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Informationen zum Dokument  BGE 111 II 195  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. Der Verknüpfung und Abhängigkeit der gegenseitigen L ...
4. a) Das Obergericht gelangte zur Ansicht, dass es auf jeden Fal ...
6. Auf die Widerklage, mit welcher der Beklagte von der Kläg ...
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41. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Mai 1985 i.S. X. AG gegen Y. (Berufung)
 
 
Regeste
 
Rückabwicklung eines zweiseitigen Vertrages bei Unverbindlichkeit; Konsequenzen einer nach den Bestimmungen betreffend den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland nichtigen Übertragung von Inhaberschuldbriefen.  
2. Wurde die Übertragung von Inhaberschuldbriefen zur Sicherung eines Darlehens nach Massgabe der Bestimmungen betreffend den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland für nichtig erklärt, darf der angerufene Richter die für die Rückabwicklung erforderlichen Entscheide nicht aussetzen mit der Begründung, es sei das Ergebnis eines Wiederherstellungsverfahrens gemäss Art. 22 BewB abzuwarten (Erw. 4 und 6).  
 
Sachverhalt
 
BGE 111 II, 195 (197)Die X. AG hat gegen Y. einen Prozess auf Anerkennung der von ihr in Betreibung gesetzten Forderung eingeleitet. Gleichzeitig verlangte sie, es sei festzustellen, dass ihr ein Pfandrecht an drei auf einem Grundstück des Beklagten errichteten Inhaberschuldbriefen zustehe. Der Beklagte widersetzte sich der Klage und beantragte widerklageweise, die Klägerin sei zur Herausgabe der erwähnten Pfandtitel zu verpflichten.
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Während der Rechtshängigkeit des Verfahrens vor Bezirksgericht wurde gerichtlich festgestellt, dass die Übertragung der Inhaberschuldbriefe vom Beklagten auf die Klägerin nach Massgabe der Bestimmungen betreffend den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland nichtig sei. Bereits vor Einleitung der Klage waren die Grundpfandtitel durch Verfügung der kantonalen Volkswirtschaftsdirektion gestützt auf den Bundesbeschluss über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewB) mit einer Sperre belegt worden.
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Das Bezirksgericht wies sowohl die Haupt- als auch die Widerklage ab.
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In teilweiser Gutheissung der Berufungen der beiden Parteien entschied das kantonale Obergericht im wesentlichen, dass die Hauptklage mit Bezug auf das Forderungsbegehren zur Zeit und hinsichtlich der übrigen Anträge endgültig abgewiesen werde und dass auf die Widerklage nicht eingetreten werde.
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Die von beiden Parteien erhobenen Berufungen heisst das Bundesgericht teilweise gut; es weist die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurück.
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Aus den Erwägungen:
 
