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Informationen zum Dokument  BGE 107 II 13  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägungen:
1. Es liegt ein Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts ü ...
2. Die Vorinstanz hat die von der Klägerin eingereichte Klag ...
3. Man kann sich fragen, ob der Ausschluss des schweizerischen Ge ...
4. Sollte die Vorinstanz ihre Zuständigkeit zur Beurteilung  ...
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3. Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. Februar 1981 i.S. P. gegen P. (Berufung)
 
 
Regeste
 
Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils, das sich über die Nebenfolgen der Scheidung nicht ausspricht; internationale Zuständigkeit.  
 
Sachverhalt
 
BGE 107 II, 13 (14)A.- Mit Urteil vom 27. November 1970 schied das Landesgericht Innsbruck aus Verschulden des Ehemannes und in dessen Abwesenheit die im Jahre 1959 von den österreichischen Staatsangehörigen Gottfried P. und Gerda B. eingegangene Ehe. Das Oberlandesgericht Innsbruck wies am 24. Juni 1971 eine Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil ab. Aus der Ehe waren die Kinder Christian, geboren 1959, Lydia geboren 1962, und Monika, geboren 1964, hervorgegangen. Im Scheidungsurteil wurde jedoch eine Regelung der Nebenfolgen der Scheidung nicht vorgenommen, und zwar weder mit Bezug auf die Kinderzuteilung und die Kinderalimente noch hinsichtlich allfälliger Unterhaltsansprüche der Ehefrau oder der güterrechtlichen Auseinandersetzung.
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B.- Am 25 Juni 1979 reichte die in Innsbruck wohnhafte Gerda P. beim Bezirksgericht Meilen gegen ihren in Stäfa wohnhaften geschiedenen Mann eine Klage auf Ergänzung bzw. Abänderung des Scheidungsurteils des Landesgerichts Innsbruck vom 27. November 1970 ein, mit welcher sie für sich selber und für die Tochter Monika eine angemessene monatliche Unterhaltsrente beanspruchte. Anlässlich der Hauptverhandlung vom 6. September 1979 zog sie das Begehren betreffend den Unterhaltsbeitrag zugunsten der Tochter Monika zurück, weil das Bezirksgericht Innsbruck mit Urteil vom 12. August 1976 bereits einen solchen Beitrag in der Höhe von 1'200 Schilling zugesprochen habe.
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Mit Beschluss vom 1. November 1979 nahm das Bezirksgericht vom teilweisen Rückzug der Klage Vormerk und trat im übrigen auf die Klage nicht ein.
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BGE 107 II, 13 (15)Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 25. April 1980 einen Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes ab.
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Hierauf gelangte die Klägerin mit zwei Nichtigkeitsbeschwerden an das Kassationsgericht des Kantons Zürich. Dieses hiess am 14. August 1980 die eine der beiden Nichtigkeitsbeschwerden gut, soweit sie die unentgeltliche Prozessführung im Rekursverfahren vor Obergericht betraf; im übrigen wies es beide Nichtigkeitsbeschwerden ab, soweit es darauf eintrat.
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C.- Die Klägerin führt Berufung, eventuell Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragt, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur materiellen Behandlung an die kantonalen Instanzen zurückzuweisen.
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Der Beklagte hat keine Berufungsantwort eingereicht.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägungen:
 
