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Informationen zum Dokument  BGE 90 I 206  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
4. Das Kantonsgericht geht davon aus, dass die Verletzung öf ...
5. Der Beschwerdeführer hat nach dem Gesagten nicht dargetan ...
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32. Auszug aus dem Urteil vom 14. Oktober 1964 i.S. Bucher gegen Kuster und Kantonsgericht Schwyz.
 
 
Regeste
 
Art. 4 BV; Art. 680, 686 und 702 ZGB.  
 
Sachverhalt
 
BGE 90 I, 206 (207)Der Grundeigentümer Bucher klagte beim Bezirksgericht March auf Untersagung des Bauvorhabens seines Nachbars Kuster an der Speerstrasse in Lachen mit der Begründung, der Grenzabstand des Neubaus entspreche nicht den Vorschriften der Art. 10 und 11 der Bauverordnung der Gemeinde Lachen (BVL); zudem verletze der Neubau Art. 684 ZGB, indem er dem Grundstück des Klägers Licht, Luft und Sonne entziehe. Das Bezirksgericht bejahte in einem Vorentscheid seine Zuständigkeit zur Behandlung der Klage wegen Verletzung des Art. 684 ZGB, verneinte sie dagegen mit Bezug auf die Rüge der Missachtung von Abstandsvorschriften der BVL. Es wies sodann die Klage wegen Verletzung des Art. 684 ZGB mit Urteil ab.
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Bucher reichte gegen den Vorentscheid Rekurs und gegen das Urteil Berufung ein. Das Kantonsgericht hat beide Rechtsmittel abgewiesen. Es hat dazu ausgeführt, das schwyzerische Baugesetz ermächtige die Gemeinden nur zum Erlass öffentlich-rechtlicher Bauvorschriften. Die kantonalen Bauvorschriften privatrechtlicher Natur seien ausschliesslich im EG ZGB enthalten, das keine Delegation der Rechtssetzungsbefugnis an die Gemeinden vorsehe. Die Einsprache, die mit der Rüge des ungenügenden Grenzabstandes eine Verletzung von Bestimmungen der BVL beanstande, stütze sich insoweit auf öffentliches Recht, dessen Missachtung mit verwaltungsrechtlicher und nicht mit privatrechtlicher Einsprache geltend zu machen sei. Das Bezirksgericht sei deshalb mit Recht insoweit auf die Klage nicht eingetreten. Die Rüge, das Bauvorhaben entziehe der Liegenschaft des Klägers Licht, Luft und Sonne und verletze dadurch Art. 684 ZGB, sei zwar privatrechtlicher Natur, so dass darauf einzutreten sei; die behaupteten Beeinträchtigungen stellten indessen keine Einwirkungen im Sinne von Art. 684 ZGB dar, was zur materiellen Abweisung der Einsprache führe.
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Bucher hat das Urteil des Kantonsgerichts mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV BGE 90 I, 206 (208)angefochten. Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen, soweit es darauf eingetreten ist.
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Aus den Erwägungen:
 