3. Der Verknüpfung und Abhängigkeit der gegenseitigen Leistungen beim zweiseitigen Rechtsgeschäft ist auch im Falle der Rückabwicklung zufolge Unverbindlichkeit Rechnung zu tragen; es gilt mit anderen Worten die Verpflichtung der Parteien zur Rückerstattung der empfangenen Leistungen "Zug um Zug" im Sinne von Art. 82 OR (vgl. BGE 83 II 25 mit Hinweis; WEBER, N. 15 zu Art. 82 OR mit weiteren Hinweisen). Dies führt dazu, dass zur Durchsetzung eines Klageanspruchs zwei richterliche Urteile erforderlich sind. Zwar ist schon im ersten Urteil sowohl über Bestand und Inhalt des klägerischen Rechtsanspruchs wie auch über die vom Kläger dem Beklagten zu erbringende Gegenleistung endgültig zu entscheiden (bedingtes Leistungsurteil). In BGE 111 II, 195 (198)einem zweiten Entscheid bleibt jedoch alsdann darüber zu befinden, ob der Kläger die ihm richterlich auferlegte Leistung schon erbracht oder aber in der Weise sichergestellt habe, dass sie dem Beklagten auf seine Leistung hin notwendigerweise zukommen muss (vgl. BGE 94 II 269 f. E. c; BGE 79 II 279). Eine andere Lösung, nämlich die "Abweisung der Klage zur Zeit", hat das Bundesgericht in BGE 94 II 269 E. b nur für den Fall zur Diskussion gestellt, dass die "Zug um Zug" zu erbringende Leistung schon im Zeitpunkt der ersten Klage vom Kläger gar nicht bestritten ist. Im vorliegenden Fall, wo die Klägerin sich der Widerklage des Beklagten auf Herausgabe der Pfandtitel widersetzt, war diese Voraussetzung indessen von vornherein nicht erfüllt.
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Nach dem Gesagten ist dem kantonalen Sachrichter von Bundesrechts wegen die Möglichkeit genommen, von einer Festlegung von Leistung und Gegenleistung abzusehen und die Klage ohne Erlass eines bedingten Leistungsurteils einfach abzuweisen bzw. zur Zeit abzuweisen. Freilich ist die erwähnte bundesgerichtliche Rechtsprechung in der Lehre nicht unangefochten geblieben (vgl. KUMMER, in: ZBJV 106/1970, S. 125 ff., und ZBJV 115/1979, S. 314 f.; VON TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, 2. Bd., S. 61; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, S. 277); sie hat jedoch überwiegend Zustimmung gefunden (vgl. WEBER, N. 222 ff. zu Art. 82 OR; GULDENER, Das Schweizerische Zivilprozessrecht, 3. Aufl., S. 206; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., N. 11 ff. zu § 304; SCHMIDT, Die Verurteilung zur Leistung Zug um Zug und deren Vollstreckung, Diss. Zürich 1963, S. 22 ff.; SIMMEN, Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages, Diss. Zürich 1981, S. 103 f.; WIGET, Die Durchsetzung von Ansprüchen aus synallagmatischen Verträgen nach zürcherischer Zivilprozessordnung, Diss. Zürich 1980, S. 51 ff.), und es besteht kein Anlass, von ihr abzuweichen.
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4. a) Das Obergericht gelangte zur Ansicht, dass es auf jeden Fall in Anbetracht der besonderen Umstände, wie sie hier vorlägen, angezeigt sei, die Klage zur Zeit abzuweisen. Die Vorinstanz weist darauf hin, dass ein suspensiv bedingtes Leistungsurteil zwar zwischen den Parteien Recht schaffen würde, dass es jedoch insoweit ins Leere ginge, als öffentliches Recht entgegenstehe. Die vom Beklagten herausverlangten (von der Klägerin inzwischen offenbar weiterbegebenen) Schuldbriefe seien von der kantonalen Volkswirtschaftsdirektion beschlagnahmt worden und es sei höchst BGE 111 II, 195 (199)ungewiss, ob die Klägerin je wieder in die Lage kommen werde, dem Beklagten deren Rückgabe anbieten zu können. Entscheidend sei aber, dass zur Zeit eine Klage auf Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtszustandes gemäss BewB und allenfalls die Versteigerung der Titel im Vordergrund stehe; ein solches Verfahren solle nicht durch ein bedingtes Leistungsurteil zwischen den Parteien präjudiziert werden. Es sei vor allem nicht Sache des Richters, im vorliegenden Prozess zu entscheiden, ob die dem Erwerber zustehenden "Gestehungskosten" gemäss Art. 22 Abs. 1bis BewB identisch seien mit den ihm gegenüber dem Veräusserer allenfalls zustehenden Bereicherungsansprüchen. Differenzen könnten auch entstehen hinsichtlich der Behandlung verjährter Forderungen.
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b) Nach Ansicht der Klägerin geht das Obergericht zu Unrecht davon aus, die kantonale Volkswirtschaftsdirektion werde gestützt auf Art. 22 BewB auf Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtszustandes klagen. Der klägerische Einwand betrifft tatsächliche Verhältnisse. Er findet im angefochtenen Urteil keine Stütze, so dass darauf nicht eingetreten werden kann (vgl. Art. 43 Abs. 3 und Art. 63 Abs. 2 OG). Dies ändert allerdings nichts daran, dass zu prüfen ist, ob die Vorinstanz dadurch gegen Bundesrecht verstossen habe, dass sie mit Rücksicht auf ein Wiederherstellungsverfahren, das die zuständige kantonale Behörde gestützt auf Art. 22 BewB einleiten könnte, annahm, die Klage sei zur Zeit abzuweisen.
