Beschwerdeführer diesbezüglich vorbringen, unbehelflich; und es erübrigt sich deshalb auch, entsprechend dem Antrag der Beschwerdeführer die Sachverhaltsfeststellungen zu ergänzen. Wie das Verwaltungsgericht in seiner Vernehmlassung zutreffend bemerkt, wäre es unverständlich, wenn sich ein Landwirt bei Arrondierung seines Heimwesens nach Massgabe von Art. 19 Abs. 1 lit. b EGG die an Dritte verpachteten landwirtschaftlichen Grundstücke anrechnen lassen müsste, ein Nichtlandwirt aber keiner derartigen Einschränkung unterläge.
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