1.-3. (Prozessuales. Die behauptete Verletzung des Art. 684 ZGB hätte, da der Streitwert mehr als Fr. 8000.-- beträgt, mit Berufung geltend gemacht werden müssen. Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde ist nur zu prüfen, ob die Annahme des Kantonsgerichts, die Zivilgerichte seien zur Beurteilung der Rüge der Verletzung von Abstandsvorschriften der BVL unzuständig, vor Art. 4 BV standhalte.)
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Art. 702 ZGB behält den Kantonen und Gemeinden vor, baupolizeiliche Beschränkungen des Grundeigentums aufzustellen. Gemäss Art. 5 und 686 ZGB sind die Kantone ausserdem befugt, zivilrechtliche Bauvorschriften, insbesondere über die Bauabstände, zu erlassen. Kantonale Bauvorschriften können mithin öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Charakter haben; sie können aber auch zugleich dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht angehören und insofern gemischte Normen sein. Welchem Rechtsgebiet eine kantonale Bauvorschrift angehöre, ergibt sich aus dem kantonalen Recht, dessen Auslegung und Anwendung das Bundesgericht nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür (und der hier nicht in Betracht fallenden Rechtsgleichheit) überprüft (vgl. zum Ganzen BUSER, Baupolizei und Strassenrecht im Kanton Aargau, ZBl 1932 S. 357; KIRCHHOFER, Über die Legitimation zum staatsrechtlichen Rekurs, ZSR 55 S. 171; SCHWANDER, BGE 90 I, 206 (209)Die Rechtssetzung durch die Gemeinden im Kanton Schwyz, S. 42; ZWAHLEN, Du droit des voisins à l'observation des règles de police des constructions, in Mélanges François Guisan, S. 325 ff., insbesondere S. 336-341).
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a) Die BVL, deren Abstandsvorschriften hier in Frage stehen, stützt sich gemäss Ingress auf § 1 des kantonalen Baugesetzes (BauG) vom 1. Dezember 1899. Dieses räumt den Gemeinden in § 1 die Befugnis ein, Bauvorschriften aufzustellen, insbesondere solche über die Baupolizei (lit. c) und über nachbarrechtliche Verhältnisse, die mit dem Bauwesen im Zusammenhang stehen (lit. d). Während lit. c öffentlich-rechtliche Vorschriften vorsieht, betrifft lit. d privatrechtliche Bestimmungen des Nachbarrechts (SCHWANDER, a.a.O., S. 43). Dass lit. c heute noch in Kraft steht, ist unbestritten; fraglich ist dagegen, ob lit. d noch gelte. Das Baugesetz entstammt der Zeit vor Einführung des ZGB. Von der Befugnis zum Erlass zivilrechtlicher Bauvorschriften, die Art. 686 ZGB den Kantonen belässt, hat der Kanton Schwyz in den §§ 143 ff. des EG ZGB Gebrauch gemacht. Diese Bestimmungen ordnen das dem Kanton vorbehaltene Nachbarrecht nach allen Richtungen hin und ohne eine Befugnis der Gemeinden zur Regelung einzelner privater nachbarrechtlicher Beziehungen zu erwähnen. Zwar spricht § 158 Abs. 1 Satz 2 EG ZGB von (Bebauungsplänen und) Bauvorschriften der Gemeinden; er betrifft aber, wie aus Satz 1 zu schliessen ist, baupolizeiliche Normen, also öffentliches Recht. Diese Umstände legen die Annahme nahe, der kantonale Gesetzgeber habe die Befugnis, im Rahmen des ZGB privatrechtliche Bauvorschriften aufzustellen, ganz an sich ziehen wollen und er habe damit § 1 lit d BauG stillschweigend aufgehoben. Ist dem so, dann entbehren privatrechtliche Bauvorschriften der Gemeinden der gesetzlichen Grundlage; sie sind deshalb nichtig. Nach dieser im Schrifttum von SCHWANDER (a.a.O., S. 43-45) vertretenen, sachlich begründeten und darum nicht willkürlichen Auffassung können die in der Baueinsprache angerufenen BGE 90 I, 206 (210)Abstandsvorschriften der BVL nur dann Wirkungen entfalten, wenn es sich um öffentlich-rechtliche Bestimmungen handelt.
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b) Die Art. 10 und 11 BVL können denn auch ohne Willkür dem öffentlichen Recht zugerechnet werden. Das Bundesgericht hat sich schon in BGE 89 I 518 dahin ausgesprochen, dass die Vorschriften der BVL über die Abstände und die Bauhöhe dem öffentlichen Recht angehören. Die Einwendungen der Beschwerde geben keinen Anlass, auf diese Stellungnahme zurückzukommen.
