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Informationen zum Dokument  BGE 114 Ib 196  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
4. Nach Art. 4 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes über das Sch ...
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30. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 31. Oktober 1988 i.S. X. AG gegen Rheinschiffahrtsdirektion Basel und Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 4 Bundesgesetz über das Schiffsregister (SR 747.11).  
 
Sachverhalt
 
BGE 114 Ib, 196 (196)Die X. AG stellte am 3. Oktober 1986 bei der Rheinschiffahrtsdirektion Basel das Gesuch um eine Bescheinigung gemäss Art. 4 Abs. 2 und 3 des Bundesgesetzes über das Schiffsregister. Der Sache nach ging es darum, das der Gesuchstellerin gehörende Motorschiff auch unter den Voraussetzungen, die neu durch die am 15. Juli 1986 in Kraft getretene Gesetzesrevision (AS 1986 1130 1134, BBl 1984 II 1453) geschaffen worden waren, im Schiffsregister eintragen zu lassen.
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Die Rheinschiffahrtsdirektion lehnte den Antrag auf Ausstellung der verlangten Bescheinigung ab, und die gegen ihre Verfügung erhobenen Rekurse wurden vom Wirtschafts- un Sozialdepartement BGE 114 Ib, 196 (197)des Kantons Basel-Stadt und vom Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt abgewiesen. Das Bundesgericht wies die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, soweit darauf einzutreten war.
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Aus den Erwägungen:
 
