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Informationen zum Dokument  BGE 95 I 319  Materielle Begründung
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Regeste
1. Die staatsrechtliche Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid der kantonalen Steuerrekurskommission vom 23. Oktober 1968/19. Februar 1969, mit dem diese eine Beschwerde des Pflichtigen gegen die Vornahme einer Zwischenveranlagung des steuerbaren Einkommens abgewiesen hat. Der Beschwerdeführer beantragt, den Entscheid aufzuheben, weil er gegen Art. 4 BV verstosse.
2. Streitig ist, ob für den selbständigerwerbenden Besc ...
3. Nach Art. 40 grb. StG ist, wenn sich die Einschätzungsgru ...
4. Der Beschwerdeführer hat schon im kantonalen Rekursverfah ...
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46. Urteil vom 8. Oktober 1969 i.S. Bärtsch gegen Graubünden, Kanton und Steuerrekurskommission
 
 
Regeste
 
Art. 4 BV, Art. 40 Steuergesetz von Graubünden.  
 
BGE 95 I, 319 (319)1. Die staatsrechtliche Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid der kantonalen Steuerrekurskommission vom 23. Oktober 1968/19. Februar 1969, mit dem diese eine Beschwerde des Pflichtigen gegen die Vornahme einer Zwischenveranlagung des steuerbaren Einkommens abgewiesen hat. Der Beschwerdeführer beantragt, den Entscheid aufzuheben, weil er gegen Art. 4 BV verstosse.
 