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Nach Art. 13 BVL kann der Grenzabstand, "im Einverständnis mit dem Nachbar" ausnahmsweise auf 3,5 m herabgesetzt werden. Der Beschwerdeführer leitet daraus ab, die Abstandsvorschriften der Art. 10-12 BVL seien nicht rein öffentlich-rechtlicher, sondern auch privatrechtlicher, mithin also gemischter Natur. Diese Folgerung ist nicht zwingend. Art. 13 BVL besagt nicht, wer den Grenzabstand auf 3,5 m herabsetzt: ob die Parteien in ihrer Vereinbarung oder der Gemeinderat auf Grund der Vereinbarung. Im zweiten Falle würde es sich um eine ins Ermessen der Behörde gestellte Ausnahmebewilligung handeln, die ein Institut des öffentlichen Baurechts darstellt. Auch im ersten Falle wäre jedoch nicht notwendigerweise auf eine privatrechtliche oder gemischtrechtliche Ausgestaltung der Abstandsvorschriften zu schliessen. Zwar erklärt Art. 680 Abs. 3 ZGB, die Aufhebung oder Abänderung von Eigentumsbeschränkungen öffentlich-rechtlichen Charakters sei ausgeschlossen. Diese Feststellung hat indessen nicht die Tragweite, die ihr dem Wortlaute nach zuzukommen scheint. Es konnte nicht Aufgabe des Bundeszivilgesetzgebers sein, über die Ordnung und Handhabung des kantonalen öffentlichen Rechts zu befinden (vgl. LIVER, N. 24 zu Art. 5 ZGB mit Bezug auf das kantonale Privatrecht). So ist es den Kantonen unbenommen, die Behörden zu einer Aufhebung und Abänderung öffentlich-rechtlicher Eigentumsbeschränkungen zu ermächtigen (HAAB, N. 9 ff. zu Art. 680 ZGB).
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BGE 90 I, 206 (211)Desgleichen sind die Kantone frei, den unmittelbar interessierten Privaten die Befugnis einzuräumen, sich innerhalb bestimmter Grenzen über die Anwendbarkeit von Eigentumsbeschränkungen zu verständigen. Trifft ein Kanton eine solche Ordnung, so verliert die Eigentumsbeschränkung dadurch nicht ohne weiteres ihren öffentlich-rechtlichen Charakter. Entgegen einer gelegentlich vertretenen Auffassung ist das nachgiebige Recht nicht schlechtweg dem Privatrecht gleichzusetzen, wie umgekehrt das öffentliche Recht nicht durchwegs zwingender Art zu sein braucht (HUBER, N. 129 zu Art. 6 ZGB). Dass Art. 13 BVL den Beteiligten eine gewisse Verfügungsmacht über die Anwendung der Abstandsvorschriften einräumt, schliesst es damit nicht aus, dass die Art. 10-12 BVL öffentlich-rechtlicher Natur sind.
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Der Beschwerdeführer macht sodann geltend, § 143 EG ZGB setze auf privatrechtlicher Ebene einen Mindestgrenzabstand von 1,50 m fest, der nur durch andere privatrechtliche, nicht dagegen durch öffentlich-rechtliche Bestimmungen des gemeindlichen Baurechts erhöht werden könne; die Art. 10-12 BVL müssten daher privatrechtlichen Charakter haben. Dieser Einwand geht gleichfalls fehl. Gemäss § 158 EG ZGB gelten die in diesem Gesetz enthaltenen beschränkenden Bestimmungen über Bauten, also auch die Vorschriften über die Grenzabstände, "für die Bebauungspläne und Bauvorschriften der Gemeinden" als Mindestmass. Dass die "Bebauungspläne" dem öffentlichen Recht angehören, steht ausser Frage; dasselbe gilt im Regelfalle für die "Bauvorschriften" der Gemeinden. Das Gesetz sieht demnach selber vor, dass die darin enthaltenen privatrechtlichen Vorschriften durch öffentlichrechtliche Bestimmungen verschärft werden können. Es darf daher nicht gefolgert werden, da § 143 EG ZGB privatrechtlicher Natur sei, müssten auch die ihn abändernden Bestimmungen des Gemeinderechts diesen Charakter haben.
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5. Der Beschwerdeführer hat nach dem Gesagten nicht BGE 90 I, 206 (212)dargetan, dass die Annahme, Art. 10 und 11 BVL gehörten dem öffentlichten Recht an, willkürlich sei. Das Kantonsgericht, das unbestrittenermassen nicht über die Verletzung öffentlich-rechtlicher Bauvorschriften zu befinden hat, hat dem Beschwerdeführer somit mit der Vonderhandweisung der betreffenden Rüge das rechtliche Gehör nicht verweigert. Bei dieser Sachlage braucht nicht geprüft zu werden, ob die massgebenden Vorschriften des kantonalen Verfahrensrechts nicht dahin ausgelegt werden könnten, dass neben rein öffentlich-rechtlichen Anständen auch solche über die Anwendung gemischtrechtlicher Normen im Verwaltungsstreitverfahren und nicht vor den Zivilgerichten auszutragen seien. Das Bundesrecht stünde, wie die Beschwerdeantwort mit Fug bemerkt, einer solchen Ausscheidung der Zuständigkeiten nicht entgegen (vgl. Art. 3 und 64, letzter Absatz BV; Art. 54 Abs. 2 SchlT ZGB).
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