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Informationen zum Dokument  BGE 93 II 290 - Wasserversorgungsanlage Saurenhorn  Materielle Begründung
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Zitiert durch:
BGE 114 II 159 - Ewiger Bierlieferungsvertrag
BGE 131 I 321 - Wasserversorgung Altdorf

Zitiert selbst:

Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ... (Bestimmung des Streitwertes). ...
2. Der Kläger betreibt, wie seine Rechtsvorgänger, eine ...
3. Die Beklagten machen geltend, mit ihrer Ansicht, man habe ein  ...
4. Die Beklagten berufen sich demgegenüber auf ihren guten G ...
5. ... ...
6. Dem Gesagten zufolge konnte ein Wasserbezugsrecht der Wasserk& ...
7. Es ist somit davon auszugehen, dass der Kläger nicht ding ...
8. Die Auflösung von Dauerverträgen kann durch Kün ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch:  
 
41. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. November 1967 i.S. Gemeindeverband Wasserversorgung Saurenhorn gegen Ernst Aeberhard und sechs Mithafte.
 
 
Regeste
 
1. Begriff der Wasserversorgung; die Lieferungspflicht des Inhabers als Gegenstand einer Grundlast (Erw. 2).  
3. Einträge im Grundbuch, die nicht eintragungsfähige Rechte betreffen, sind nichtig (Erw. 4).  
4. Die Wasserlieferungspflicht einer Wasserversorgung kann als Dauerschuldverhältnis bestehen, wenn der Eintrag als Dienstbarkeit nichtig ist (Erw. 6 b).  
5. Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses; Fall einer obligatorischen Verpflichtung, die inhaltlich einer Grundlast entspricht (Erw. 7).  
6. Kündigung bei Dauerverträgen (Erw. 8).  
 
Sachverhalt
 
BGE 93 II, 290 (291)A.- Die Firma U. Brunschwyler's Söhne, später Alfred Brunschwyler, war Eigentümerin der Wasserversorgungsanlage Saurenhorn (Gemeinde Schüpfen BE). Dazu gehörten als Grundstücke ins Grundbuch aufgenommene selbständige und dauernde Rechte an Quellen am Nordhang des Frienisbergwaldes, die Reservoire Ziegelried und Bärenried sowie ein ausgedehntes Leitungsnetz mit den entsprechenden Einrichtungen, wie Brunnenstuben, Messgeräten und dergleichen. Die Wasserbezüger, die sich auf ein rund 96 km2 grosses Gebiet verteilen, das zahlreiche Ortschaften (z.B. Schüpfen, Grossaffoltern, Iffwil, Moosseedorf) und Weiler umfasst, zerfielen in drei Gruppen, nämlich die sogenannten Wasserkäufer, die sogenannten Wassermieter und die Gemeinden, die Wasserbezugsrechte für Hydranten erworben hatten. Da die Bezugsrechte an 587 Wasserkäufer und für 265 Hydranten gegen eine einmalige Entschädigung (z.B. von Fr. 400.-- bis Fr. 700.-- je Minutenliter hinsichtlich der Wasserkäufer) abgegeben worden waren, konnten laufende Einnahmen nur von 204 Wassermietern erzielt werden.
