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Informationen zum Dokument  BGE 114 II 418  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Seinen Entscheid stützt der Regierungsrat auf Art. 86 des ...
2. a) Das Zivilgesetzbuch wird vom Grundsatz der freien vertragli ...
3. a) Die allgemeine Genehmigungspflicht, wie sie das Einfüh ...
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80. Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. Dezember 1988 i.S. X. (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Teilung der Erbschaft; Mitwirkung der Behörde (Art. 609 Abs. 2 ZGB).  
 
Sachverhalt
 
BGE 114 II, 418 (418)Der am 14. Juni 1986 verstorbene A. hatte Rechtsanwalt X. zu seinem Willensvollstrecker eingesetzt. Dieser hat den Auftrag angenommen. Mit Schreiben vom 17. Juli 1986 forderte die Gemeindekanzlei Z. Rechtsanwalt X. unter anderem auf, nach erfolgter Erbteilung zwei Exemplare des Teilungsvertrages "zur Genehmigung und Berechnung der Erbschaftssteuern" einzureichen. Rechtsanwalt X. stellte sich auf den Standpunkt, die Einsetzung eines Willensvollstreckers schliesse die Mitwirkung der Teilungsbehörde aus. In einer formellen Verfügung vom 6. November 1987 bestätigte hierauf die Erbteilungskommission Z. die Aufforderung BGE 114 II, 418 (419)vom 17. Juli 1986. Den von Rechtsanwalt X. hiergegen erhobenen Rekurs wies der Regierungsrat von Appenzell A.Rh. durch Beschluss vom 9. August 1988 ab.
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Mit Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht stellt Rechtsanwalt X. das Begehren, er sei in Aufhebung des regierungsrätlichen Entscheids von der Verpflichtung zur Einreichung des Teilungsvertrages zu befreien.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1. Seinen Entscheid stützt der Regierungsrat auf Art. 86 des appenzell-ausserrhodischen Gesetzes vom 27. April 1969 über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, wonach jede Erbteilung unter der Aufsicht und Mitwirkung der Erbteilungskommission stattfindet. Er ist der Ansicht, dass der Erbteilungsvertrag auch bei Einsetzung eines Willensvollstreckers zur Genehmigung einzureichen sei. Bei Erlass des Einführungsgesetzes sei der mögliche Konflikt mit dem im Schweizerischen Zivilgesetzbuch niedergelegten Grundsatz der freien vertraglichen Erbteilung erkannt worden; dennoch habe man aber am Obligatorium der amtlichen Teilung festgehalten. Der Regierungsrat weist auf die guten Erfahrungen hin, die mit dem alten Recht, das Erbschaftsprozesse zur Seltenheit habe werden lassen, gemacht worden seien. Im übrigen ist die kantonale Instanz der Auffassung, aus Lehre und Rechtsprechung ergebe sich nicht eindeutig, dass Art. 86 EGzZGB bundesrechtswidrig sei. Der Umstand, dass das Einführungsgesetz von 1969 vom Bundesrat genehmigt worden sei, spreche gegen eine Bundesrechtswidrigkeit. Unter den gegebenen Umständen sei der klare Wortlaut des kantonalen Rechts vorzuziehen und die klare, seit Jahrzehnten unangefochtene Praxis der ausserrhodischen Erbteilungskommissionen zu schützen.
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BGE 114 II, 418 (420)b) Die amtliche Mitwirkung nach kantonalem Recht besteht im wesentlichen darin, das Teilungsverfahren zu leiten und den Entwurf eines Teilungsvertrages vorzulegen. Anlass für das behördliche Eingreifen kann etwa sein, dass ein Erbe einen entsprechenden Antrag stellt oder handlungsunfähig oder unbekannten Aufenthalts ist (wobei in den beiden letzten Fällen vormundschaftliche Massnahmen zu treffen sind).
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Die kantonalen Vorschriften betreffend die amtliche Mitwirkung bei der Erbteilung dürfen das das Zivilgesetzbuch beherrschende Prinzip der freien privaten Teilung nicht beeinträchtigen. Namentlich ist es unzulässig, die Verbindlichkeit eines von allen Erben angenommenen und unterzeichneten Teilungsvertrages von der Genehmigung durch die Teilungsbehörde abhängig zu machen (vgl. BGE 62 II 130 E. 1; BGE 60 II 22; BGE 51 II 488 ff., insbesondere 492; ESCHER, N. 1 ff. und 22 f. zu Art. 609 ZGB; TUOR/PICENONI, N. 21 f. zu Art. 609 ZGB; PIOTET, Erbrecht, in: Schweizerisches Privatrecht, Band IV/2, S. 852).
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3. a) Die allgemeine Genehmigungspflicht, wie sie das Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch von Appenzell A.Rh. vorsieht, ist mit Art. 634 Abs. 1 ZGB, wonach die Teilung mit dem Abschluss des Teilungsvertrages für die Erben verbindlich wird, nicht vereinbar. Dass der Bundesrat das kantonale Gesetz genehmigt hat, vermag daran nichts zu ändern. Ob die erwähnte Unvereinbarkeit dort erst recht gegeben ist, wo der Erblasser einen Willensvollstrecker eingesetzt hat, dem nach Gesetz (Art. 518 Abs. 2 ZGB) unter anderem die Durchführung der Teilung "nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes" übertragen ist, mag dahingestellt bleiben (zu dieser Frage vgl. ESCHER, N. 23 zu Art. 609 ZGB; TUOR/PICENONI, N. 23 zu Art. 609 ZGB; PIOTET, a.a.O., S. 852).
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b) Umstände, die im Interesse eines oder mehrerer Erben die Mitwirkung der Behörde nötig gemacht hätten, sind im vorliegenden Fall nicht dargetan. Insbesondere wurden keine Zweifel an einer ordnungsgemässen Durchführung der Teilung geäussert. Nach dem Gesagten sind deshalb in Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde der regierungsrätliche Beschluss vom 9. August 1988 und die durch diesen bestätigte Verpflichtung des Beschwerdeführers, der Erbteilungskommission den Teilungsakt zur Genehmigung einzureichen, aufzuheben.
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