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Informationen zum Dokument  BGE 109 Ib 205  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Beschwerdeführer macht geltend, das Verwaltungsgerich ...
2. Nach Art. 44 Abs. 3 VZV wird der schweizerische Führeraus ...
3. a) Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beschwerdefü ...
4. a) Über die Aberkennung des deutschen Führerausweise ...
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36. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Dezember 1983 i.S. Sch. gegen Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Umtausch und Aberkennung ausländischer Führerausweise.  
Nach den Richtlinien der Vereinigung der Chefs der kantonalen Motorfahrzeugkontrollen vom 12. Mai 1977 (Ziff. 32 Abs. 5) wird dem Inhaber eines gültigen ausländischen Führerausweises, der früher in der Schweiz eine Führerprüfung nicht bestanden hatte, der schweizerische Führerausweis ohne Führerprüfung nur dann erteilt, wenn er den ausländischen Ausweis während eines Aufenthaltes von mindestens einem Jahr im Ausland erworben hat. Diese einjährige Sperrfrist ist gesetzmässig (E. 2 und 3).  
2. Art. 45 Abs. 1 VZV.  
Die schweizerischen Zuständigkeitsbestimmungen umgeht, wer mit Wohnsitz in der Schweiz einen Führerausweis im Ausland erwirbt und diesen in der Schweiz verwenden will (E. 4).  
 
Sachverhalt
 
BGE 109 Ib, 205 (206)A.- Sch., geb. 1959, liess sich im Kanton Solothurn am 13. September 1978 einen Lernfahrausweis für Motorfahrzeuge der Kategorie B ausstellen, welcher bis zum 11. November 1980 verlängert wurde. An zwei theoretischen Prüfungen vom 5. Mai und 23. Juni 1980 hatte er keinen Erfolg. In der Folge liess er sich am 3. bzw. 16. September 1980 einen Lernfahrausweis für die Kategorie C und E ausstellen. Diese Ausweise wurden bis zum 24. März bzw. 7. April 1982 verlängert. Danach liess er sich beim betreffenden Amt nicht mehr vernehmen.
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Vom 20. November 1981 bis 11. August 1982 war Sch. offiziell in Deutschland angemeldet; die Abmeldung in Olten erfolgte am 9. Februar 1982. Vom 23. November bis 5. Dezember 1981 besuchte er eine Intensiv-Fahrschule in Grassau/BRD. Am 7. Dezember 1981 bestand er die deutsche Führerprüfung für schwere Motorfahrzeuge. Gestützt auf diese Prüfung wurde ihm der deutsche Führerausweis ausgehändigt. Anschliessend betätigte er sich als Lastwagenführer im Raume Schweiz-Deutschland-Österreich-England.
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B.- Am 12. August 1982, einen Tag nach seiner Rückmeldung in Olten, legte Sch. der Motorfahrzeugkontrolle (MFK) Solothurn den deutschen Führerausweis vor und ersuchte um Erteilung eines schweizerischen Führerausweises für die Kategorien B, C und E. Die MFK wies dieses Gesuch am 21. September 1982 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Polizeidepartement des Kantons Solothurn am 8. Dezember 1982 abgewiesen. Mit Urteil vom 10. Juni 1983 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn die weitere Beschwerde von Sch. ab.
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C.- Sch. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass er "berechtigt ist, den deutschen Führerausweis Nr. 9939, ausgestellt am 7. Dezember 1981 durch die KFZ-Zulassungsstelle Traunstein/Oberbayern/BRD, gegen einen entsprechenden schweizerischen Führerausweis umzutauschen".
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BGE 109 Ib, 205 (207)Das Verwaltungsgericht und das Polizeidepartement des Kantons Solothurn haben unter Hinweis auf die Akten auf Vernehmlassung verzichtet und Abweisung der Beschwerde beantragt. Das Bundesamt für Polizeiwesen beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen und es sei die Verweigerung des Umtausches gemäss Art. 45 Abs. 1 VZV durch eine Aberkennung des deutschen Führerausweises auf unbestimmte Zeit zu ergänzen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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"Eine früher in der Schweiz nicht bestandene Führerprüfung rechtfertigt keine Verweigerung des Umtausches, sofern der ausländische Ausweis während eines Aufenthaltes von mindestens einem Jahr im Ausland erworben wurde."
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Wohl kommt diesen Richtlinien kein Gesetzescharakter zu. Sie können jedoch als Meinungsäusserung von Sachverständigen über die Auslegung des Gesetzes im Interesse der rechtsgleichen Behandlung berücksichtigt werden, sofern sie die dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung des Bundesrechts weder vereiteln noch erschweren und nicht über eine blosse Konkretisierung der bundesrechtlich vorgeschriebenen Voraussetzungen hinausgehen (dazu BGE 106 Ib 254). Ihrer Anwendung auf Fälle der vorliegenden Art steht nichts entgegen.