1
B.- Die Bezugsrechte der Wasserkäufer beruhen auf schriftlichen Verträgen, deren vorgedruckte Texte zwar nicht völlig übereinstimmen, sich aber sachlich decken. Danach errichteten die Eigentümer der Wasserversorgungsanlage seit 1912 zulasten ihrer Quellenrechtsgrundstücke und zugunsten der Wasserkäufer ein Wasserbezugsrecht für eine bestimmte Anzahl Minutenliter Hochdruckwasser. Dieses Recht umfasste "die dingliche Berechtigung, das genannte Quantum Wasser an der hienach bezeichneten Stelle der Hauptleitung zu entnehmen und beliebig zu verwenden". Es ist vererblich und übertragbar. In den weiteren Vertragsbestimmungen wird wörtlich (oder sinngemäss gleich) ausgeführt: "Die Firma Alfred Brunschwyler hat das Saurenhornwasser nach den Regeln moderner Technik gefasst und gesammelt. Das hievor bezeichnete Wasserquantum, welches Gegenstand dieses Vertrages ist, wird durch die mehrerwähnte Leitung nach dem Dorfe ... geleitet und dem Berechtigten daselbst ab der Hauptleitung zur Verfügung gestellt." Ferner wurde vereinbart, dass der Unterhalt der Wasserversorgung, soweit es die Quellenfassungen, Brunnstuben, das Reservoir und die Hauptleitung anbetrifft, Sache der Firma sei. Der Wasserverkäufer hatte nur die Zweigleitung von der Hauptleitung zur Ausflusstelle zu bauen und zu unterhalten. Die Firma verpflichtete sich, Reparaturen sogleich vorzunehmen. Beim BGE 93 II, 290 (292)Versiegen der Quellen infolge höherer Gewalt konnten die Wasserkäufer keine Entschädigung beanspruchen.
2
Die Wasserbezugsrechte der Wasserkäufer wurden im Grundbuch als Dienstbarkeitslasten auf den Quellenrechtsgrundstücken der Firma, insbesondere auf dem Kollektivgrundstückblatt Nr. 2469 des Grundbuchs von Schüpfen, eingetragen. Einzelne Wasserkäufer liessen später das ihnen persönlich zustehende Dienstbarkeitsrecht auf ihre Grundstücke übertragen.
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C.- Bei Fortsetzung des privaten Betriebs war eine befriedigende Wasserversorgung nicht mehr gewährleistet. Daher schlossen sich in den vierziger Jahren beteiligte Gemeinden zu einem Gemeindeverband zusammen, um die Wasserversorgungsanlage Saurenhorn zu übernehmen und zu betreiben. Am 12. November 1947 erteilte der Grosse Rat des Kantons Bern diesem Gemeindeverband das Recht, die Wasserversorgung Saurenhorn von der Rechtsnachfolgerin der Firma Alfred Brunschwyler (Kollektivgesellschaft Alfred Brunschwylers Erben in Liquidation) mit allen Rechten und Pflichten zwangsweise zu erwerben.
4
Mit Urteil vom 6. Dezember 1949 setzte der Gerichtspräsident von Aarberg die Entschädigung, die der Gemeindeverband der Enteigneten zu entrichten hatte, auf Fr. 75 000.-- fest. Auf Appellation der Enteigneten stellte die I. Zivilkammer des Appellationshofs fest, dass der enteigneten Wasserversorgungsanlage mit Rücksicht auf die damit verbundenen Lasten kein positiver Verkehrswert zukomme. Da der Enteigner das erstinstanzliche Urteil durch Anschlussappellation nur im Kostenpunkte angefochten hatte, bestätigte das Obergericht hinsichtlich der Entschädigung das angefochtene Urteil (Entscheid vom 26. September 1951).
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D.- Seit 1952 verzichteten 580 Wasserkäufer auf ihr privates Wasserbezugsrecht gegen eine Abfindung von Fr. 200.-- für den Minutenliter. Da sich sieben Wasserkäufer weigerten, einer solchen Lösung zuzustimmen, liess sich der Gemeindeverband vom Grossen Rat am 15. September 1958 das Recht erteilen, diese Wasserbezugsrechte zwangsweise zu erwerben. Im Enteignungsverfahren nahm der Gerichtspräsident von Fraubrunnen mit Entscheid vom 26. August 1961 davon Kenntnis, dass der Enteigner darauf verzichtete, von den Enteigneten beim Abschluss eines Wasserbezugsvertrags eine Anschlussgebühr zu erheben. Die den Enteigneten zustehende Entschädigung setzte er aufinsgesamt Fr. 49 154.-- fest. Auf Appellation des Gemeindeverbandes BGE 93 II, 290 (293)bestätigte die II. Zivilkammer des Appellationshofs am 9. November 1961 dieses Urteil.
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In der Folge verzichtete der Gemeindeverband auf die Enteignung, da er nicht gewillt war, die gerichtlich festgestellte Entschädigung zu bezahlen.
