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Informationen zum Dokument  BGE 99 II 34  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 884 ZBG kann Fahrnis nur dadurch verpfändet wer ...
2. Der Beklagte übergab den Schuldbrief dem Verpfänder  ...
3. Da das am 29. Oktober 1968 errichtete Pfandrecht durch die &Uu ...
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6. Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. Februar 1973 i.S. Schweizer gegen Zuber.
 
 
Regeste
 
Untergang des Faustpfandrechtes (Art. 888 ZGB).  
 
Sachverhalt
 
BGE 99 II, 34 (35)A.-- Walter Schweizer war Eigentümer zweier Inhaberschuldbriefe à nominell je Fr. 45'000.--, die im 2. Rang auf seinem Grundstück in der Chlupfwiese, Oberweningen/ZH lasteten. Ende Oktober 1968 beauftragte er Rudolf Huber, dieses Grundstück zu veräussern und die beiden Schuldbriefe, die er ihm anvertraute, abzulösen. Huber trat jedoch die beiden Schuldbriefe "zur Belehnung" dem Rudolf Weiss ab. Rudolf Weiss seinerseits übergab die Schuldbriefe Dr. Walter Zuber zur Sicherstellung eines Darlehens in der Höhe von Fr. 44'000.--. Am 18. Dezember 1968 schlossen Rudolf Weiss und Dr. Zuber eine Vereinbarung, wonach der Faustpfandgläubiger dem Verpfänder einen der beiden Schuldbriefe "zu treuen Handen" zurückgab, damit der Verpfänder gewisse Handelsgeschäfte tätige. Weiss verpflichtete sich ausdrücklich, den übergebenen Schuldbrief unverzüglich wieder Dr. Zuber zurückzugeben, sofern sich die Geschäfte bis spätestens Mitte Januar 1969 nicht realisieren liessen. Weiss nahm überdies zur Kenntnis, dass ein Nichteinhalten der getroffenen Abmachung strafrechtliche Folgen nach sich ziehen würde. Da die Geschäfte nicht zustande kamen, forderte Dr. Zuber Mitte Januar 1969 die Rückgabe des Schuldbriefes. Nach mehreren fruchtlosen Mahnungen gab Weiss den Schuldbrief am 24. Juni 1969 zurück. Am 11. Juli 1969 wurde das Grundstück des Walter Schweizer auf dem Wege der Zwangsvollstreckung verwertet. Auf die Schuldbriefe im 2. Rang entfielen Fr. 60'276.30, die Dr. Zuber am 29. Januar 1970 ausbezahlt wurden.
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B.- Klageweise verlangte Walter Schweizer in der Folge von Dr. Zuber die Hälfte des diesem ausbezahlten Verwertungserlöses. Er machte geltend, mit der Übergabe des Schuldbriefes am 18. Dezember 1968 sei das Pfandrecht Dr. Zubers an diesem Schuldbrief untergegangen. Da er Mitte Juni 1969 Dr. Zuber darauf aufmerksam gemacht habe, dass Rudolf Huber unberechtigterweise über die Schuldbriefe verfügt habe, habe Dr. Zuber mangels guten Glaubens am 24. Juni 1969 kein gültiges Pfandrecht mehr begründen können. Der Verwertungserlös aus diesem Schuldbrief stehe daher nicht Dr. Zuber, sondern ihm zu.
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C.- Sowohl das Kantonsgericht als auch das Obergericht des Kantons Nidwalden wiesen das Begehren des Klägers ab.
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BGE 99 II, 34 (36)Beide Instanzen nahmen an, da der Beklagte den Schuldbrief dem Rudolf Weiss nur vorübergehend habe überlassen wollen, sei das Pfandrecht mit der Übergabe des Schuldbriefes nicht untergegangen, sondern habe während der Zeit, in der Weiss über den Schuldbrief habe verfügen können, lediglich keine Wirkungen entfaltet. Sobald der Beklagte den Schuldbrief jedoch wieder zurückerhalten habe, sei das Pfandrecht wieder in Kraft getreten.
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D.- Gegen das Urteil des Obergerichtes des Kantons Nidwalden hat der Kläger Berufung an das Bundesgericht erklärt. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen. In seiner Berufungsantwort stellt der Beklagte den Antrag, die Berufung sei abzuweisen und das obergerichtliche Urteil zu bestätigen.
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E.- Die II. Zivilabteilung bewilligte dem Kläger am 13. November 1972 die unentgeltliche Prozessführung und bestellte dessen Vertreter als Armenanwalt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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Über die rechtliche Bedeutung des Art. 888 Abs. 2 ZGB bestehen verschiedene Auffassungen. Nach LEEMANN (N. 12 zu Art. 888 ZGB) bestimmt sich das Schicksal des Pfandrechtes allein nach dem Zweck der Rückgabe. Ist darin ein Verzicht auf das Pfandrecht zu erblicken, so geht es unter. Selbst eine Abmachung unter den Parteien, wonach das Pfandrecht weiterbestehen soll, vermag daran nichts zu ändern (N. 14 zu Art. 888 ZGB). HAFFTER (Das Fahrnispfandrecht und andere sachenrechtliche Sicherungsgeschäfte, Diss. Bern, 1928, insbes. S. 42) BGE 99 II, 34 (37)scheint immer Unwirksamkeit des Pfandrechtes anzunehmen, wenn sich die Pfandsache mit dem Willen des Pfandgläubigers beim Verpfänder befindet; einen Untergangsgrund sieht er darin nicht. OFTINGER hingegen (N. 207-209 zu Art. 884 und N. 22 und 23 zu Art. 888 ZGB) vertritt die Ansicht, nur eine vorübergehende Überlassung des Pfandes an den Verpfänder falle unter Art. 888 Abs. 2 ZGB; normalerweise führe die Rückgabe der Pfandsache an den Verpfänder zum Untergang des Pfandrechtes. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung scheint seit langem von dieser Auffassung geprägt zu sein (vgl.BGE 72 II 354/355, BGE 80 II 238, BGE 89 II 319).
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Die gesetzliche Regelung des Faustpfandrechtes will einerseits verhindern, dass der Schuldner sich mit Sachen umgibt, die ihm wirtschaftlich nicht mehr gehören, und so den Anschein einer kreditwürdigen Person erweckt (vgl.BGE 43 II 22); andererseits will sie verunmöglichen, dass der Schuldner weiterhin über das Pfand verfügen und das Pfandrecht des Gläubigers illusorisch machen kann (vgl. OFTINGER, N. 197-199 zu Art. 884 ZGB und HAFFTER, a.a.O., S. 37). Deshalb bildet der Besitz an der Pfandsache Bedingung für die Begründung und die Aufrechterhaltung des Pfandrechtes (vgl. Art. 888 Abs. 1 ZGB, OFTINGER, N. 21 und 22 zu Art. 888 ZGB und TUOR/JÄGGI/SCHNYDER, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 8. Aufl. Zürich 1968, S. 646). Die Rückgabe der Sache an den Verpfänder muss daher in der Regel zum Untergang des Pfandrechtes führen. Nur eine Übergabe mit der bedingungslosen Verpflichtung, die Sache innert kurzer Frist wieder zurückzugeben, kann die in Art. 888 Abs. 2 ZGB vorgesehene Wirkungslosigkeit des Pfandrechtes nach sich ziehen. So dürfte ein Pfandrecht mcht erlöschen, wenn dem Verpfänder während kurzer Zeit die ausschliessliche Gewalt über die Pfandsache eingeräumt wird, um die zu ihrer Erhaltung oder Aufbewahrung notwendigen Arbeiten vorzunehmen (vgl. BGE 80 II 238) oder um Teile der Pfandsache beim sog. Raumgewahrsam wegzunehmen oder auszutauschen. Wird dem Verpfänder hingegen das Recht eingeräumt, über die Pfandsache zu verfügen, so verzichtet der Pfandgläubiger auf seinen Besitz am Pfand; das Pfandrecht geht unter (vgl. BGE 89 II 319).
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2. Der Beklagte übergab den Schuldbrief dem Verpfänder Weiss am 18. Dezember 1968 "zum Zwecke des Ankaufes von Fernsehapparaten und Radios...". Weiss verpflichtete sich, BGE 99 II, 34 (38)bis Mitte Januar 1969 entweder die Darlehensforderung des Beklagten aus dem Erlös der Geräte zu befriedigen oder den Schuldbrief, falls sich die Geschäfte nicht realisieren lassen sollten, zurückzugeben. Nachdem der Beklagte den Verpfänder mehrmals erfolglos gemahnt hatte, erhielt er den Schuldbrief am 24. Juni 1969 zurück.
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Da der Pfandgläubiger dem Verpfänder bei der Übergabe des Schuldbriefes ausdrücklich das Recht einräumte, diesen zu veräussern, ist in der Übergabe ein Verzicht auf das Pfandrecht zu erblicken. Überdies müsste auch in der Dauer der Überlassung ein Untergangsgrund für das Pfandrecht gesehen werden. Dass der Verpfänder verpflichtet wurde, das Pfand wieder zurückzugeben, falls sich die Geschäfte nicht realisieren lassen sollten, war ohne Einfluss auf die Verfügungsbefugnis des Verpfänders und konnte somit den Untergang des Pfandrechtes nicht verhindern. Aus demselben Grunde hätte auch eine bloss fiduziarische Übertragung des Schuldbriefes, wie sie vom Beklagten in der Berufungsantwort geltend gemacht wird, das Erlöschen des Pfandrechtes nicht verhüten können.
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Die Vorinstanz, die zur Abgrenzung von Abs. 1 und Abs. 2 des Art. 888 ZGB auf den Willen des Pfandgläubigers abstellte, trug dem Umstand zu wenig Rechnung, dass die Begründung und die Fortdauer des Pfandrechtes in erster Linie vom Besitz der Pfandsache und nicht vom Willen des Pfandgläubigers abhängig ist. Ihre Auffassung beruht auf einer zu extensiven Auslegung des Art. 888 Abs. 2 ZGB. Diese Bestimmung, die eine Ausnahmeregelung enthält, ist eng auszulegen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichtes des Kantons Unterwalden nid dem Wald vom 6. Juli 1972 BGE 99 II, 34 (39)aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Ergänzung der Akten und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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