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Die erwähnte "Sperrfrist" hat den Zweck, die in Art. 42 Abs. 4 und Art. 45 Abs. 1 VZV erwähnte Umgehung von schweizerischen Vorschriften im Hinblick auf die Anforderungen der Führerprüfung zu erschweren. Sie dient in erster Linie der Verkehrssicherheit, BGE 109 Ib, 205 (208)welche durch eine Umgehung der Vorschriften der VZV beeinträchtigt werden kann, wenn die ausländischen Prüfungsvoraussetzungen weniger streng sind. Die genannte Bestimmung hat jedoch (ebenso wie diejenige von 6 Monaten gemäss Ziff. 32 Abs. 3 der Richtlinien) selbständigen Charakter und soll vorbeugend wirken. Sie ist deshalb unabhängig davon anzuwenden, ob die Prüfungsvoraussetzungen im ausländischen Staat im Schwierigkeitsgrad den schweizerischen entsprechen oder ob zusätzlich eine Umgehung der schweizerischen Zuständigkeitsbestimmungen im Sinne von Art. 45 Abs. 1 VZV vorliegt.
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b) Zu Gunsten des Beschwerdeführers kann davon ausgegangen werden, dass sein "Aufenthalt" in Deutschland vom 20. November 1981 bis 11. August 1982, also knapp 9 Monate dauerte, obwohl er sich erst am 9. Februar 1982 in Olten abmeldete. Daraus folgt, dass er die Voraussetzung für den Umtausch des deutschen in einen schweizerischen Führerausweis (Auslandaufenthalt von 12 Monaten) nicht erfüllt (Art. 44 Abs. 3 VZV in Verbindung mit Ziff. 32 Abs. 5 der Richtlinien). Die Verweigerung des Umtauschs ist daher nicht zu beanstanden.
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Sowohl Art. 42 Abs. 4 VZV als auch Art. 45 Abs. 1 VZV sprechen von "Umgehung ... der Bestimmungen". Daraus folgt jedoch nicht, dass ausländische Führerausweise, die in der Schweiz nicht verwendet werden dürfen, stets abzuerkennen sind (vgl. BGE 108 Ib 60 E. 3a). Die schweizerischen Zuständigkeitsbestimmungen im Sinne von Art. 45 Abs. 1 VZV umgeht, wer einen Führerausweis im Ausland erwirbt, obwohl er ihn in der Schweiz hätte erwerben müssen und wer den so erworbenen ausländischen Ausweis in der Schweiz verwenden will (Richtlinien der Interkantonalen BGE 109 Ib, 205 (209)Kommission für den Strassenverkehr vom 5. November 1981, Ziff. 3.4 Abs. 3; BGE 108 Ib 60 E. 3a).
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b) Der Beschwerdeführer hatte nach den amtlichen Eintragungen bis zum 9. Februar 1982 Wohnsitz in der Schweiz. Er hätte somit zu jener Zeit die Führerprüfung in seinem Wohnsitzkanton Solothurn ablegen müssen (Art. 22 SVG). Wenn er trotzdem am 7. Dezember 1981 den deutschen Führerausweis erwarb, den er nach seinen eigenen Angaben auch für Transporte in der Schweiz benützte und offensichtlich weiterhin verwenden will, umging er die schweizerischen Vorschriften (Art. 22 SVG und die Zulassungsbestimmungen der VZV). Unerheblich ist dabei, aus welchen Gründen er seinen Wohnsitz formell erst am 9. Februar 1982 nach Deutschland verlegte. Er berechnete dann vorsorglich erst ab diesem Datum die 6monatige Aufenthaltsdauer im Ausland (Richtlinien Ziff. 32 Abs. 3), mit der er - offenbar irrtümlicherweise - den Vorschriften zu genügen glaubte. Nur zwei Tage nach Ablauf dieser Frist, am 11. August 1982, meldete er sich in der Schweiz wieder an, und einen Tag später stellte er das Gesuch um Umtausch des deutschen Ausweises. Dies spricht dafür, dass er nie die Absicht hatte, länger als unbedingt erforderlich in Deutschland zu bleiben bzw. dort amtlichen Wohnsitz zu verzeichnen. Dies ändert nichts daran, dass er die Führerprüfung bis zum 9. Februar 1982 im Kanton Solothurn hätte ablegen müssen. Der am 7. Dezember 1981 erlangte deutsche Führerausweis ist ihm somit im Sinne von Art. 45 Abs. 1 VZV für das Gebiet der Schweiz auf unbestimmte Zeit abzuerkennen.
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