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E.- Am 28. Dezember 1965 klagte der Gemeindeverband Wasserversorgung Saurenhorn gegen die restlichen Wasserkäufer. Der Kläger verlangte, es seien die auf der Parzelle Grundbuchblatt Nr. 2469 des Grundbuches von Schüpfen als Dienstbarkeit eingetragenen Wasserbezugsrechte gerichtlich zulöschen; ferner sei gerichtlich festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet sei, den Beklagten unentgeltlich bestimmte Wassermengen zu liefern. Eventuell sei gerichtlich festzustellen, dass eine allfällig bestehende vertragliche Wasserlieferungspflicht des Klägers an die Beklagten auf den 1. März 1966 kündbar sei.
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Zur Begründung machte der Kläger im wesentlichen geltend, der Zweck der Wasserbezugsverträge bestehe nicht in einem Recht zur Wasserentnahme, also in einer blossen Duldungspflicht des Belasteten, sondern in seiner Verpflichtung zur Wasserlieferung. Diese Verpflichtung könne nicht Gegenstand einer Dienstbarkeit, sondern nur einer Grundlast sein. Eine solche bestehe jedoch nicht, da die Verträge seinerzeit nicht öffentlich beurkundet worden seien (Art. 783 Abs. 3 ZGB). Demzufolge sei die Dienstbarkeit gemäss Art. 975 ZBG im Grundbuch zu löschen. Eine bloss obligatorische Verpflichtung zur Wasserlieferung sei bei der Enteignung nicht auf den Kläger übergegangen. Wollte man dies jedoch annehmen, so wäre eine solche auf unbestimmte Zeit eingegangene Verpflichtung mit Art. 27 ZGB nicht vereinbar. Es müsse deshalb möglich sein, die Verträge zu kündigen. Der Kläger habe die Kündigung mit Schreiben vom 12. August 1965 auf den 1. März 1966 vorgenommen.
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Die Beklagten wendeten ein, die Dienstbarkeiten seien formgültig errichtet worden. Eine Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen sei in den Verträgen, wenn überhaupt, nur als Nebenbestimmung enthalten. Die Einrede der Formungültigkeit könnte zudem - selbst wenn es sich um eine Grundlast handeln sollte - nicht durchschlagen, weil für die Gesamtrechtsnachfolger Ersitzung eingetreten sei und die Einzelnachfolger in ihrem gutgläubigen Erwerb gemäss Art. 973 ZGB zu schützen seien.
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F.- Der Appellationshof des Kantons Bern, I. Zivilkammer, BGE 93 II, 290 (294)wies die Klage am 15. Juni 1966 ab, zur Hauptsache aus folgenden Gründen: Die Beklagten seien dinglich berechtigt, der Hauptleitung ein bestimmtes Quantum Wasser an einer bestimmten Stelle zu entnehmen. Die Hauptleitung habe bei Abschluss der Verträge schon bestanden und sei Zugehör des Werkes, von dem sie ausgehe. Somit habe das dingliche Recht, die Leitung zu benutzen, durch Belastung der Quellenrechtsgrundstücke begründet werden können. Hauptsache sei das Vorhandensein von Wasser auf diesen Grundstücken. Die Inhaberin der verselbständigten Quellenrechte sei durch die einzelnen Wasserbezugsrechte in der Ausübung ihres Eigentumsrechtes am Wasser beschränkt, wie das bei Dienstbarkeiten der Fall sei. Die Wasserbezugsberechtigten könnten ferner beanspruchen, dass die ihnen zustehende Wassermenge in die Hauptleitung eingeleitet werde, damit sie sie an der bezeichneten Stelle beziehen können. Sie seien demzufolge auch befugt, die bestehenden Anlagen mitzubenützen; der Kläger habe dies zu dulden. Die Unterhaltspflicht des Klägers sei gegenüber dem Recht der Wasserbezugsberechtigten aufeine bestimmte Wassermenge und auf Mitbenützung vorhandener umfangreicher Anlagen nur nebensächlicher Natur. Es handle sich demzufolge um Dienstbarkeitsverträge, die formrichtig abgeschlossen und im Grundbuch eingetragen worden seien. Der Kläger sei deshalb nach wie vor verpflichtet, den Beklagten die Wasserentnahme in vertraglich vereinbartem Umfang zu gestatten.