4. Nach Art. 4 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes über das Schiffsregister müssen für die Aufnahme im Schiffsregister zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Das Schiff muss einer wirtschaftlich und geschäftlich selbständigen Unternehmung oder Zweigniederlassung gehören; und sodann muss diese Unternehmung oder Zweigniederlassung in der Schweiz über eine Betriebsorganisation verfügen, welche für den Betrieb, die Ausrüstung und die Bemannung des Schiffes zweckmässig ausgebaut ist. Art. 12 Abs. 2 der Schiffsregisterverordnung umschreibt diese Voraussetzungen dahingehend näher, dass - wenn mit der Geschäftsführung oder Verwaltung einer Einzelfirma, Handelsgesellschaft oder juristischen Person mehrere Personen betraut sind - deren Mehrheit Wohnsitz in der Schweiz haben muss. Ferner verlangt Art. 14 Abs. 1 lit. b der Schiffsregisterverordnung, dass eine Unternehmung im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung in der Schweiz den Mittelpunkt ihrer geschäftlichen Tätigkeit besitzt und von hier aus den Betrieb des Schiffes leitet.
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Dem bei den Akten liegenden Handelsregisterauszug ist nun aber zu entnehmen, dass von den vier Zeichnungsberechtigten der X. AG deren drei - als Geschäftsführer bezeichnet - ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben. Die Mehrheit der Geschäftsführung hat somit nicht Wohnsitz in der Schweiz, was allein Grund genug wäre, die Aufnahme des der X. AG gehörenden Motorschiffes in das Schiffsregister zu verweigern. Der einzige Verwaltungsrat führt im Hauptberuf ein Treuhandbüro; dass er die Voraussetzungen für die fachkundige Leitung des Schiffahrtsbetriebes nicht erfüllt, hat als unbestritten zu gelten, begnügt sich die Beschwerdeführerin doch in diesem Punkt mit der wenig aussagekräftigen Behauptung, der Verwaltungsrat verfüge persönlich "über eine langjährige Erfahrung und über genügend Beziehungen durch die AG, Aktionäre und Geschäftsführer". Es fehlt somit an der wirtschaftlichen und geschäftlichen Selbständigkeit der X. AG, welche ihre Weiterexistenz auch bei Wegfall der Beziehung zur Y. KG gewährleisten würde. Das Motorschiff könnte daher selbst dann nicht in das Schiffsregister aufgenommen BGE 114 Ib, 196 (198)werden, wenn die X. AG lediglich als Zweigniederlassung zu betrachten wäre.
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Es steht auch fest, dass die Beschwerdeführerin über keine für den Betrieb, die Ausrüstung und die Bemannung des Schiffes genügend ausgebaute Betriebsorganisation verfügt. Dass der einzige Verwaltungsrat der X. AG deren Buchhaltung und Steuerangelegenheiten betreut, genügt für die Betriebsorganisation selbstverständlich nicht. In ihrer Rekursschrift an das Wirtschafts- und Sozialdepartement des Kantons Basel-Stadt hat die X. AG selber ausgeführt: "Wir haben bisher ein einziges Schiff erworben, das wir vorerst vermietet haben. Aus diesem Grund haben wir als Übergangslösung für die Verwaltung eine angemessene Regelung mit der Z. in Pratteln gefunden. Es ist jedoch beabsichtigt, dass wir weitere Schiffe erwerben und diese dann auch selbst betreiben werden. Sobald es sich wirtschaftlich rechtfertigt, werden wir auch eine geeignete Betriebsorganisation mit eigenem Personal in der Schweiz aufbauen."
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Die Beschwerdeführerin wendet allerdings ein, im Falle der Schiffsvermietung bedürfe nur der Mieter einer voll ausgebauten Betriebsorganisation; vom Vermieter werde lediglich eine minimale Infrastruktur verlangt, wie die X. AG sie mit eigenen Räumlichkeiten, eigenem Telefonanschluss und der Person des Verwaltungsrats am Sitz der Gesellschaft aufweise. Indessen verträgt sich diese Darstellung nicht mit der Auffassung, die der Bundesrat in seiner Botschaft vom 29. August 1984 vertreten hat und worin er unterstrichen hat, dass reine Domizilgesellschaften oder Briefkastenfirmen ausscheiden sollen. Zwar hält der Bundesrat die gesetzlichen Anforderungen auch als erfüllt, wenn ein Eigentümer einzelne Schiffe zeitweilig an eine andere Gesellschaft vermietet; jedoch soll er dank eigener Mittel jederzeit in der Lage sein, die Schiffe selber zu bereedern (BBl 1984 II 1466 f.).
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Nichts zu ihren Gunsten kann die Beschwerdeführerin sodann aus Art. 15 der Schiffsregisterverordnung ableiten, worin die Voraussetzungen umschrieben sind, die ein Binnenreeder erfüllen muss, der nicht Eigentümer ist. Aus dem Umstand, dass der Schiffsmieter die Voraussetzungen erfüllen muss, welche Gesetz und Verordnung für den Eigentümer aufstellen, lässt sich nicht schliessen, dass letzterer nicht auch über eine zweckmässig ausgebaute Betriebsorganisation verfügen müsse. Nur wenn auf dieser Voraussetzung bestanden wird, wird das gesetzgeberische Ziel, Domizilgesellschaften auszuscheiden, erreicht. Nun fehlt es aber BGE 114 Ib, 196 (199)bei der Beschwerdeführerin an einer vorschriftsgemäss ausgebauten Betriebsorganisation, so dass befürchtet werden muss, dass der einzige Verwaltungsrat mit Wohnsitz in der Schweiz bei Auflösung der Beziehungen zum ausrüstenden Unternehmen nicht in der Lage wäre, den Schiffahrtsbetrieb weiterzuführen. Wie die Rheinschiffahrtsdirektion Basel in ihrer dem Bundesgericht eingereichten Vernehmlassung zutreffend ausführt, muss beim Schiffseigentümer fachkundiges Reedereipersonal - zumindest ein fachkundiger Schiffsbetriebsleiter - angestellt sein, damit er jederzeit und ohne eingreifende Neuorganisation die Aufgaben des Ausrüsters und Reeders wahrnehmen kann. Auch wenn die Ausrüstung von einem Mieter übernommen wird, hat der Eigentümer Aufgaben zu erfüllen, welche auf die Schiffahrt ausgerichtete Kenntnisse und Erfahrungen wie auch eine entsprechende Organisation verlangen. Dass ihre Organisation nicht zu genügen vermag, sieht denn auch die Beschwerdeführerin ein, hat sie den gegenwärtigen Zustand doch selbst als Übergangslösung bezeichnet und für die Zukunft den Aufbau einer zweckmässigen Betriebsorganisation mit eigenem Personal in der Schweiz in Aussicht gestellt. Wenn auch in der Botschaft (a.a.O.) Domizilgesellschaften und Briefkastenfirmen dadurch charakterisiert werden, dass sie über keine Büroräumlichkeiten und keinen eigenen Telefonanschluss verfügen, so kann daraus nicht der Umkehrschluss gezogen werden, wer diese Voraussetzungen erfülle, sei bereits als Ausrüster oder Reeder ausgewiesen. Erforderlich ist vielmehr, wie die Botschaft an derselben Stelle ausführt, auch fachkundiges Reedereipersonal, das selbständig in der Lage wäre, ein Rheinschiff auszurüsten und zu bemannen, die erforderlichen Reparaturarbeiten anzuordnen, Frachtgeschäfte abzuschliessen usw. Diese beruflichen Voraussetzungen erfüllt der einzige in der Schweiz wohnhafte Verwaltungsrat der X. AG nicht.
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Schliesslich entbindet der von der Beschwerdeführerin ins Feld geführte Umstand, dass sie wegen der Werbung der Schweizerischen Wirtschaftsförderung zur Firmengründung geschritten sei, sie nicht von der Pflicht, die Vorschriften des Bundesgesetzes über das Schiffsregister und der Schiffsregisterverordnung zu beobachten. Es ist verfehlt, den Behörden, welche dem Gesetz Nachachtung verschaffen, Handeln wider Treu und Glauben vorzuwerfen.
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