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| Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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53. Urteil vom 8. Dezember 1954 i.S. Bryner gegen Kantone Zürich und Genf. | |
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Regeste |
| Art. 46 Abs. 2 BV: Verwirkung des Steueranspruchs. | |
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Sachverhalt | |
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B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 20. Oktober beantragt die Beschwerdeführerin, die Besteuerung durch den Kanton Genf wegen Doppelbesteuerung aufzuheben und festzustellen, dass sich ihr Steuerdomizil bis zum 15. März 1954 in Zürich befunden habe.
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C.- Der Kanton Zürich beantragt, die Steuerhoheit des Kantons Zürich für die Jahre 1951-1953 zu bestätigen. Er führt aus: Auf eine Besteuerung der Beschwerdeführerin für 1954 werde verzichtet. Bei länger dauerndem Aufenthalt werde dieser freilich zum Wohnsitz. Doch sei bei einer Pflegerin zu berücksichtigen, dass sie den Aufenthaltsort nicht frei bestimme, sondern dem Arbeitgeber | 3 |
Die Auffassung, als ob die Beschwerdeführerin seit Beginn ihrer Tätigkeit in Genf steuerpflichtig gewesen sei, könne nicht geteilt werden. Vieles habe dafür gesprochen, dass auch Genf nur eine Etappe in der Pflege sein würde. Genf sei daher nicht befugt, die Beschwerdeführerin rückwirkend zu besteuern. Ein solcher Anspruch sei verspätet. Der Beschwerdeführerin könne nicht zum Verschulden angerechnet werden, dass sie eine polizeiliche Anmeldung in Genf nicht für notwendig gehalten habe, dass sie die Schriften in Zürich belassen und dort ihre Steuern bezahlt habe. Der ursprünglich vorübergehende Aufenthalt habe sich freilich heute zum Wohnsitz gewandelt. Jedenfalls habe die Beschwerdeführerin in gutem Glauben sein können, dass bei Beibehaltung des zürcherischen Logis auch der dortige Wohnsitz fortdauere.
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D.- Der Kanton Genf beantragt, die Beschwerde gegenüber dem Kanton Genf abzuweisen. Er macht geltend: Die Beschwerdeführerin wäre verpflichtet gewesen, spätestens 2 Wochen nach der Übersiedlung nach Genf eine Aufenthaltsbewilligung zu verlangen. Weil sie das nicht getan habe, habe die Steuerverwaltung von der Anwesenheit der Beschwerdeführerin keine Kenntnis gehabt und sie daher auch nicht zur Abgabe einer Steuererklärung auffordern können.
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Die Einrede verspäteter Besteuerung sei, soweit sie von der Beschwerdeführerin erhoben werde, nicht zu hören, soweit sie vom Kanton Zürich ausgehe, nicht begründet. Dass die Steuerverwaltung von der Anwesenheit der Pflichtigen keine Kenntnis gehabt habe, gehe auf das Verschulden der Beschwerdeführerin und ihrer Dienstherrschaft zurück, die nach den massgebenden Vorschriften des Gesetzes über den Aufenthalt und die Niederlassung | 6 |
Auch die Auffassung vom zürcherischen Steuerwohnsitz der Beschwerdeführerin sei unzutreffend. Diese sei seit dem September 1951 in Genf erwerbstätig. Da sie zu Zürich keine engern familiären oder bürgerliche Beziehungen behalten habe, befinde sich der Steuerwohnsitz am Arbeitsort.
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Das Bundesgericht hat die Verwirkungseinrede des Kantons Zürich als begründet erklärt.
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Aus den Erwägungen: | |
Der Kanton Zürich erhebt die Einrede der Verwirkung des genferischen Steueranspruches für die Jahre 1951/53.
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Ein Kanton, welcher die für die Steuerpflicht in örtlicher Beziehung massgebenden Tatsachen kennt oder kennen kann, verwirkt das Recht auf Besteuerung, wenn er trotzdem mit der Erhebung des Steueranspruches ungebührlich lange zuwartet, und wenn bei Gutheissung des erst nachträglich erhobenen Anspruches ein anderer Kanton zur Rückerstattung von Steuern verpflichtet werden müsste, die er in Unkenntnis des kollidierenden Steueranspruches bezogen hat (BGE 74 I 271Erw. 2 und dort zitierte frühere Urteile,BGE 76 I 13Erw. 2). Ein Kennensollen oder Kennenkönnen ist nach der Rechtsprechung schon dann anzunehmen, wenn der Veranlagungsbehörde zugemutet werden kann, den Tatbestand, der die Inanspruchnahme der Steuerhoheit begründet, zu kennen, ohne Rücksicht darauf, ob die Unkenntnis der Behörde dem Kanton zum Verschulden anzurechnen ist oder nicht (BGE 74 I 275). Die Veranlagungsbehörde kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass sie Handelsregistereinträge | 10 |
Die Beschwerdeführerin hat den genferischen Behörden keine positiv unrichtigen Angaben über ihre Steuerpflicht gemacht. Sie hat freilich eine polizeiliche Anmeldung unterlassen, und zwar offenbar aus dem Grunde, weil sie mit der Möglichkeit rechnen musste, dass die Kranke, deren Pflege ihr oblag, wieder Spital- oder Kuraufenthalte notwendig haben werde, und weil sie ferner glaubte, die Verhältnisse hätten sich gegenüber früher nicht wesentlich geändert, weil sie in Zürich eine Wohnung besass, dort die Urlaube verbrachte und das Dienstverhältnis mit dem in Zürich domizilierten Arbeitgeber fortdauerte. Sie durfte annehmen, dass, nachdem sie weiterhin in Zürich besteuert wurde, auch die Schriftenhinterlage daselbst in Ordnung gehe. Entscheidend ist aber darauf abzustellen, dass dem | 11 |
Verwirkung des Steueranspruchs des Kantons Genf könnte bei dieser Sachlage nur dann nicht angenommen werden, wenn der Kanton Zürich in Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse und in offensichtlicher Missachtung eines allgemein anerkannten Rechtsgrundsatzes zu Unrecht Steuern erhoben hätte (BGE 74 I 272Erw. 2 b). Das trifft ohne Zweifel nicht zu. Der Kanton Genf behauptet es nicht, und in den Akten liegt nichts dafür vor, dass es sich so verhielte.
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Da der Kanton Genf die Beschwerdeführerin für die Jahre 1951-1953 erst im Laufe des Jahres 1954 besteuert hat, in einem Zeitpunkt, wo diese die Steuern im Kanton Zürich bereits bezahlt hatte, dieser also zur Rückerstattung der Steuern verhalten werden müsste, die er in Unkenntnis des kollidierenden Steueranspruchs des Kantons Genf bezogen hat, ist die Verwirkungseinrede des Kantons Zürich zu schützen.
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