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G.- Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung des Klägers mit den Anträgen, es sei aufzuheben und die Klagebegehren zuzusprechen.
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H.- Die Beklagten beantragen die Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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2. Der Kläger betreibt, wie seine Rechtsvorgänger, eine Wasserversorgung. Darunter versteht man die Belieferung von Abnehmern mit Brauch- und Trinkwasser. Es handelt sich demzufolge um eine Tätigkeit, welche umfasst: Das Auffinden und Sammeln geeigneten Wassers (Quellen, Grundwasserläufe, Oberflächenwasser, Wasser aus Seen) und dessen Zuführung an die Verbraucher mittelst eines Leitungsnetzes. Das bedingt weiter den Unterhalt der Anlagen und die Behebung von Schäden. Entsprechend gestaltet sich das Rechtsverhältnis zwischen dem BGE 93 II, 290 (295)Inhaber der Wasserversorgung und den Verbrauchern, sei es öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Art: Der Inhaber der Wasserversorgung ist zur Lieferung der vereinbarten Wassermenge verpflichtet und hat dafür zu sorgen, dass er dieser Pflicht ununterbrochen nachkommen kann. Der Verbraucher hat diese Leistung in Geld abzugelten, meistens in der Form von Anschlussgebühren und eines regelmässig zu entrichtenden Wasserzinses. Eine Verdinglichung dieser Rechtsbeziehungen liesse sich dadurch herbeiführen, dass die Lieferungspflicht des Inhabers der Wasserversorgung zum Gegenstand einer Grundlast gemacht würde. Die Errichtung einer Dienstbarkeit hingegen erscheint nach dem in Art. 730 Abs. 1 ZGB enthaltenen Grundsatz "Servitus in faciendo consistere nequit" als ausgeschlossen.
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Im vorliegenden Fall sind die Rechtsvorgänger des Klägers anders vorgegangen. Sie haben im Korrelat ihrer Wasserlieferungspflicht, nämlich im entsprechenden Wasserbezugsrecht der Wasserkäufer, eine ihnen obliegende Duldungspflicht gesehen und diese durch eine Dienstbarkeit verdinglicht. So heisst es in einem der Verträge wörtlich:
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"Die Firma J. Brunschwyler's Söhne vorgenannt, ... errichtet hiermit auf ihre hievor beschriebenen selbständigen und dauernden Quellenrechte ein Wasserbezugsrecht zugunsten des ... für ... Minutenliter Hochdruckwasser.
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Dieses Wasserbezugsrecht umfasst die dingliche Berechtigung, das festgesetzte Quantum Wasser an der hiernach bezeichneten Stelle der Hauptleitung zu entnehmen und beliebig zu verwenden.
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Dieses Wasserrecht ist veräusserlich und vererblich. Die Wassermenge, welcher obige ... Minutenliter entnommen werden, wird mittels der hievor erwähnten Leitung nach dem Dorfe ... geleitet, woselbst die Zuleitung und Verwendung durch den Bezugsberechtigten stattfindet."
