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Informationen zum Dokument  BGE 105 II 197  Materielle Begründung
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Regeste
Aus den Erwägungen:
3. a) Der Richter kann das Mietverhältnis für Wohnungen ...
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32. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Juli 1979 i.S. Dieterle und Konsorten gegen ABZ Allgemeine Baugenossenschaft Zürich (Berufung)
 
 
Regeste
 
Erstreckung des Mietverhältnisses  
 
BGE 105 II, 197 (197)Aus den Erwägungen:
 
3. a) Der Richter kann das Mietverhältnis für Wohnungen um höchstens ein Jahr erstrecken, wenn die Auflösung des Vertrages für den Mieter oder seine Familie auch unter Würdigung der Interessen des Vermieters eine nicht zu rechtfertigende Härte zur Folge hat (Art. 267a Abs. 1 und Art. 267b Abs. 1 OR). Zu Recht weist das Obergericht darauf hin, dass BGE 105 II, 197 (198)die Folgen des Wohnungswechsels an sich von vornherein nicht als nicht zu rechtfertigende Härte im Sinne des Gesetzes gelten können, selbst wenn sie für den Mieter unangenehm oder gar hart sind. Sie gehören zur Auflösung des Vertrages und werden durch eine Verlängerung des Mietverhältnisses nicht aufgehoben, sondern bloss aufgeschoben. Die Verlängerung kann daher erst sinnvoll sein, wenn sie mit der Verschiebung der Vertragsauflösung zugleich eine Milderung der Folgen verspricht, also erwarten lässt, dass der Umzug später für den Mieter weniger nachteilig sein werde (BGE 102 II 255). Insoweit die Berufung Folgen erwähnt, die zwangsläufig mit der Auflösung der Mietverträge verbunden sind, sind ihre Vorbringen unbehelflich. So beanstanden die Kläger vor Bundesgericht, dass das Obergericht die Auflösung der Gemeinschaft der Mieter nicht als Härtegrund werte; eine solche Härte treffe nämlich jeden einzelnen, "wenn er von einem grösseren Verbund mit gewisser Arbeitsteilung und gewissen ökonomischen Vorteilen in Einzelzimmer oder -wohnungen umziehen muss". Dies tritt aber ohnehin ein, sobald die Verträge mit der Beklagten aufgelöst werden.
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b) Im übrigen hält das Obergericht fest, dass alle Kläger ihre Mietverträge in Kenntnis der bevorstehenden Renovation und des Abbruches abgeschlossen haben. Alle Kläger hätten es bewusst in Kauf genommen, dass sie nur vorübergehend von den günstigen Wohnungen profitieren könnten. Dass die drei Wohnblöcke "eine Renovation ertragen könnten", hätten selbst die Kläger zugegeben. Diese Feststellungen sind tatsächlicher Natur und daher für das Bundesgericht bindend (Art. 63 Abs. 2 OG). Sinn und Zweck der Bestimmungen betreffend die Erstreckung von Mietverhältnissen ist, dem Mieter für die Suche neuer Räume mehr Zeit zu lassen, als ihm nach der ordentlichen Kündigungsfrist zur Verfügung stände (BGE 102 II 256), nicht ihm Gelegenheit zu geben, von preisgünstigen Wohnungen möglichst lange profitieren zu können. Aus den erwähnten obergerichtlichen Feststellungen ergibt sich jedoch klar, dass die Kläger es auf letzteres angelegt haben, was missbräuchlich ist. Jedenfalls werfen die Kläger unter diesen Umständen dem Obergericht zu Unrecht vor, es verletze Bundesrecht, wenn es ihnen zumute, teurere Wohnungen zu mieten. Unter dem Härtegesichtspunkt ist weiter zu berücksichtigen, dass alle Kläger von Anfang an wussten, dass die Beklagte BGE 105 II, 197 (199)beabsichtigt, die drei Wohnhäuser zu renovieren oder abzubrechen und deshalb auf den Auszug der Mieter drängen werde. Diejenigen Kläger, die nicht ohnehin einen auf den 30. September 1978 befristeten Mietvertrag eingegangen sind, erhielten denn auch in ihrem Vertrag Kenntnis "von der in naher Zukunft zu erfolgenden Renovation evtl. Hausabbruch". Das nahmen sie aber nach den Feststellungen der Vorinstanz bewusst in Kauf, was Anlass war, sich auf das bevorstehende Mietende einzustellen und von Anfang an, nämlich schon vor der seitens der Beklagten ausgesprochenen Kündigung, nach einer andern, für sie tragbaren Unterkunft Ausschau zu halten (vgl. BGE 102 II 256). Dass sie solches getan hätten, behaupten sie aber nicht. Auch die Kläger mit befristeten Mietverträgen haben von der Absicht der Beklagten Kenntnis gehabt und sie bei Abschluss ihrer Mietverträge - mit den übrigen Klägern - bewusst in Kauf genommen. Das alles genügt an sich schon, um eine nicht zu rechtfertigende Härte im Sinne von Art. 267a Abs. 1 OR zu verneinen.
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c) Auch was die Kläger zu ihrer besonderen Lage vortragen, genügt nicht, eine solche Härte anzunehmen. Zu den Voraussetzungen für die Erstreckung von Mietverhältnissen gehört, dass die Auflösung des Vertrages für den Mieter oder seine Familie eine nicht zu rechtfertigende Härte zur Folge hätte. Nach den von der Berufung zitierten Lehrmeinungen (JEANPRÊTRE, La prolongation des baux à loyer, in: Dixième journée juridique, Genf 1970, S. 337; MOSER, Die Erstreckung des Mietverhältnisses nach Art. 267a-267f des Obligationenrechts, Diss. Freiburg 1975, S. 72) gilt als Familie im Sinne des Gesetzes die gemäss Art. 331 ZGB unter einer Hausgewalt lebende Personengemeinschaft. Die Hausgewalt erstreckt sich indes nur auf Personen, die als Verwandte und Verschwägerte oder auf Grund eines Vertragsverhältnisses als Arbeitnehmer oder in ähnlicher Stellung im gemeinsamen Haushalt leben (Art. 331 Abs. 2 ZGB). Das trifft auf die Gemeinschaft derjenigen Kläger, die mit ihren Freundinnen in einem eheähnlichen Verhältnis leben, nicht zu, so dass dieser Umstand auch nicht als Härtegrund gewürdigt werden kann.
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d) (Das Bundesgericht nimmt zu den Vorbringen der einzelnen Kläger Stellung).
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e) Schon angesichts der Tatsache, dass die Kläger die Pläne der Beklagten kannten und trotzdem es bewusst in Kauf nahmen, BGE 105 II, 197 (200)nur vorübergehend von den günstigen Wohnungen profitieren zu können, sind Härtefälle im Sinne des Gesetzes, wie dargelegt, zu verneinen. Auf solche weisen aber auch nicht die klägerischen Vorbringen im einzelnen hin. Von einer nicht zu rechtfertigenden Härte im Sinne des Gesetzes kann keine Rede sein. Im vorliegenden, ganz eindeutigen Fall kann deshalb auf eine Abwägung der Interessen von Mietern und Vermieterin verzichtet werden. Immerhin sei festgehalten, dass auch die Stellungnahme des Obergerichts, mit der es das Interesse der Beklagten an der Auflösung der Verträge als gross bezeichnet, als richtig erscheint, und dass auch in dieser Hinsicht eine Verletzung von Bundesrecht nicht zu ersehen ist.
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