BGE 95 I, 319 (320)Die kantonale Steuerverwaltung verweist auf ihre Vernehmlassung im kantonalen Rekursverfahren und beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Steuerrekurskommission hat innert der ihr gesetzten Vernehmlassungsfrist nicht geantwortet.
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2. Streitig ist, ob für den selbständigerwerbenden Beschwerdeführer für das Steuerjahr 1966 deshalb eine Zwischenveranlagung vorgenommen werden durfte, weil er seit dem 1. August 1966 im Genuss einer jährlichen AHV-Rente von Fr. 5208.-- ist, sodass sich gegenüber dem für 1965/66 veranlagten Einkommen von Fr. 14 100.-- ein steuerpflichtiges Einkommen von Fr. 18 200.-- ergab (bei Anrechnung von 80% der AHV-Rente). Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 4 BV (willkürliche Anwendung von Art. 40 grb. StG, wonach, sofern sich die Einschätzungsgrundlagen in der Veranlagungsperiode wegen Hinzutrittes einer beträchtlichen Erwerbsquelle, Aufgabe der Erwerbstätigkeit, Berufswechsel oder Vermögensanfall, dauernd geändert haben, für den Rest der Veranlagungsperiode für die von der Veränderung betroffenen Einkommensbestandteile eine neue Veranlagung zu treffen ist).
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3. Nach Art. 40 grb. StG ist, wenn sich die Einschätzungsgrundlagen in der Veranlagungsperiode verändert haben, für die von der Veränderung betroffenen Einkommensteile und für den Rest der Veranlagungsperiode der Pflichtige neu zu veranlagen. Damit eine Zwischenveranlagung für das Einkommen vorgenommen werden kann, müssen demnach drei Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst bedarf es des Hinzutrittes oder des Aufhörens einer andern Erwerbsquelle oder einer Erwerbstätigkeit. Grund für eine Zwischenveranlagung ist nicht bloss ein Berufswechsel, sondern auch die Aufnahme einer weitern Tätigkeit oder der Anfall einer weitern Einnahmequelle. Die dadurch eingetretene Veränderung des Einkommens muss sodann beträchtlich, verglichen mit dem bisherigen Einkommen von einer gewissen Bedeutung sein. Schliesslich muss sie eine dauernde Veränderung des Einkommens bewirken.
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a) Nach seinem Wortlaut lässt Art. 40 grb. StG die Zwischenveranlagung mit Bezug auf das Einkommen nur zu bei Hinzutritt einer andern Erwerbsquelle bzw. bei Aufgabe einer Erwerbstätigkeit und im Falle des Berufswechsels. Hinzutritt einer Erwerbsquelle bedeutet Aufnahme einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit oder Hinzutritt einer andern Erwerbsquelle.
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BGE 95 I, 319 (321)Dazu gehört, wie ohne Willkür angenommen werden kann, nicht bloss ein zusätzliches Einkommen für eine weitere Tätigkeit. Von Hinzutritt einer Erwerbsquelle kann vielmehr auch gesprochen werden, wenn dem Pflichtigen ein Ersatzeinkommen zufliesst, wie eine Pension oder eine Rente, die ihm durch den Arbeitgeber, eine Versicherungskasse oder auf vertraglicher Grundlage gewährt wird (dazu KÄNZIG, Wehrsteuer, zu Art. 21 S. 129; LÄTSCH, Die Zwischeneinschätzung im zürcherischen Recht, ZBl 1943, S. 263; BLUMENSTEIN, Steuerrecht S. 307). Auch eine AHV-bzw. IV- Rente kann deshalb eine Erwerbsquelle in diesem Sinne sein, und damit den Grund für eine Zwischenveranlagung bilden, sofern sie neben dem bisherigen Einkommen beträchtlich ist, das Gesamteinkommen nicht bloss unwesentlich erhöht. Das hätte allerdings zur Folge, dass beim Fehlen von Vermögen nur der sozial Schwächere auf diesen Renten Einkommenssteuern zu entrichten hätte.
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Wie es sich damit verhält, und wann das Erfordernis beträchtlicher Erhöhung erfüllt ist, kann jedoch hier auf sich beruhen, wenn es am Erfordernis dauernder Veränderung der Veranlagungsgrundlagen fehlt.
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b) Die Veränderung der Veranlagungsgrundlagen hat nicht schon dauernden Charakter, wenn nur das hinzutretende Einkommen dem Pflichtigen auf bestimmte längere oder auf unbestimmte Dauer zufliesst. Erforderlich ist dafür vielmehr, dass das Gesamteinkommen auf die Dauer grösser ist. Die Veränderung hat dann nicht dauernden Charakter, wenn mit dem Hinzutritt der neuen Erwerbsquelle die bisherige geringer wird, sodass im gesamten genommen die Veränderung nicht mehr beträchtlich ist.
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Bei Steuerpflichtigen, welche in das AHV-berechtigte Alter eintreten, pflegt die AHV-Rente Ersatz für den Dahinfall eines anderweitigen Einkommens zu sein, sei es, dass dieses gänzlich, sei es, dass es teilweise oder nach und nach zu fliessen aufhört. Trifft dies zu, so kann, selbst wenn der Rückgang nicht gleichzeitig mit der Bezugsberechtigung für die Rente, sondern erst etwas später, oder aber nach und nach eintritt, nicht von einer dauernden Veränderung der Einkommensgrundlage mehr gesprochen werden. Eine Zwischenveranlagung ist in derartigen Fällen nicht zulässig.
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4. Der Beschwerdeführer hat schon im kantonalen Rekursverfahren erklärt, wer eine AHV-Rente beziehe, "lockere seine Erwerbstätigkeit etwas", und behauptet, sein Einkommen werde BGE 95 I, 319 (322)für die Jahre 1967/68 von Fr. 14 100.-- auf Fr. 11 500.-- zurückfallen. In der Beschwerde hat er ausgeführt, sein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit habe in den Jahren 1965/66 Fr. 11 348.-- bzw. Fr. 11 056.-- nicht überschritten und betrage für 1967 noch Fr. 7509.--.
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Die kantonalen Behörden haben unterlassen, diese Verhältnisse abzuklären. Es steht daher auf Grund der Akten nicht fest, ob die Veränderung des Gesamteinkommens eine dauernde ist. Sie haben diese Frage abzuklären, bevor sie eine Zwischenveranlagung vornehmen. Der Entscheid ist deshalb aufzuheben, damit geprüft werde, ob auch diese Voraussetzung für eine Zwischenveranlagung erfüllt ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen und der Entscheid der Steuerrekurskommission vom 23. Ok tober 1968 aufgehoben.
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