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Die Beklagten sind der Auffassung, damit hätten die damaligen Parteien die richtige Form ihrer Rechtsbeziehungen gewählt, und verweisen aufBGE 51 II 499Erw. 2. In jenem Fall hatte die Bürgergemeinde Selzach Bewohnern des Känelmooses gestattet, Wasser aus ungefassten Quellen in dem ihr gehörenden Fuchsenwald zur Speisung von Brunnen zu entnehmen. Die Berechtigten mussten das Wasser selber fassen, eine Brunnenstube erstellen und die Leitungen bis zu ihren Häusern bauen. Es handelte sich also um ein Quellenfassungs- und Fortleitungsrecht, das Gegenstand eines Dienstbarkeitsvertrages hätte bilden können (vgl. Art. 780 Abs. 1 ZGB); denn die Pflichten der Bürgergemeinde BGE 93 II, 290 (296)erschöpften sich im Dulden der Quellenbenützung. Anders verhält es sich im vorliegenden Fall. Hauptgegenstand des Vertrages bildete die Pflicht des Inhabers der Wasserversorgung, die vereinbarte Wassermenge bis zum Anschlusspunkt, der sich in der Nähe des Verbrauchsortes befand, zu liefern. Das geht nicht nur aus dem Errichtungsvertrag hervor, der ausdrücklich sagt, das Wasser werde nach dem Dorfe X geleitet, sondern auch aus Ziff. 2 der weiteren Vertragsbestimmungen, die im gewählten Vertragsbeispiel lauten:
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"Die Firma J. Brunschwyler's Söhne hat das ihr kraft der hievor bezeichneten Rechte zustehende Wasser nach den Regeln moderner Technik gefasst und gesammelt. Das hievor bezeichnete Wasserquantum, welches Gegenstand des begründeten Bezugsrechtes ist, wird durch die mehrfach erwähnte Leitung nach dem Dorfe Moosseedorf geleitet und dem Berechtigten daselbst westlich von Gebäude Nr. 61 zur Verfügung gestellt."
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Demnach ist nicht nur wesentlich - "Hauptsache", wie die Vorinstanz meint -, dass Wasser auf den Quellengrundstücken vorhanden ist, sondern auch, dass dieses Wasser den Berechtigten zugeführt wird. Freilich sind die Leitungen gemäss Art. 676 Abs. 1 ZGB Zugehör des Werkes, von dem sie ausgehen, und stehen demzufolge im Eigentum des Werkeigentümers. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, die Befugnis der Abnehmer, die Hauptleitung an bestimmten Punkten anzubohren, um ihr Wasser zu entnehmen, schliesse ein Recht an der Quelle in sich; denn die Leitungen sind dazu bestimmt, das gesammelte Wasser den Verbrauchern zuzuführen. Hörte die Zufuhr des Wassers auf, so könnte das Recht der Wasserentnahme weder ausgeübt noch mit den Rechtsschutzansprüchen, die das Dienstbarkeitsrecht zur Verfügung stellt, erzwungen werden. Es müsste vielmehr auf die Erbringung einer Leistung, nämlich der Wasserlieferung, geklagt werden. Das wäre ein Anspruch, der sich nicht aus Dienstbarkeitsrecht ableiten liesse.
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Dieser Betrachtungsweise kann nicht entgegengehalten werden, die Wasserversorgungsanlagen seien beim Abschluss der Verträge mit den Wasserkäufern schon vorhanden gewesen; denn sie sind erstellt worden, um den Bewohnern eines bestimmten Gebiets Wasser zu liefern. Ob der ganze Erguss der Quellen dazu verwendet wurde oder ob ein nicht absetzbarer Überschuss blieb, ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos.
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3. Die Beklagten machen geltend, mit ihrer Ansicht, man BGE 93 II, 290 (297)habe ein Wasserbezugsrecht als Dienstbarkeit begründen wollen, stehe es im Einklang, dass als Verpflichtung der Klägerschaft zu einem Tun "praktisch und rechtlich" nur der Unterhalt der Wasserversorgungsanlage eine Rolle spiele. Es sei zulässig, die Unterhaltspflicht vertraglich anders als in Art. 741 ZGB zu ordnen und sie dem Belasteten zu überbinden. Hier liege ein Anwendungsfall des Art. 730 Abs. 2 ZGB vor. Die Unterhaltspflicht sei nebensächlicher Natur und habe deshalb mit der Dienstbarkeit verbunden werden können.