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Nach schweizerischer Rechtsauffassung ist zur Regelung der Nebenfolgen einer Ehescheidung der mit der Scheidungsklage befasste Richter ausschliesslich zuständig (BGE 102 II 153, BGE 95 II 67 und 73, BGE 84 II 145, BGE 81 II 399, BGE 80 II 8, BGE 77 II 18 ff.; BÜHLER, N. 58 der Vorbem. zu Art. 149-157 ZGB). Weist ein Scheidungsurteil eine Lücke auf, so ist es dementsprechend von jenem Richter zu ergänzen, der die Scheidung ausgesprochen hat (BGE 104 II 291, BGE 81 II 315). Daraus folgt, dass eine die Nebenfolgen betreffende Ergänzungsklage in der Schweiz grundsätzlich nicht angebracht werden kann, wenn die Scheidung im Ausland ausgesprochen worden ist, und zwar auch dann nicht, wenn die in Frage stehenden Nebenfolgen nach dem Recht des Scheidungsstaates im Scheidungsprozess selbst gar nicht geltend gemacht werden konnten, sondern in ein besonderes Nachverfahren verwiesen waren. Eine Ausnahme ist jedoch dann gegeben, wenn der Scheidungsstaat für die BGE 107 II, 13 (16)Regelung der Nebenfolgen überhaupt keinen Gerichtsstand gewährt. In diesem Fall ist bei Ausländern die Ergänzungsklage beim Richter des gemeinsamen schweizerischen Wohnsitzes der Parteien zulässig (BGE 90 II 353 /354 E. 2b, 85 II 164/165, BGE 62 II 265 ff.; STAUFFER, Praxis zum NAG, N. 24 zu Art. 7h; BECK, N. 38/39 zu Art. 7g und N. 89 ff., 94 zu Art. 7h NAG; BÜHLER, Einl. N. 187, N. 99 der Vorbem. zu Art. 149-157 ZGB; SCHNITZER, Internationales Privatrecht, 4. Aufl., Bd. I, S. 419); wohnt nur der Beklagte in der Schweiz, so kann die Klage an dessen Wohnsitz angebracht werden (BGE 90 II 354; zum Gerichtsstand am Wohnsitz des Beklagten, vgl. BÜHLER, Einl. N. 190).
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3. Man kann sich fragen, ob der Ausschluss des schweizerischen Gerichtsstands für die Ergänzungsklage auch dann gerechtfertigt ist, wenn die Regelung der Nebenfolgen nach der ausländischen Rechtsordnung nicht wie in der Schweiz dem Scheidungsrichter vorbehalten ist, sondern in einem selbständigen Nachverfahren zu erfolgen hat. Im vorliegenden Fall braucht diese Frage indessen nicht näher geprüft zu werden. Wie die Vorinstanz in Anwendung ausländischen Rechts und somit für das Bundesgericht im Berufungsverfahren verbindlich feststellt, wäre das österreichische Scheidungsgericht für die mit der Scheidungsklage verbundene Unterhaltsklage zuständig gewesen. Entgegen den Ausführungen in der Berufungsschrift wäre es der Klägerin seinerzeit auch möglich gewesen, die Voraussetzungen ihres Unterhaltsanspruchs nachzuweisen und insbesondere die Höhe ihrer Forderung zu beziffern, hatte sie doch im Scheidungsverfahren selbst erklärt, der Beklagte arbeite seit 10 Jahren als Heizungsmonteur in der Schweiz und habe im Jahre 1969 monatlich netto Fr. 2'000.- verdient.
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Der blosse Umstand, dass die Klägerin ihre Unterhaltsansprüche im Scheidungsprozess hätte geltend machen können, kann jedoch entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht dazu führen, ihr im gegenwärtigen Zeitpunkt jede Klagemöglichkeit in der Schweiz zu versagen. Die erwähnte Rechtsprechung, die die Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils in der Schweiz ausschliesst, wenn im Scheidungsstaat ein Gerichtsstand zur Verfügung steht, bezweckt die Wahrung der Einheit des Scheidungsurteils, nicht die Pönalisierung des Ehegatten, der die Geltendmachung der Unterhaltsansprüche oder anderer BGE 107 II, 13 (17)vermögensrechtlicher Ansprüche im Scheidungsprozess aus eigener Untätigkeit versäumt hat. Die Ergänzungsklage ist eine neue, selbständige Klage, und es ist deshalb nach Massgabe der zur Zeit der Klageerhebung bestehenden Verhältnisse zu prüfen, welcher Richter zu ihrer Beurteilung zuständig ist (GULDENER, Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 67). Entscheidend ist somit nicht die Unterlassung der Klägerin, sondern das Bestehen eines Gerichtsstandes für die Ergänzungsklage im Heimat- und Scheidungsstaat, wenn der Beklagte in einem andern Staat Wohnsitz hat. Darüber haben die kantonalen Instanzen keine Feststellungen getroffen (vgl. ZR 67/1968 Nr. 11, wo die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte bejaht wird, wenn beide österreichischen Staatsangehörigen im Ausland wohnen). Die Sache ist daher zur Abklärung dieser Frage an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sollte es sich herausstellen, dass das österreichische Recht, wie die Klägerin behauptet, auch für eigene Staatsangehörige vom Wohnsitzprinzip beherrscht wird und infolgedessen, weil der Beklagte in der Schweiz Domizil hat, der Klägerin keinen Gerichtsstand zur Verfügung stellt, wäre die Klage von den Zürcher Instanzen an die Hand zu nehmen. Im andern Fall wäre auf die Klage nicht einzutreten. Dass der Beklagte vor erster Instanz die Unzuständigkeitseinrede nicht erhoben hat, ist dabei ohne Belang, da der schweizerische Richter den Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils von Amtes wegen zu beachten (BGE 77 II 22; BÜHLER, N. 62 der Vorbem. zu Art. 149-157 ZGB) und somit in diesem Rahmen auch seine örtliche Zuständigkeit von Amtes wegen zu prüfen hat.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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