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c) Aus dem Wortlaut des Art. 22 BewB lässt sich nicht schliessen, dass beim Vorliegen eines nichtigen Rechtsgeschäftes die Vertragsparteien ihre Ansprüche gemäss Art. 20 Abs. 3 BewB solange nicht klageweise geltend machen könnten, als kein Wiederherstellungsverfahren im Sinne von Art. 22 BewB durchgeführt worden sei. Der behördlichen Klage eine solche Bedeutung beizumessen, würde auch über das Ziel des BewB hinausschiessen. Für den Fall der Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit eines bewilligungspflichtigen Rechtsgeschäftes besteht Sinn und Zweck des Bundesbeschlusses darin, den Fortbestand eines Rechtsgeschäftes nur dem Scheine nach zu verhindern und die Rückabwicklung zu ordnen. Eine Priorität der behördlichen Klage ist dabei nicht vorgesehen. Mit diesem Klagerecht soll lediglich dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung der Bestimmungen des BewB auch hinsichtlich der zivilrechtlichen Folgen zum Durchbruch verholfen werden, für den Fall, dass die beteiligten Parteien untätig bleiben sollten (vgl. BGE 109 II 430 mit Hinweis). Ein anderes Interesse ist von der zuständigen Behörde mit der Klage nach Art. 22 BewB nicht BGE 111 II, 195 (200)zu wahren. Namentlich können allfällige unrechtmässige Vermögensvorteile unabhängig von einem Verfahren nach Art. 22 BewB zuhanden des Kantons eingezogen werden (vgl. Art. 28 BewB).
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Würde die Fällung eines Entscheids über den von einer Vertragspartei gegenüber der anderen Partei geltend gemachten Rückleistungsanspruch von der vorgängigen Durchführung des Wiederherstellungsverfahrens gemäss Art. 22 BewB abhängig gemacht, könnte dies zu einer durch den BewB nicht gedeckten zusätzlichen Pönalisierung der Vertragsparteien führen. Unterliesse es die legitimierte Behörde nämlich, Klage zu erheben, hätte dies zur Folge, dass die Verjährung der Ansprüche gemäss Art. 20 Abs. 3 BewB eintreten könnte, ohne dass die Parteien dagegen etwas unternehmen könnten.
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d) Die Auffassung des Obergerichts, die Klage könne zur Zeit abgewiesen werden, ohne dass über den Bestand der klägerischen Ansprüche abschliessend zu befinden wäre, verstösst nach dem Gesagten gegen Bundesrecht. In diesem Punkt ist die Sache deshalb unter entsprechender Gutheissung der klägerischen Berufung zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen, zumal sich aus den Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht etwa ergibt, dass der Gesamtheit der klägerischen Ansprüche von vornherein die Verjährung entgegenstehe. Das Obergericht hat die Frage der Verjährung letztlich vielmehr offengelassen. Für einen Teil der Zuwendungen, aus denen die Klägerin einen Anspruch gegen den Beklagten ableitet, nahm die Vorinstanz zwar an, der Eintritt der Verjährung sei wohl eher zu verneinen. Für andere wiederum hat sie die Frage allerdings bejaht. Indessen liess sie offen, ob die Klägerin gegenüber einem Herausgabebegehren des Beklagten hinsichtlich der drei Pfandtitel verjährte Bereicherungsansprüche einredeweise geltend machen oder allenfalls ein Retentionsrecht an den Titeln gemäss Art. 895 ZGB beanspruchen könnte. Unter den gegebenen Umständen wird sich das Obergericht noch in verbindlicher Weise zu den erwähnten Punkten äussern müssen. Namentlich wird es zu beurteilen haben, wann die Verjährungsfrist hinsichtlich der einzelnen Zuwendungen zu laufen begonnen habe, wie lange diese Fristen gewesen seien (dazu BGE 109 II 431 f. E. 4) und ob die Klägerin allenfalls verjährte Ansprüche einredeweise geltend machen könne.
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6. Auf die Widerklage, mit welcher der Beklagte von der Klägerin die unbeschwerte Herausgabe der drei umstrittenen Inhaberschuldbriefe BGE 111 II, 195 (201)verlangt hatte, ist das Obergericht nicht eingetreten. Zur Begründung verweist es auf die behördlich angeordnete Beschlagnahme der drei Grundpfandtitel.
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Gegenstand der Widerklage ist die von der Klägerin gestützt auf Art. 82 OR "Zug um Zug" allenfalls zu erbringende Gegenleistung. Wird aber die Vorinstanz nach dem in Erwägung 4 Angeführten in einem bedingten Leistungsurteil über die Ansprüche der Klägerin zu befinden haben, so gilt dies auch für den vom Beklagten widerklageweise geltend gemachten Herausgabeanspruch. Unter Hinweis auf das bereits Dargelegte ist die Sache mithin auch in Gutheissung der Berufung des Beklagten zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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