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Dem kann nicht zugestimmt werden. Wohl kann der Unterhalt von Vorrichtungen, die zur Ausübung der Dienstbarkeit gehören, vertraglich dem Belasteten zugewiesen werden. Fraglich ist aber schon, ob die Unterhaltspflicht für eine ausgedehnte Wasserversorgungsanlage im Verhältnis zur Verpflichtung aus der Dienstbarkeit nur eine Nebensache sei (vgl. dazu LIVER, N. 202 ff., insbesondere N. 206 zu Art. 730 ZGB; PFISTER, Der Inhalt der Dienstbarkeit, in ZSR n. F. 52 S. 362). Die Frage braucht hier nicht geprüft zu werden, weil die Unterhaltspflicht nur einen Teil der vom Inhaber der Wasserversorgungsanlage zu erbringenden Leistung bildet. Seine Pflicht, den Wasserkäufern eine bestimmte Wassermenge aus den ihm gehörenden Quellen zu liefern, umfasst auch die Pflicht zu einem sachgemässen Unterhalt der Leitungen, damit der Zufluss gesichert ist. Damit ist auch gesagt, dass im vorliegenden Fall nicht eine - im Verhältnis zur Duldungspflicht - nebensächliche Pflicht zur Vornahme einer Handlung vorliegt, sondern im Rahmen der gesamten Leistungspflichten eine der Hauptlasten. Deshalb kommt es hier auch nicht darauf an, ob eine formrichtig begründete und im Grundbuch eingetragene Dienstbarkeit schon deswegen nicht entstanden sein kann, weil damit über den von Art. 730 Abs. 2 ZGB gezogenen Rahmen hinaus eine Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen verbunden ist (so LEEMANN, N. 40 zu Art. 730 ZGB). Diese Frage wäre an sich mit LIVER (N. 211 zu Art. 730 ZGB) zu verneinen, wenn die Dienstbarkeit für sich allein, auch ohne eine damit verbundene Leistungspflicht des Belasteten, bestehen kann. Ferner ist denkbar, dass eine Dienstbarkeit in Verbindung mit einer bloss obligatorischen Leistungspflicht jedenfalls ihre Bedeutung solange behält, als die Leistungspflicht besteht. Fällt letztere dahin, verliert dann freilich die Dienstbarkeit alles Interesse und der Belastete kann gemäss Art. 736 ZGB ihre Löschung verlangen.
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BGE 93 II, 290 (298)In diesem Sinne bezeichnet LIVER auch den Wert des Anschlussrechtes an eine Wasserversorgung als erheblich (N. 211 zu Art. 730 ZGB). Die Beklagten berufen sich ausserdem auf das ihnen am 3. Juni 1952 von diesem Autor erstattete Gutachten. Allein, hier handelt es sich nicht um ein Dienstbarkeits- und ein Leistungsverhältnis, die einander gegenüberstehen und die sogar unabhängig voneinander bestehen könnten. Es verhält sich vielmehr so, dass nur ein einziges Rechtsverhältnis vorliegt: Der Wasserlieferungspflicht des Klägers entspricht das Wasserbezugsrecht der Beklagten. In den Verträgen aus den Jahren 1912 bis 1926 wurde nun ein Teil der einheitlichen Obligation, die Pflicht des Wasserlieferanten, dem Wasserkäufer die Entnahme der vereinbarten Wassermenge aus der Hauptleitung zu gestatten, verdinglicht. Diese Duldungspflicht bzw. der ihr entsprechende Anspruch des Wasserkäufers ist jedoch bloss eine Folge der umschriebenen Obligation. Selbständige Bedeutung kommt ihr nicht zu. Sie kann deshalb nicht Gegenstand einer Dienstbarkeit sein. Diese Auffassung wird nun auch von Prof. LIVER vertreten (Gutachten vom 11. August 1958 an den Gemeindeverband Vennersmühle-Wasserversorgung).
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Indessen können sich die Beklagten nicht aufBGE 51 II 499berufen (Erw. 2). Gleiches gilt von BGE 86 II 252, der einen andern Sachverhalt behandelt. Für die Einzelnachfolger der Wasserkäufer fällt lediglich der gutgläubige Erwerb nach Art. 973 ZGB in Betracht. Der Schutz desjenigen, der sich in gutem Glauben auf einen Eintrag im Grundbuch verlassen und gestützt darauf ein dingliches Recht erworben hat, kann jedoch nicht beansprucht werden, wenn es sich um nicht eintragungsfähige Rechte handelt. Einträge, die solche Rechte betreffen, sind gesetzwidrig und demzufolge nichtig (vgl. HOMBERGER, N. 4 zu Art. 973 ZGB; JENNY, Der öffentliche Glaube des Grundbuchs, S. 75/76 und S. 152; SCHATZMANN, Eintragungsfähigkeit der dinglichen Rechte und Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters, S. 105).
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BGE 93 II, 290 (299)Aus den gleichen Gründen können sich die ursprünglichen Wasserkäufer und ihre Gesamtrechtsnachfolger auch nicht auf Ersitzung nach Art. 731 Abs. 3 ZGB berufen.
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Es bleibt die Frage zu prüfen, ob die Wasserlieferungspflicht des Klägers zwar nicht als Dienstbarkeit, aber entweder als Grundlast oder als bloss obligatorische Verpflichtung weiterhin bestehen könne.
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a) Gemäss Art. 783 Abs. 3 ZGB bedarf der Vertrag zur Errichtung einer Grundlast der öffentlichen Beurkundung (LEEMANN, Komm. N. 8 zu Art. 783 ZGB). Da diesem Formerfordernis nicht nachgelebt worden ist, kommt eine Konversion der Dienstbarkeit in eine Grundlast nicht in Frage.
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b) Demzufolge ist die Wasserlieferungspflicht des Klägers nur obligatorischer Natur. Dieser wendet dagegen ein, obligatorische Verpflichtungen seien durch die Enteignung nicht auf ihn übergegangen. Die Enteignung habe sich nur auf Grundstücke oder dingliche Rechte an solchen beziehen können. Das ist jedoch eine Frage des damals angewandten kantonalen Enteignungsrechtes. Die Vorinstanz hat sie - entgegen der Behauptung der Beklagten - nicht geprüft; denn sie ging davon aus, dass ein dingliches Recht vorliege, das nicht Gegenstand der Enteignung gewesen und deshalb auf den Enteigner übergegangen sei. Zur Frage, wie es sich in diesem Punkte verhielte, wenn kein dingliches Recht bestünde, hat sie nicht Stellung genommen. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob diese Frage gemäss Art. 65 OG vom Bundesgericht beurteilt werden könnte oder ob die Sache deswegen an die Vorinstanz zurückgewiesen werden müsste. Das Expropriationsdekret des Grossen Rates vom 12. November 1947 bewilligte dem Kläger, die Wasserversorgungsanlage "mit allen darauf haftenden Rechten und Pflichten zwangsweise zu erwerben." Im Verfahren über die Festsetzung der Enteignungsentschädigung gingen beide Instanzen ebenfalls davon aus, der Kläger habe die Verpflichtungen gegenüber den Wasserkäufern übernommen. Der Kläger teilte diesen Standpunkt. Nicht nur bezahlte er den 580 Wasserkäufern, BGE 93 II, 290 (300)mit denen er sich einigen konnte, eine Abfindungssumme für den Verzicht auf ihre Rechte, sondern er leitete gegen die sieben Beklagten, die sich widersetzten, das Enteignungsverfahren ein. Nach Treu und Glauben kann er sich heute nicht darauf berufen, er habe die Wasserlieferungspflicht nicht übernommen.
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Im Schrifttum wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass obligatorische Verträge nicht auf "ewige" Zeiten abgeschlossen und aufrecht erhalten werden können (vgl. MERZ, N. 246 und 332 zu Art. 2 ZGB; OSER/SCHÖNENBERGER, Vorbem. zu Art. 1 bis 67 OR, N. 20; BECKER, Vorbem. zu Art. 114-142 OR, N. 9; VON TUHR/SIEGWART, S. 610, Fussnote 51). Die gegenteilige Annahme führte zu einer mit Art. 27 ZGB unvereinbaren Beschränkung der persönlichen Freiheit. Fraglich mag nach den Umständen des einzelnen Falles sein, für welche Höchstdauer eine Bindung eingegangen werden kann. Das hängt namentlich von der Intensität der dadurch bewirkten Beschränkung des Verpflichteten ab. Hindert sie die gesamte Betätigung im wirtschaftlichen Bereich, wird die Bindung nur für kurze Zeit rechtmässig erfolgen dürfen (BGE 62 II 35E. 5; vgl. auchBGE 62 II 102). Handelt es sich dagegen um einen weniger grossen Eingriff, ist ein weiterer Masstab anzulegen. So hat das Bundesgericht einen für den Vermieter auf die Dauer der Berufsausübung unkündbaren Mietvertrag als zulässig erklärt (BGE 56 II 190ff.), weil er bloss den Verzicht auf die Verfügung über eine bestimmte Sache während einer absehbaren Dauer mit sich bringe. Anders ist es zu halten mit Verpflichtungen zu zeitlich unbegrenztem positivem Verhalten, zu wiederkehrenden Leistungen oder Bezügen (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER, N. 43 zu Art. 20 OR). Das Bundesgericht hat einen sog. Bierlieferungsvertrag mit einer Geltungsdauer von 15 Jahren noch als zulässig erklärt, namentlich weil damit Darlehen der Lieferantin verbunden waren, ohne welche der Abnehmer die Wirtschaft nicht hätte erwerben können (BGE 40 II 233ff.). Jedenfalls wäre aber eine diese 15 Jahre erheblich übersteigende Bezugspflicht nicht verbindlich (vgl. auch WÜTHRICH, Der Bierlieferungsvertrag nach schweizerischem Recht, S. 30 ff.). Obschon es sich im vorliegenden BGE 93 II, 290 (301)Fall nicht um eine Bezugspflicht, sondern um eine unbeschränkte Lieferungspflicht handelt, stellt sich die Frage nicht grundsätzlich anders. Dies namentlich deswegen nicht, weil die Wasserkäufer als Entgelt einen einmaligen Betrag von Fr. 400.-- bis Fr. 700.-- entrichtet und seit vierzig und mehr Jahren Wasser bezogen haben, dessen Wert bedeutend höher sein dürfte. Die Wasserlieferungspflicht wäre nicht einmal unbeschränkt, wenn sie durch eine Grundlast begründet worden wäre. Eine solche hätte vom Schuldner gemäss Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB nach dreissigjährigem Bestand abgelöst werden können. Die Annahme, eine inhaltlich einer Grundlast entsprechende obligatorische Verpflichtung könne auf eine wesentlich längere Zeitspanne aufrecht erhalten werden, ist damit nicht zu vereinbaren (vgl. dazu LIVER, Einleitung N. 144).
36
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
38
Die Berufung wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und an dessen Stelle erkannt:
39
1.- Die auf Grundbuchblatt Nr. 2469 von Schüpfen des Klägers als Dienstbarkeit eingetragenen Wasserbezugsrechte zugunsten
40
a) des Beklagten Aeberhard von 2 Minutenliter
41
b) der Beklagten Marie Bill von 4 Minutenliter
42
c) des Grundbuchblattes Nr. 86 von Moosseedorf des Beklagten Georg Baumgartner von 1 Minutenliter
43
d) des Grundbuchblattes Nr. 42 von Moosseedorf des Beklagten Hans Utiger von 1 Minutenliter
44
e) des Grundbuchblattes Nr. 392 von Moosseedorf des Beklagten H. Sommer von 3 Minutenliter
45
BGE 93 II, 290 (302)f) des Grundbuchblattes Nr. 228 von Rapperswil des Beklagten Otto Roder von 2 Minutenliter
46
g) des Grundbuchblattes Nr. 332 von Moosseedorf der Beklagten Immobiliengesellschaft des Swiss Fonds II von 4 Minuteliter sind im Grundbuch zu löschen.
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2.- Dem Grundbuchführer von Aarberg wird die Ermächtigung erteilt, die Löschung gemäss Art. 18, 19 und 61 der Grundbuchverordnung vorzunehmen.
48
3.- Es wird festgestellt, dass die vertragliche Wasserlieferungspflicht des Klägers gegenüber den Beklagten seit 1. März 1966 aufgehoben ist.
49
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